Geburtsstunde des Feminismus

„Ist es nicht eben diese Hipparchia, die, schon im frühen Morgen ihres Lebens vom Licht der Philosophie angestrahlt, aus der betäubenden Dumpfheit, worin die verpuppten Seelchen ihrer meisten Ge­schlechts­schwestern ihr Daseyn ver­träumen, zum Gefühl der Würde ihrer Natur erwacht ist?“ Wieland

Fast unbemerkt vollführt sich im kynischen Mantel eine metaphysische Revolution, der Diogenes Laertius nur wenige Zeilen zu widmen weiß. Es ist die einzige Lebens­beschreibung in seinem Monumentalwerk „Leben und Meinungen berühmter Philosophen“, die eine Frau, eine Philosophin zum Gegenstand hat. Es dürfte mehr als ein Zufall sein, die erste Philosophin, von der wir wissen und die dieses Prädikat verdient, in jenem Moment zu beobachten, als sie sich entschied, die gleichen Kleider zu tragen wie Krates, der Kyniker. Von dessen Lehre und Lebensweise nachhal­tig beeindruckt, schien sie nur noch ein Ziel zu kennen, das Leben des Krates zu teilen, und um dieses zu erreichen, widersetzte sie sich nicht nur den gesellschaftlichen Konventionen – immerhin wählte sie ihren Mann selbst –, war sie nicht nur „völlig unzugäng­lich für die Bewerbungen ihrer Freier und völlig gleichgültig gegenüber ihrem Reichtum, ihrer hohen Geburt, ihrer Schönheit“, mehr noch: „sie drohte sogar ihren Eltern, selbst Hand an sich zu legen, wenn man sie ihm nicht gebe“ (DL VI 96).

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Ist die AfD eine PFGFIDSDG?

oder: Alter Wein in neuen Schläuchen

Niemand hatte im letzten Jahr mit zwölf-, fünfzehn und gar 24-prozentigen Tsunamiwellen gerechnet. Aus dem Stand war die AfD ein politischer Riese geworden – zumindest auf dem Papier, zumindest in Zahlen. So verständlich die Freude bei den Anhängern war, so gefährlich ist das Ergebnis gewesen. Es schien nur noch aufwärts gehen zu können – und plötzlich droht man an der 5%-Hürde zu scheitern. Keine Zeit für Panik …

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Warum die Deutschen?

Seit einigen Wochen gebe ich etwas Privatunterricht in Deutsch. Ein älterer Herr steht vor der Tür: Es stellt sich heraus: Er ist der Inhaber einer der größten Weingüter in dieser gottgesegneten Weingegend, promovierter Önologe. Nun, da er auf die 80 zugeht, will er sein Deutsch etwas auffrischen. Da weiß man sogleich, daß man einen wirklichen Charakter vor sich hat.

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Seelenfänger

Kurzer Heimatbesuch. Zwei Stunden bei Hussain sind fest eingeplant.

Es funktioniert noch immer zwischen uns. Küßchen links, Küßchen rechts, ein paar Floskeln, ein verschämtes Räuspern, eine Tasse schwarzer Tee – im arabischen Laden gekauft –, aber dann sind wir sofort wieder drin im Gespräch, im Eingemachten.

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Notwendige Selbstunterbietung

  1. Gestern haben sich, laut „Spiegel“ Trump-Anhänger und – Gegner in Los Angeles gekloppt. Linke Gegendemonstranten wollten eine „Wand aus Menschen“ bauen, haben es aber nur zu ein paar vermummten Guerillas gebracht. Hier der Satz, über den ich gestolpert bin: „Einer der Anti-Trump-Demonstranten, der angeblich Pfefferspray einsetzte, wurde laut einem Bericht der „Los Angeles Times“ von Trump-Anhängern zu Boden geworfen und getreten.“

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Deutsche Bahn und Toleranz

Wer es noch nicht kennt, sollte sich jetzt die 52 Sekunden Zeit nehmen und das neue Werbevideo der Deutschen Bahn anschauen.

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Am Abend mancher Tage

In letzter Zeit ertappe ich mich immer öfter – spät in der Dunkelheit, wenn die Welt schläft und nur die Marder sich weit nach Mitternacht mit aufgeregten Schreien durch die Gassen jagen –, wie ich beim zweiten Glas des rubinroten „Primitivo“, der die Zunge ein wenig pelzig macht (leider scheinen die ungarischen Weine die melancholische Herbheit zu scheuen und also kommt er aus Puglia), im gelben Lichtkegel der Leselampe gedankenverloren im großartigen Grimm-Wörterbuch Magyar-Német blättere – es gibt nichts Vergleichbares auf dem deutschen Markt – und mit selbstvergessenem Lächeln wundersame ungarische Wörter kaue und leise vor mich hin spreche, um ihr Geheimnis zu erlauschen.

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Die Philosophie der Ahmadiyya

Im Herbst 2015 kam es in Weimar zu einem unverhofften und intensiven Gespräch mit Suleman Malik, dem Vorsitzenden der Erfurter Ahmadiyya-Gemeinde und im darauffolgenden Frühjahr konnte ich mit Said A. Arif, dem Imam der Berliner Moschee, sprechen und einen kurzen Mailwechsel führen. In den Beiträgen „Der friedliche Islam“ und „Friede und Islam in Sachsen?“ wurde über diese Begegnungen berichtet und die Zugriffszahlen beweisen, daß es ein Bedürfnis sowohl nach Aufklärung über den Islam als auch nach einer friedlichen Auslegung gibt. Beide empfahlen ein viel angepriesenen Buch, das Hauptwerk des Gründers dieser Glaubensrichtung – Mirza Ghulam Ahmad –  mit dem anspruchsvollen Titel: „Die Philosophie der Lehren des Islam“. Hier soll es auf Herz und Nieren geprüft werden; hält es einer kritischen Prüfung stand?

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Wer sind die Ahmadiyya?

In Erfurt soll eine Moschee entstehen. Eine Bürgerbewegung, von „EinProzent“ und der AfD unterstützt, errichtet ein Holzkreuz auf dem Gelände des geplanten Baus. Vertreter von Medien, Politik und Kirche reagieren mit Empörung. Thüringen24 schaltet sogar einen Live-Ticker. Bauherr ist die Ahmadiyya-Gemeinde. Der Focus schreibt: „Die Ahmadi lehnen Gewalt ab, erkennen den Rechtsstaat an und treten für die Trennung zwischen Staat und Religion ein.“ Weshalb also der Aufruhr? Die populistische Presse gibt einfache Antworten auf komplexe Fragen:

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Erdogan gewinnt in Holland

Einen „Sieg der Vernunft“ nennt der „Spiegel“ den überraschenden Wahlsieg der „Liberalkonservativen“ oder „Rechtsliberalen“ in den Niederlanden. Und Peter Altmeier twittert: „Demokratie und Vernunft  stärker als Demagogie!“

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Heidi Hetzer

Man sollte öfter mit normalen Menschen zusammen sitzen. So wie gestern bei einer Geburtstagsfeier. Da saß die Verkäuferin und erzählt aus dem Leben. Wie sie alle Angst haben um ihren Job. Wie ihnen gesagt wurde, daß sie entlassen würden, wenn sie an Pegida oder WsD-Demonstrationen teilnähmen …

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Nachruf auf den Humanismus

Es macht gewisse Schwierigkeiten, tradierte Ideale, scheinbar altbewährte Theorien, gewohnte Ansätze, anerkannte Begriffe und liebgewonnene Klassiker in Frage gestellt zu sehen. Aber es kann nicht Sinn und Zweck sein, sich derartiger Dinge immer wieder nur neu zu versichern, sie zu rekapitulieren, ohne dabei noch den offenen Blick auf Anderes zu haben. Weiterlesen

Sprachkompetenz

Zweisprachig aufzuwachsen ist ein Glücksfall. Kinder, die in fremden Landen heranwachsen und im elterlichen Heim einen festen und sicheren Stützpunkt haben, der sie ungezwungen auch mit der Muttersprache vertraut macht, haben enorme Vorteile für das ganze Leben. Ich kenne Familien, die sogar drei- oder viersprachig (ein Elternteil als Katalane zweisprachig) aufwuchsen und diese Herausforderung, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, meisterten. Oft lernen diese Kinder dann noch ein oder zwei Fremdsprachen in der Schule und können mit 18 auf ganz natürliche Art und Weise in fünf verschiedenen Idiomen parlieren.

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Too close for comfort

… so sagen die Briten, die Weltmeister im Drumherumreden, in ihrer bildreichen Sprache, wenn sie einer Gefahr, einer Unannehmlichkeit zu nahe gekommen sind.

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Mohammed in der Literatur II

Tralow

Johannes Tralow war insbesondere in der DDR ein Gigant. Überhaupt erlangte der Historische Roman, dessen Großmeister Tralow im Osten war, enorme Beliebtheit, nicht zuletzt deswegen, weil die geschichtliche Verkleidung einerseits ideale Möglichkeiten bot, „geheime Botschaften“ weiterzureichen, und andererseits die ungestillte Reiselust der Ostdeutschen zumindest in der Phantasie befriedigte. Gerade mit seiner „Osmanischen Tetralogie“ befriedigte Tralow das Bedürfnis nach Exotik, verführte allerdings auch zu einer beschönigenden Orient-Sicht. Ich kannte jedenfalls Geschichtsstudenten, die ihr Studium zum Großteil mit seinen historischen Romanen meisterten.

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Mohammed in der Literatur

Klabund

Erhört eure Gebete! (Barbusse: Jesus)

Die Geschichte des Propheten ist so schillernd wie nur möglich: Frauen, Liebe, Eifersucht, Intrigen, Mord und Totschlag, Exotik, Erotik, Farben und Düfte, grandiose Natur, Kriege und Schlachten und die großartigsten Charaktere. Hätte es ihn nicht gegeben, man hätte ihn literarisch erfinden müssen. Eine solche Gestalt muß die Literaten und Poeten en masse angezogen haben, die Regale müßten sich unter Mohammed-Romanen biegen.

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Buddha, Heidegger und Hellmuth Hecker

Am 7. Januar des Jahres ist Hellmuth Hecker (geb. 1923) gestorben, leise und bescheiden, wie es sich gehört. Nur so ist der verspätete Nachruf zu erklären – ich habe es erst heute erfahren.

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