Fahrenheit 2023

Das Vorhaben des „Rings Freiheitlicher Studenten“ der Uni Wien, Götz Kubitschek morgen als Redner an die Alma mater einzuladen, um das Normale schließlich zu normalisieren, hat mich endlich dazu gezwungen, Ray Bradburys dystopischen Roman „Fahrenheit 451“ zu lesen. Über ihn will Kubitschek referieren, das Buch bezeichnet er als „eines der Kult-Bücher unserer Szene“. Unabhängig davon, sollte es zum Kanon eines jeden wachen Lesers gehören, es ist ein Referenzwerk, dessen Titel längst als Symbol oder als Meme genannt wird und also die Kenntnis voraussetzt.

Das Werk ist von vorn bis hinten durchanalysiert worden – man darf gespannt sein, wie Kubitschek es reaktualisiert, in den heutigen Kontext stellt, denn etwas anderes dürfte kaum zu erwarten und opportun sein.

Daher will ich darüber schweigen; nur so viel, das Allerwichtigste, für diejenigen, die es noch nicht kennen: Der Protagonist lebt in einer Gesellschaft, in der es verboten ist, Bücher zu besitzen und zu lesen, er selbst arbeitet als Feuerwehrmann, der keine Brände mehr löscht, sondern welche legt, dann nämlich, wenn man neue Bücher und Bibliotheken entdeckt und sie samt Haus und Besitzer den Flammen übergibt. Dann kommen sie und holen und vernichten alles.

Bradbury entwarf vor 70 Jahren eine Welt, die der unseren auf fatale Art und Weise ähnelt, denn sie wird von letzten Menschen bewohnt, denen man alles eigene Denken durch Propaganda, Unterhaltung, Opportunismus und Zwang aberzogen hat; sie leben für den Konsum, für ihren kleinen Frieden, die billigen Zerstreuungen …, alle Literatur von Rang muß sie beängstigen, verunsichern und existentiell überfordern.

Der Feuerwehrmann, in dem noch ein Funken Leben glüht, kommt durch seine Arbeit selbst in Kontakt mit der großen Literatur und wird bis in die Wurzeln seines Seins erschüttert.

Ich las das Buch fast in einem Zug, immer wieder Anstreichungen machend. Ich las es mit zunehmender Beklemmung, nahm es mehr und mehr persönlich.

Was, wenn sie zu mir kommen?

Die Frage ist absurd? Wir leben doch in einer Demokratie? Kann man hier nicht alles sagen, denken, lesen?

Man muß die Entwicklungen sehen! Schnell hat die Universität den Termin mit Kubitschek „gecancelt“. Der Studentenbund will die Einhaltung des Vertrages nun einklagen – aber wir wissen doch alle, wie das Resultat ausschauen wird. Längst haben sich selbsternannte Antifaschisten dazu vergattert, das Recht auf freie Rede auch mit Gewalt einzuschränken. Medien und Polizei laufen heiß, wissen mitunter nicht, was zu tun sei …

„Gesichert rechtsextrem“ finden verschiedene Verfassungschutzfilialen die einzig alternative Partei in Deutschland und auch Kubitscheks Verlag und Verein haben sich diese vergiftete Anstecknadel schon verdient.

Hausdurchsuchungen sind kein Tabu mehr. Vor Jahren stand man schon bei Sellner in der Tür und nahm sämtliche Datenträger mit. Vor wenigen Tagen gab es etwa eine polizeiliche Hausdurchsuchung bei Johannes Konstantin Poensgen, wohl wegen eines Tweets. Ich kenne die Hintergründe nicht, man kann aber Poensgens Arbeit auf verschiedenen Plattformen nachlesen – etwa auf „Sezession“ oder bei „Recherche D“; nichts, was auch nur im Ansatz vermuten ließe, daß eine Hausdurchsuchung bei Poensgen gerechtfertigt sein könnte. Und wann ist sie das überhaupt?

„Gefunden“ wird natürlich immer etwas. Vor allem Bücher, böse Bücher, gefährliche Bücher.

Was also, wenn sie zu mir kämen? Ich will mich mit diesem Gedanken nicht wichtig machen, ich bin ein kleines Licht und weiß das auch; ich will nur die Situation im Kopfe durchspielen.

Und wir müssen die Entwicklungen sehen! Heute trifft es einige, wenige noch, aber morgen können es mehr werden und bald auch viele. Spricht man etwa nicht schon offen vom Verbot der AfD? Werden nicht etwa ein paar wirre Rentner wie Schwerverbrecher vorgeführt und als „staatsgefährdend“ gebrandmarkt? Erleiden Politiker nicht persönliche und körperliche Angriffe, ohne daß die Journaille sich erregt, insgeheim sogar mitfeiert? Sitzen wir nicht längst schon auf der Rutsche? Die Zeichen sind deutlich.

Auch wenn sie zu mir kommen, werden sie finden. Bücher, viele Bücher und unter diesen auch verruchte Bücher.

Als ein Kamerateam in Schnellroda weilte, da filmte man die Bücherwände ab und blieb bei bestimmten Autoren stehen, erwähnte sie im Text. Das Sieb der Wahrnehmung würde auch hier – wie in jedem gepflegten Haushalt – aussieben. Heidegger? – ein Nazi. Der ganze Hamsun? – ein Nazi. Der ganze Jünger. Wass? – Kennen sie nicht, aber wenn sie ihn kennten …

Wenn sie nach „Extremisten“ suchten, so könnten sie in alle Richtungen fündig werden: Lenin, Stalin, Mao, alles da. Auch die Anarchisten und sogar die Radikalökologen, die Trassensprenger, die Ökoapokalyptiker, die Orthodoxen und religiösen Fanatiker aller Konfessionen und Religionen, die „Rassisten“ wie Gobineau oder Taylor … Eigentlich ein schönes Gleichgewicht.

Sie würden Popper übersehen und Erich Fromm und Habermas‘ sämtliche Schriften und alles „Demokratische“. Aber steht da nicht Evola in mehreren Bänden? Und ist da hinten nicht die Ludendorff oder der Rosenberg und – ja – selbst ein durchgearbeitetes Exemplar von „Mein Kampf“ würde man finden.

Und dann das große Regal, das ich den „Giftschrank“ nenne. Hier sammeln sich die „rechten Verlage“, einige davon jetzt schon „gesichert rechtsextrem“. Da könnte eine Kamera schön draufhalten, da könnten sie den großen Sack weit aufmachen und Beweismaterial einsacken und da könnten sie – vielleicht in nicht allzu weiter Zukunft – den Flammenwerfer draufhalten und glühende Schmetterlinge fliegen lassen.

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Du übertreibst! Du spinnst! Du nimmst dich zu wichtig! Mag sein!

Aber warum denn haben wir unser Nummernschild in Schnellroda mit IFS 451 abgeklebt? Mir jedenfalls kam bereits der Gedanke, Teile meiner Bibliothek auszulagern. Und ich kaufe schon seit Längerem auf Vorrat, mitunter auch Bücher, die mich momentan gar nicht interessieren, um sie zu haben, um sie zu retten, wenn sie eines Tages nicht mehr zu haben sein werden.

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