Eine Schöpfungsgeschichte

Seinem Schelmenroman „Dreizehn Apfelbäume“ (Tizenhárom almafa) stellte Albert Wass eine kleine ironische Schöpfungsgeschichte der Székler voran. Da sie auch für den deutschen Leser von besonderem Interesse ist, wird sie hier in Erstübersetzung präsentiert:

Man muß wissen, daß Gott der Herr, als er die Angelegenheiten der Nationen und Länder auf der Erde regelte, Siebenbürgen geschickt vergaß. Seither ist es Gewohnheit geblieben, daß man es vergißt, wann immer sich die Gelegenheit ergibt.

Also hatte Gott der Herr gerade sein Werk beendet und er blickte zufrieden auf die Welt hinaus, als der älteste Erzengel hinter ihm sprach. So einer mit langem buschigem Schnauzbart, ein in die Jahre gekommener Erzengel war das, so ein Stabsfeldwebel. Deshalb war es ihm erlaubt, zu sprechen.

–          Mein Herr – sagte er -, irgend etwas ist noch nicht fertig!

–          Und das wäre? – sah der Herrgott seinen ältesten Diener verwundert an.

Der nahm daraufhin seine Meerschaumpfeife aus dem Mund und zeigte in Richtung Erdély (ung.: Siebenbürgen)

–          Äh häm! Dort ist noch niemand drauf!

Der Herr blickte hin und siehe da, es war ganz menschenleer. Obwohl es doch ein wunderschönes kleines Land zu sein versprach, es wäre eine reine Sünde gewesen, es als Ödnis zu belassen.

–          Na, warte mal – sagte er und begann in seinen Taschen zu kramen.

Er fand eine Handvoll Ungarn, die streute er in die Täler hinein. In der anderen Hand tauchten ein paar übriggebliebene Rumänen auf, mit denen besäte er die Berge.

–          Na also – sagte er -, das ist auch erledigt.

Aber der alte Engel schüttelte nur den Kopf.

–          Irgend etwas hapert wohl noch immer.

–          Hapert? Was soll denn noch immer hapern? – fragte der Herr überrascht.

–          Nun, Menschen, die gibt es nun, mein Verehrter – räsonierte der alte Erzengel -, aber wer wird dort arbeiten?

–          Wie? Was? Wer arbeiten wird? Na, die Ungarn in den Tälern und die Rumänen in den Bergen!

Aber der Alte schüttelte nur mit dem Kopf.

–          Die Ungarn? Sie werden den Herrn geben. Die Rumänen? Sie werden auf dem Rücken liegen und in die Wolken schauen. Und die Zeit, die sie vom Herr spielen und Wolkengucken übrighaben, die werden sie damit verbringen, sich gegenseitig zu jagen. Irgend jemand muß doch auch arbeiten! Daraufhin griff der Herrgott in großem Zorn in seine Leibtasche und zerrte daraus die Sachsen hervor.

–          Da – und damit stieß er die Sachsen zwischen die Ungarn und die Rumänen – hier hast du sie. Dann werden die an deren Stelle arbeiten!

Aber der Alte kratzte sich rechthaberisch wieder nur am Kopf.

–          Doch, doch, ja, ja. Das wäre auch erledigt. Aber mit irgendwas haperts noch immer!

–          Womit, verdammt nochmal, haperts noch immer? – erboste sich der Herr bei dieser Hartnäckigkeit.

–          Nun, schau her, mein Herr – und der alte Erzengel wies mit seiner Pfeife in Richtung Erdély –, der Ungar spielt den Herrn und streitet sich mit den Rumänen. Der Rumäne schaut in die Wolken und streitet sich mit dem Ungarn. Und nun? Der Sachse, der arbeitet, das ist wahr, und im Streit steht er immer auf der Seite des Stärkeren. Na, und wer wird daraus einen Nutzen haben? Der Sachse, er ist geizig, mein Herr, er hat eine pelzige Seele. Es braucht noch jemanden, der Verstand hat, und Herz, und sich auch noch ein klein wenig aufs Arbeiten versteht, denn sonst wird der Teufel alles wegnehmen! Darauf konnte der Herrgott nicht mehr sagen, als daß dies wahr sei, und da er nichts in der Tasche hatte, woraus er schöpfen konnte, also schuf er den Székler.

Wass Albert: Tizenhárom almafa | könyv | bookline

2 Gedanken zu “Eine Schöpfungsgeschichte

  1. Ich habe mit Siebenbürgen im Leben einige Berührungspunkte gehabt und zwar dergestalt, dass ich einige Schulkameraden, wie auch Berufskollegen hatte die von dort kamen. Gemeinhin wurden sie als Siebenbürger Sachsen tituliert, aber ich weiß nun das es ein wenig differenzierter war/ist. In meinem beschaulichen Landkreis östlich von Köln gab es eine große Siedlung mit Auswanderen aus Siebenbürgen. Schon an den Straßennamen, Klausenburger Gasse, Burzenland, Weinland, Kronstädter Gasse etc, konnte man sehen wer dort wohnte. Fleißige Menschen und nach kurzer Zeit voll integriert in die dörfliche Gemeinschaft.

    Viel erzählt haben die Schulkameraden und auch Berufskollegen über ihre ehemalige Heimat nicht, warum weiß ich nicht und habe ich auch nicht erfragt. Hätte ich vielleicht aus heutiger Sicht machen sollen.

    Mein Interesse kam als ich mich mit Ungarn Geschichte beschäftigte, feststellte das Siebenbürgen eben nicht ursprünglich rumänisch war, dass dort fast 1000 Jahre lang auch Deutsche lebten, dass dort eine reichhaltige deutsche, wie auch ungarische Kultur existierte und teils noch existiert, dass es ein Kronland, eigentlich DIE Krone des ungarischen Staates war, sogar mit Sonderrechten.

    Für die Zukunft ist eine Rundreise geplant, wobei ich im Herbst 22 schon eine kurze Stippvisite gemacht habe und u.a. Hunedoara besucht habe, dort den Stammsitz derer von Hunyadi.

    Und so bin ich dann auch zu Wass gekommen und es wäre schön, wenn denn weitere Werke von ihm übersetzt würden, denn leider, leider gibt es kaum deutsche Übersetzungen auf dem Markt und wenn dann sind es uralte Exemplare mit einem stolzen Preis.

    Insofern wäre ich dankbar für weitere Übersetzungen von ihm.

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