„Follow the science” skandieren die Thunberg-Jünger. Täten sie es, müßten sie ganz andere Forderungen aufstellen. Das zumindest behauptet Bjørn Lomborg in seinem vor zwei Jahren erschienenen und hier in wunderbar flüssiger Übersetzung endlich auf Deutsch vorliegenden Buch. In seiner Muttersprache nennt man Typen wie Lomborg „tryllemand“, das sind Menschen, die scheinbar zaubern können, die bezaubern und bannen. Atemlos folgt man seinem Wortstrom. Weiterlesen
Wissenschaft
Pandemie ohne Ende
Gerade macht ein Artikel aus „La Razón” die Runde in den Chats und Netzwerken. Wohl aus zwei Gründen: zum einen findet sich dieser kritische Rundumschlag in einem spanischen Hauptmedium – „La Razón“ hat eine Auflage von 150000 Exemplaren, ist damit die fünftstärkste Tageszeitung in Spanien, ist konservativ und wesenhaft katholisch; in Deutschland gibt es nichts Entsprechendes – vielleicht kann man sie am ehesten mit „Die Welt“ vergleichen. Zum anderen schlägt der Autor einen Ton an, den man in Europa dieser Tage selten zu hören bekommt und in Deutschland schon gar nicht.
Allerdings geistern – soweit ich sehe – nur Zitatfetzen durchs deutsche Netz. Immer ein schlechtes Fundament. Daher zitiere ich hier etwas ausführlicher – der Leser soll entscheiden, ob sich die Aufregung lohnt oder nicht:
Forschung und Leere
Vor einiger Zeit sprach ich mit einer Doktorandin, d.h. einer jungen Frau, die gerade über ein geisteswissenschaftliches Thema promoviert. Sie hielt mir einen kleinen Vortrag über den Gegenstand und es war erfrischend zu sehen, mit welchem Enthusiasmus sie die Materie bearbeitete.
Sie hatte große Visionen. Bisher habe man die Sache vollkommen ungenügend angepackt, habe das Problem nur aus bescheidenem Blickwinkel betrachtet und also das Wesentliche übersehen, aber sie, sie werde das nun ganz anders angehen. Schnell entwarf sie mir ein paar Grundlinien auf ein Papier – sie wolle all das abhandeln und dann zusammenfassen, und das war praktisch die Revolution der gesamten Philosophiegeschichte.
Mein Corona-Tod
Im aktuellen „Focus“ kommt der Chefarzt der Intensivstation einer Münchener Klinik zu Wort und darf dort auch über seine Wut auf Ungeimpfte reden. Demnach arbeite man seit 19 Monaten bis zur Erschöpfung hauptsächlich wegen Corona-Patienten. Alle, zu 100%, der dort Behandelten seien Ungeimpfte gewesen, sagt der Mann. Die Opfer werden immer jünger, – meine Alterskohorte ist deutlich überrepräsentiert –, die Hälfte habe Vorbelastungen wie Diabetes oder Fettsucht, die andere Hälfte aber sei kerngesund. Ob er auch einen Groll auf Adipöse, Trinker, Raucher, Autofahrer, Suizidale – und was weiß ich, wer noch so statistisch überrepräsentiert auf der Intensivstation landet – hat, erfahren wir nicht.
Homöopathie als Weisheitslehre
Gleich der erste Satz eine Wucht: „Dieses Buch ist keine Chronik einer Entwicklung. Alles, was vom Werden … Hahnemanns erzählt wird, wird mit Hinblick auf seine Vollendung erzählt.“ Tatsächlich wird das Buch in weiten Teilen nicht getrieben, sondern gezogen, nicht die Frage „warum“, sondern „wozu“ gestellt, und das eröffnet ganz andere Möglichkeiten, bringt aber auch Probleme mit sich. Zuvorderst entspricht diese Herangehensweise Hahnemanns Philosophie der reinen Phänomenalität, ist also genuine, komplementäre Aussage, und erlaubt ein intensives Sich-Einfühlen. Ja, Hahnemann wird nicht nur besprochen, er wird sogar direkt an-gesprochen, als wäre er noch immer präsent, immer schon und immer noch da. Und wirklich, die Homöopathie, die Fritsche uns vorstellt, ist plötzlich da und in gewisser Weise ewig und sie beginnt mit ihrem Höhepunkt, kennt also keine eigentliche Entwicklung, nur Varianten, meist Dekadenzen. Nur die tiefsten Weisheitslehren des Taoismus, des Buddhismus und des Kynismus können da mithalten, nur diese beginnen auch mit ihrem Höhepunkt (Laotse, Buddha, Diogenes). Damit, als letztes Ergebnis dieser Herangehensweise, wird der Homöopathie von vornherein ein transzendentaler Charakter zugesprochen.
Hohepriester des Irrelevanten
Zum Tode George Steiners (23.4.1929 – 3.2.2020)
Warum soll ein großer Denker auch intelligent sein? Das ist eine schwierige Frage. (George Steiner)
Steiner gehört zu den ganz wenigen Autoren und Denkern, denen man sich aus ganz verschiedenen Richtungen nähern kann – vor allem von der Seite. Man hätte ihm literaturtheoretisch oder linguistisch oder kulturkritisch oder historisch begegnen können – das wären die Hauptstraßen gewesen –; meine Konfrontation mit ihm geschah jedoch über Nebenpfade, über die Fundamentalontologie und über das Schach.
Der Sherrock-Klub
„Es ist unvermeidlich, daß die Natur gegen sie arbeitet, und das sehr bald. Sie besitzt phantastisches Schachtalent, aber sie ist trotz allem eine Frau. Das liegt alles an den Unvollkommenheiten der weiblichen Psyche. Keine Frau kann einen längeren Kampf durchhalten. Sie kämpft gegen die Gewohnheit von Jahrhunderten und Jahrhunderten, seit Anbeginn der Welt.“ Garri Kasparow
Die Presse hatte sich fast nicht mehr einbekommen. Zum ersten Mal gewann eine Frau bei der legendären Darts-Weltmeisterschaft ein, dann zwei Spiele gegen Männer. Ihre Siege wurden Weltnachrichten, jeder Pfeil wurde ein „Fanal für Frauenrechte“, wie Billie Jean King schrieb – die Presse nahm den Ton begeistert auf und verstärkte ihn hundertfach.
Die Welt ohne Luther
Leider kam dann Luther. (Michael Lösch)
In der Besprechung des äußerst anregenden Buches „Im Moralapostolat“ von Horst G. Herrmann kam ich zu der rhetorischen Formel: „Luther ist schuld“[1]. Daraus ergibt sich ganz zwangsläufig eine weitere Frage: Hätte es Luther, Luther als Person mit seinen ganz individuellen Eigenheiten, nicht gegeben, wie sähe die nachfolgende Welt aus? Die Beantwortung dieser Frage stellte sich Michael Lösch in seinem Buch „Wäre Luther nicht gewesen“.
Die Budapester Burg
Budapester Impressionen VIII
Auch die Burg gehört zum Basisprogramm eines jeden Budapest-Reisenden. Vom Szell-Kalmán-Ter nehme ich den Bus, der den Anstieg bequem in drei Minuten schafft und steige gleich an der ersten Station innerhalb der Mauern aus. Wie der Zufall es will, stehe ich fast direkt vor dem Militärmuseum, das schon von Anfang an auf meiner Liste stand. Also wird der Burgspaziergang nach hinten verschoben, wohl wissend, daß sich das Gelände am Sonntagmittag bald zu einem Ameisenhaufen verwandeln wird.
Budapester Höhlenwunder
Budapester Impressionen V
Der Reiseführer empfiehlt unter den Höhlen Budapests besonders die Pál-Völgyi-Barlang. Da sie nur wenige Minuten Laufweg von meiner Wohnstatt entfernt ist, ist ein Besuch obligatorisch. Ich gehe an einem Montag. Das Handbuch sagt, daß die Höhle täglich von 10 – 20 Uhr geöffnet und der Eintritt frei sei. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Montag geschlossen, Begehzeiten von 10 bis 16 Uhr und der Eintritt kostet 2000 Forint (ca. 6 Euro).
Was die Pfütze lehrt
„Wenn du am Wassergraben vorüberkommst, unvorbereitet und ohne Zeit zu besinnlichem Aufenthalt, so bleibe getrost stehen. Ich weiß, du hast Pflichten. In Wahrheit haben die Pflichten dich. Laß einmal die Dinge, die dich rufen, vergeblich auf dein Kommen warten. Denn hier ergeht ein höherer Ruf an dich.“
Verschwörungstheorien
„Kein Gedanke ist so alt oder so absurd, daß er nicht unser Wissen verbessern könnte.“ Paul Feyerabend
Ich bin einem Verschwörungstheoretiker begegnet. Und das lief so ab.
Greta Thunberg Superstar
Die meisten Menschen haben ein paar lebenslange Maximen, an die sie sich halten. Mein Großvater zum Beispiel, der sechs Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft verbracht hatte und erst 1950 nach Hause – nein, das ist falsch, denn die Familie war inzwischen vertrieben worden –, also in die neue Heimat kam, die nie seine wahre Heimat wurde, mein Großvater lebte nach dem Motto: „Lieber den Magen verrenkt, als dem Wirt was geschenkt.“
Die Verbotskultur
Irgendwann werden wir uns wohl ein neues Auto zulegen müssen. Der 20 Jahre alte Golf fährt noch immer zuverlässig, jedoch unter gelegentlichem Stöhnen und Ächzen. Aber ein Auto, bei dem ich das Fenster nicht mehr eigenständig hoch und runter kurbeln kann, kommt für mich nicht in Frage.
Warum ich kein Vegetarier bin
Seit Marx‘ Zeiten hat vielleicht kein philosophisches Werk unser tatsächliches Leben derart geformt wie Peter Singers „Animal Liberation“ und kaum ein literarisches Werk dürfte die Gesellschaft bis in die Gesetzgebung hinein praktisch so geprägt haben wie Upton Sinclairs „The Jungle“. Beide Bücher wurden zur „materiellen Gewalt“ und beide behandeln unseren Umgang mit den Tieren. Das ist kein Zufall!
Nachdenken über Seifenblasen
Auf dem Pécser Széchenyi Tér vor der einstigen Moschee, dem sehenswerten Dzsámi, wie die Ungarn sagen, steht ein Straßenkünstler und formt riesige Seifenblasen. Sie fliegen – man kann das an der Ausrichtung des Gotteshauses kontrollieren – Richtung Mekka. Eine kleine Schar Kinder hat sich eingefunden und hascht nach den Blasen, bringt sie zum Platzen.
Apokalyps mich!
Ein Freund der Familie hatte sich schon vor ein paar Jahren bis zur Überzeugung gelesen, daß die Welt im Jahre 2019 untergehen werde. Nicht die ganze natürlich, aber die größten Teile Europas seien dabei. Nur ein schmaler Streifen in den Alpen würde verschont. Dort hatte er sich schon 2017 einen Hotelplatz gesichert, den er – schwer mit eisernen Rationen und Trinkwasseraufbereitungsanlage bepackt – beziehen wird, wenn es soweit ist.
Schach dem Schach
Ich könnte mich ärgern! Wieder jede Menge Zeit vertrödelt! Und zwar mit Schach!
Das ist nun gerade die Stärke dieses Spiels: daß man damit wunderbar Zeit vertrödeln kann. Diese hervorragende Eigenschaft war es sogar, die mich dazu verleitete, ein paar Jahre diesem Spiel zu opfern. Dem Spielen weniger als dem Spiel, und weiter als zu einem lausigen Turnierspieler der D-Kategorie habe ich es auch nie geschafft. Im Spielen selbst wollte ich nur das Spiel begreifen – und seine Macht.
Wiedersehen im Widerstand
Weit zurück in der Geschichte dieses Blogs liegt dieser Artikel: Gut zu wissen.
Darin findet sich eine Liste exklusiver Namen, die sich im Herbst 2015 durch kritische Kommentare – damals Mangelware, Sensation und tapfer – in jenes Lager geschlagen hatten, in dem auch ich und wohl die Mehrheit der Leser gelandet war. Das war und ist mir noch immer wichtig, denn der Zweifel, man könne irren und die permanente Arbeit daran, diesen Zweifel zu nähren, bleibt.
2. Incipit historia.
Die Suche nach einem Sinn strukturiert das Denken, nachdem dieser als Ursinn verloren gegangen ist. Im eigentlichen, im Ursinn gab es nie Sinn, sondern nur Sein. Dieses selbst war der Sinn. Laotse, so scheint es, ist der früheste Zeuge dieses Bruches[1]; die Art seines Sprechens könnte darauf hindeuten, daß er Zeitzeuge war, daß er diese, für die gesamte Menschheitsgeschichte fundamentale Bewegung tatsächlich wahrnahm:
verloren ging das große Dau –
güte und rechtschaffenheit entstand
hervortrat die klugheit –
die große heuchelei entstand
zerrissen war die sippe –
der familiensinn entstand
in wirrnissen zerfiel der staat –
der treue minister entstand