Sándor Márai: Das Kräuterbuch LXXI
Über den Sexus und die Traurigkeit
Am Grund der Dinge liegt der Sexus. Vielleicht sogar im Leben der Kristalle. Aber alle Geschlechtlichkeit ist traurig.
Die Angelegenheit des Körpers wie ein Urteil betrachten. Nur die Zärtlichkeit ist menschlich. Die Leidenschaft ist unmenschlich[1] und hoffnungslos.
Aber das Urteil, das alles Lebendige[2] zur Leidenschaft verdammte, kennt keine Gnade. Zwischen Begehren und Befriedigung wird die lebendige Welt erbaut, mit solch unmenschlichem Willen, wie die Pharaonen ihre Pyramiden von nackten Menschenmassen bauen ließen.
Was erhoffst du dir, armer, nackter Sklave, wenn die Stachelpeitsche der Wollust auf deinen Rücken knallt? Glück? Befriedigung?
Du erbaust das Weltgebäude, mit deinem Blut und deinem Samen als Bindemittel, verrichtest Zwangsarbeit. Nur der Takt und die Zärtlichkeit kann für einen Moment den traurigen Zwang der grausamen Knechtschaft der Geschlechtlichkeit vergessen machen.