Einer der spannendsten Thriller, den ich je gelesen habe, ist die 2006 erschienene 20-jährige Geschichte der „Jungen Freiheit“. Sie hat alles, was man von einem grandiosen Pageturner erhoffen kann: Spannung, perfektes Gespür für Geschwindigkeit und Rhythmus, faszinierende Figuren, komplexe Zusammenhänge und tiefsinnige Gedanken und Reflexionen. Allein, nichts, was dort steht, ist fiktiv, alles ist passiert und wird akribisch dokumentiert. Ich mußte dieses satte Buch in vielen kleinen Sitzungen lesen, immer wieder unterbrechen, bremsen, aufatmen, reflektieren, eruieren, voller Gedanken und Emotionen. Wem das nicht als Empfehlung genügt, der lese weiter. Weiterlesen
Neue Rechte
Zeitschriften – ZentroMag
Es gilt ein Journal anzuzeigen, daß es fast nicht gibt. Die Auflage ist klein, kaum dreistellig, die Autoren bleiben anonym und selbst der Bestellvorgang erfolgt quasi-konspirativ: man schickt einen Zehneuroschein an eine Anschrift und bekommt ein paar Tage später – wenn man Glück hat – einen weißen Umschlag ohne Absender …
Das Magazin komplettiert die mittlerweile breit gefächerte rechte Druckmedienlandschaft mit einer jugendlichen, dynamischen, manchmal regelrecht aggressiven Komponente. Weiterlesen
Radikalisierter Konservatismus
Gegneranalyse V
Das Buch ist ein Skandal! Bisher hielt ich Natascha Strobl für eine der intelligenteren in der Phalanx der „Rechtsextremismusexpert:innen“ – warum nur? Weil sie eine Frau im Männergeschäft ist? Weil sie so nett lächeln kann? Oder ist es ihr Wiener Akzent? Nein, ich weiß es: ihr Buch mit dem gewichtigen Titel erschien in der Suhrkamp Edition. Weiterlesen
Tolkien und die Tradition
Unter den bisher vier Bänden der noch jungen Reihe „Fundamente“ des Dresdner Jungeuropa-Verlages ragt Armand Bergers Büchlein über „Tolkien, Europa und die Tradition“ wie ein Fremdkörper heraus, versuchen seine Geschwister sich doch auf dem theoretischen Terrain zu bewähren, während man es hier mit einer literarischen Werkvorstellung zu tun hat.
Tolkiens Ringe-Trilogie gehört mittlerweile zum geistigen Grundbestand der Welt, weniger vielleicht durch seine Bücher als durch die spektakulären Verfilmungen Peter Jacksons und der nun begonnenen achtteiligen freien Bearbeitung durch Amazon, sämtlich Bombastwerke, die von Milliarden von Menschen gesehen wurden. Dahinter haben es die literarischen Vorlagen vergleichsweise schwer, auch weil sich in ihnen eine ganz andere Komplexität und Tiefe ausdrückt. Weiterlesen
Linkes oder rechtes Ruder?
Schon vor drei oder vier Jahren, als die Grünen einen ersten und scheinbar irrationalen Höhenflug hatten, schrieb ich, daß man sie nur regieren lassen müsse, um sie langfristig zu erledigen. Zumindest als Partei, die Regierungsmacht zu übernehmen droht. Als Ideologie sind sie freilich längst ins Mark dieser Gesellschaft eingesickert. Das Problematische an diesem Gift ist die Mischung aus absolut notwendigen Grundeinsichten und Vorhaben, deren Essenz zu bewahren und zu nutzen ist, und einer hochtoxischen Ideologie, Aktionsextremismus gepaart mit politischer Selbstverdummung. Weiterlesen
Zeitschriften – anbruch
Bevor man „anbruch“ aufschlägt – so meine Empfehlung –, sollte man sich der kommenden Ruhe und Ungestörtheit gewiß sein, es empfiehlt sich ein gemütliches Plätzchen, vielleicht des Nachts unter dem Schein der Schirmlampe, und wer kultivierte Laster pflegt, dem sei geraten, die Cohiba oder den Glengoyne 21 oder den Sümegi Cabernet Sauvignon 2016 oder was auch immer die verfeinerten Sinne edel reizt, bereit zu stellen, denn im „Magazin für Kultur & Künftiges“ wird ästhetisiert und philosophiert – und zwar auf hohem Niveau.
Wahrheit oder Verleumdung?
Der ganze Hype um den Stand des „Jungeuropa“- und des „Oikos“-Verlages – letzterer veröffentlicht das Umweltmagazin „Die Kehre“ – ließe sich eigentlich in einem Satz entschärfen. Hat Jasmina Kuhnke – alias „Quattromilf“ – recht oder lügt sie? Ich selbst kann diese Frage nicht beantworten, wundere mich aber, daß es diejenigen, die sie beantworten könnten, es noch nicht getan haben.
Covid-Opfer und Covid-Impf-Opfer
Zwei Artikel mit scheinbar gegensätzlichen Botschaften kreuzten sich heute im Internet.
Zum einen hatte Martin Lichtmesz auf „Sezession im Netz“ den zweiten Teil seiner „Bilanz der Impfschäden“ vorgelegt, zum anderen zeigte sich Jan Josef Liefers, Initiator der #allesdichtmachen-Initiative, nach einem Besuch auf einer Intensivstation geläutert und plädiert nun offen für die Corona-Impfung. Sein Fazit: „Bei keinem der Patienten wäre eine Intensivbehandlung nötig gewesen, wenn sie geimpft gewesen wären.“
Das Neue des Alten
„Ja, so geht es in der Welt. Kaum sieht es hell aus, da wird es wieder dunkel. Wir müssen nur dem Unseren treu bleiben, so wird es zu guter Letzt doch alles gut.“ Pastor Castbierg
Um Niemandes Zeit zu verschwenden, sage ich gleich vorweg: nachfolgend werde ich einen Roman, einen bedeutenden und hochaktuellen Klassiker besprechen, den es weder auf Deutsch noch auf Englisch zu lesen gibt – bisher!
Die Rede ist von Jakob Knudsens „Den gamle præst“ (Der alte Priester), ein Buch, das 1899 erschien und Knudsens Durchbruch in der dänischen Literatur brachte. Allerdings fast gänzlich aus Mißverständnis. Skandal schrien die Klerikalen und Jubel bekam Knudsen aus freidenkerischer und progressistischer Ecke. Gemeint war alles umgekehrt.
Kubitschek: Hin und zurück
Es ist unter den sogenannten Rechtsextremismusexperten dieses Landes fast schon eine Standardfloskel, „die dünne Substanz der viel diskutierten Rechtsintellektualität“[1] zu erwähnen, und zu behaupten, Götz Kubitschek sei eigentlich gar kein richtiger Vor-Denker, weil er kein genuiner Denker sei. Wer nun seine soeben erschienene Aufsatzsammlung aufmerksam liest, der lernt zumindest zweierlei: wer obige Meinung vertritt, der kann kein Denker sein und auch kein verstehender Leser, denn der Befund ist Nonsens, und: wir dürfen annehmen, daß der Vorwurf taktisch begründet wiederholt wird.
Theorie der Diktatur
Philosophie – das muß man sich vor Augen halten – war noch vor hundert Jahren Husserl, Dilthey, Heidegger, war Peirce, James, Moore, war jedenfalls ein zähes, zermürbendes analytisches, oft lebenslanges Ringen, ein immer wieder neu Beginnen und folglich auch ein sich selbst befragen und verwerfen. Heute ist Philosophie – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – Precht, Eilenberger, Garcia oder eben Onfray.
Reflexhandlung
Gerade kam folgende Mail bei mir an:
„Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Bestellung bei Verlag Antaios (Nummer: 2017392729) am 15.06.2021 um 11:09.
Drei Zeitschriften – Die Kehre
Man sollte immer wieder versuchen, seinen Horizont zu erweitern, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. In diesem Monat habe ich zwei mir neue Zeitschriften bestellt, drei andere habe ich bereits im Abo und eine der beiden neuen wird nun hinzukommen. Drei davon möchte ich nachfolgend kurz vorstellen.
- Die Kehre
Die habe ich seit Beginn ihres Erscheinens abonniert, sie nennt sich „Zeitschrift für Naturschutz“, ist geistig im neurechten Milieu verwurzelt und sieht sich – wie der Name bereits verrät – im gründenden und hegenden Denken Heideggers verwurzelt. Treibende Kraft ist Jonas Schick, ein junger studierter Politologe, der auch auf „Sezession im Netz“ veröffentlicht. Mit seinen 30 Jahren hat er sich offenbar schon recht tief in die wissenschaftliche Öko-Debatte eingearbeitet. Das Ziel der Zeitschrift ist es wohl, das Ökologie-Thema dem linken Diskurs streitig zu machen und es dorthin zurückzuholen, wo es genetisch hingehört: nicht in die progressistische – denn blinder Fortschrittswille ist das Entree Billet in die Umweltkatastrophe –, sondern in die konservative Ecke, aus der es auch geboren wurde. Auch wenn Heidegger, die beiden Jünger und nun noch Sieferle zu den wesentlichen geistigen Inspirationsquellen gehören, befleißigt man sich doch auffallend, die ganze Breite, vor allem auch die aktuelle Diskussion und gänzlich ohne ideologische Scheuklappen, einzubeziehen, also weg von den grauen Klassikern – die im Hintergrund weiter wirken – hin an den Puls der Zeit.
Die ewige Rechte
Die mediale Aufarbeitung einiger ironischer Videos bekannter Kulturschaffender wirft mindestens zwei subtextuelle oder meta-mediale Fragen auf. Die eine ist die Frage nach Rechts.
Nur wenige der Delinquenten hatten bisher den Mut, für ihr eigenes Handeln offensiv einzustehen, dazu gehören ein Schauspieler namens Liefers und ein Regisseur Brüggemann. Viele andere haben den Schwanz eingezogen oder das schon längst eingeübte Reueritual vollzogen, das alten DDR-Zeitzeugen so unangenehm bekannt vorkommen sollte, müßte man darüber nicht jedes Mal laut lachen.
Lichtmesz und der rettende Gott
Es scheint zusammenzupassen: Götter sterben, Völker sterben, Wälder sterben, Tiere sterben und es bleibt kein Trost, denn nirgendwo ist „ein Unsterbliches mehr zu sehn“. (Martin Lichtmesz)
Zum ersten Mal las ich Martin Lichtmesz‘ Buch „Kann nur ein Gott uns retten?“ im Frühjahr 2015. Da war es noch ganz frisch, gerade erst erschienen – es hatte großen Eindruck auf mich gemacht. Nun, sechs Jahre danach und in einer deutlich anderen historischen Situation, las ich es noch einmal, ganz klar unter der Vorgabe, zu erkunden, ob und wie es jetzt auf mich wirken würde.
Helmut Lethens Raumfahrt durch die Zeit
Warum erzählt Helmut Lethen von jenem Werbeplakat aus den 70er Jahren im Utrechter Busbahnhof, das eine Kaffeewerbung mit dem Tod verbindet? Weil es ein Beispiel der Vagheit der eigenen Erinnerung ist, denn eine heute mögliche Internetrecherche belehrte ihn, daß die jahrzehntealte Reminiszenz in fast allen Details falsch war. Das ist ein Vorbehalt. Und noch so ein Satz: „Es ist nicht immer leicht, den Gedankengängen der Rechtsintellektuellen zu folgen.“ Nun, das gilt auch spiegelbildlich.
Das neue Denken der alten Rechten
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der „Neuen Rechten“ leidet sehr oft an der Inhaltslosigkeit. Viele haben eine feste Meinung, aber nur wenige haben die Arbeiten verstehend gelesen und gerade im journalistischen Bereich scheint man sich auf die Wertungen und Urteile weniger und selten unparteiischer Rechtsextremismus-Forscher zu verlassen.
Allein schon der Versuch, sich ernsthaft mit der konservativen Denklinie zu beschäftigen, ist daher lobenswert. In einem Sammelband des „Zentrums Liberale Moderne“ wurde dies nun anhand von 16 Vordenkern der „Antiliberalen Revolte“ versucht.
Der schwarze Ritter im Interview
Viele Leute kennen Götz Kubitscheks Namen und wissen, was sie über ihn zu denken haben, aber deutlich weniger Menschen wissen tatsächlich, was und wie er denkt. Denn gemessen daran, daß er als der spiritus rector der Schnellrodaer Neuen Rechten gilt – die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft werden – sind seine Wortmeldungen überschaubar und widmen sich meist nur dem Grundsätzlichen.
Solidarischer Patriotismus
„Solidarischer Patriotismus“, das ist so ein Schein-Oxymoron wie „Konservative Revolution“, an dem man beim ersten Hören verdutzt hängen bleibt – zumindest, wenn man den Begriff der Solidarität so begreift, wie ihn die Linke seit Jahrzehnten belegt, als „internationale Solidarität“, als grenzenlose.
Was tun? S e l b s t r e t t u n g!
… daß es gar keine Lösungen gibt. Dies bringt uns vielleicht noch einen Schritt weiter. Lösungen sind Tröstungen. (Caroline Sommerfeld)
Dieses Bedürfnis nach Abstraktion befriedigt nun just das zeitgleich erschienene Büchlein „Selbstrettung“ von Caroline Sommerfeld, das mich wirklich und wahrlich berührte. Umgekehrt könnten die weniger philosophisch angehauchten Leser hier Kontaktprobleme haben.