Nationalfeiertag in Ungarn

Sándor Petőfi und das Nationallied

Er war der erste, der in den einfachen Menschen das Bewußtsein weckte, was es eigentlich bedeute, ein Volk zu sein. Was das Wort „Heimat“ bedeute. Und damit verbunden, das Wort „Freiheit“. Denn er konnte beide nicht voneinander trennen.  László F. Földényi

Schon Tage zuvor tauchen sie auf, die Nationalkokarden in den ungarischen Landesfarben. Zuerst auf den Märkten, dann in den Auslagen und Schaufenstern und schließlich an den Revers, Schals und Kragen der Menschen. Bald ist der 15. März, der Nationalfeiertag.

Ungarn hat mehrere davon, doch die Erinnerung an die Revolution von 1848 sitzt am tiefsten, auch wenn sie von allen Regimes und Regierungen immer wieder instrumentalisiert und umgedeutet wurde. Eine Umfrage Ende der 90er Jahre sah den 15. März mit mehr als 50% Zustimmung weit in Front, immerhin wollten viele noch den 20. August, den Sankt-Stephans-Tag als bedeutsamstes Ereignis sehen, aber nur 4% werteten den 23. Oktober hoch, der Tag, an dem 1956 der Ungarische Aufstand losbrach[1]. Weiterlesen

Orbáns Leseliste – Nationale Interessen

In seinem sehr lesenswerten großen Interview mit der “Budapester Zeitung” hatte Viktor Orbán auch einige Lesetipps verteilt, Bücher benannt, die ihn beeindruckt und beeinflußt haben. Der Zufall will es, daß ich die meisten davon im Hause habe. Es kann keine schlechte Idee sein, Orbáns Hinweis zu folgen, die Bücher zu lesen und vielleicht gelingt es uns dadurch sogar, seinem Denken, seiner politischen Grundüberzeugung näher zu kommen.
Heute: Klaus von Dohnanyi: Nationale Interessen

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Erhört Eure Gebete!

Wahrscheinlich muß man hin und wieder, vor allem die Jüngeren, daran erinnern, daß Weihnachten „was mit Jesus zu tun hat“. Wer dieser Jesus freilich war, liegt offenbar im Auge des Betrachters. Eine interessante – ich sage nicht: korrekte – Sicht auf diese Fundamentalgestalt hatten Hans Kirk und Henri Barbusse, die heute kaum noch jemand kennt.

Allerorten wird Barbusse als der Autor von „Das Feuer“ erwähnt, vielleicht auch noch seine politische Tätigkeit – er war Kommunist und straffer Stalinist -, aber daß der ursächlich vom Symbolismus herkommende Autor sich ein Leben lang mit der Gestalt des Religionsgründers befaßte, ist weitgehend vergessen.

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Führers Autobahn

Meine Weihnachtslektüre

Vermutlich lag es am Schutzumschlag, der von einer Grafik von Olaf Gulbrannson geschmückt wird, weshalb dieses Buch in meinem Regal landete. Gulbrannson hatte auch Hamsun oder Gudmundsson gestaltet – alles sehr positive Leseerlebnisse. Zufällig zog ich es vor ein paar Tagen heraus, um zu schauen, womit wir es hier zu tun haben. Wilhelm Utermann, der Autor, war mir kein Begriff. Interessanter schon die Widmung: „Ein kleiner Weihnachtsgruß 1940 von Deinem Horst“. Bei dem Beschenkten scheint es sich um einen Götz gehandelt zu haben – so lautet zumindest ein Namenseintrag. Vielleicht läßt der Ton der Widmung auf einen Jugendlichen schließen? Gut denkbar dann, daß er fünf Jahre später nicht mehr gelebt hat oder zumindest ein anderer Mensch geworden sein dürfte. Weiterlesen

Tödliche Torheit

Es gibt negative und positive Lektüreweisen – die eine sucht nach Widersprüchen, Fehlern, Ungereimtheiten und reibt sich habituell an der eigenen festen Position, die zweite blendet diese Faktoren aus und will lernen, fahndet nach dem Neuen, Anderen der vorgestellten Denkart. Die letztere sollte immer primär sein, die negative hingegen als Korrektiv dienen.

Nachdem ich Manfred Kleine-Hartlages schmales Buch über den „Krieg in der Ukraine und das Desaster der deutschen Politik“ zur Hälfte gelesen hatte, legte ich es beiseite, nahm Stift und Zettel zur Hand und begann es von vorn, denn es war klar, daß man hier eine wesentliche Schrift in der Hand hat. Es geht ums Eingemachte. Weiterlesen

Der deutsche Bauernkrieg

Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition. Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolutionen anderer Länder an die Seite stellen können, wo das deutsche Volk eine Ausdauer und Energie entwickelte, die bei einer zentralisierteren Nation die großartigsten Resultate erzeugt hätte, wo deutsche Bauern und Plebejer mit Ideen und Plänen schwanger gingen, vor denen ihre Nachkommen oft genug zurückschaudern. (Friedrich Engels)

Aus meinen Studientagen ragt noch immer eine besondere Vorliebe für die Reformationszeit in mein Leben. Qua Geburt auf der Seite Münzers, sind es doch die viel widersprüchlicheren Gestalten Andreas Karlstadt und Martin Luther, die auch heute noch faszinieren. Jedes Jahr nehme ich mir daher eine Biographie Luthers vor – die Karlstadt-Literatur ist dagegen endlich und längst abgearbeitet–, um eine weitere Perspektive kennenzulernen. Diesmal aber rief mich ein anderes Buch aus entferntem Regal an. Mir schien, aus verblaßter Leseerinnerung, es könnte aktuelle Fragen beantworten: „Der deutsche Bauernkrieg“ von Friedrich Engels. Weiterlesen

Beschreibung der Braut

Wilhelm Diltheys frühe Briefe kann man in zweierlei Gestalt lesen. Man entscheidet sich entweder für das Antiquariat und legt sich den von Diltheys Tochter Clara  Misch– sie heiratete den eifrigsten Schüler des Meisters, Georg Misch, und trug daher dessen Namen – herausgegebenen Band „Der junge Dilthey. Ein Lebensbild in Briefen und Tagebüchern“ aus dem Jahre 1933 zu, kauft ein bißchen vom Flair, muß aber mit der Auswahl vorlieb nehmen, oder aber man greift tief in die Tasche und entscheidet sich für den vollständigen ersten Band der vierbändigen Briefausgabe aus dem Jahre 2011. Weiterlesen

Bombenmeditation

“If you have sacrificed my nation to preserve the peace of the world, I will be the first to applaud you. But if not, gentlemen, God help your souls.“ Masaryk 1938

Neulich schrieb mir jemand – ein habituell unentschiedener, offener Mensch –, und endete mit der Frage: Schwere Waffen ja/nein? Die Antwort ließ er natürlich offen.

Aber exakt das ist die Antwort, die einzig vernünftige oder doch zumindest zwangsläufige, die man auf diese Frage geben kann: Ich weiß es nicht! Niemand weiß es! Und niemand kann es wissen! Die einzig konzise Antwort auf die Frage ist, die Antwort zu verweigern oder offen zu halten. Weiterlesen

Berührung mit dem Weltgeist

Einmal in meinem Leben wurde ich unmittelbar von der Geschichte geküßt.

Das geschah irgendwann Mitte der 70er Jahre auf einem kleinen Fußballplatz in meiner Heimatstadt Auerbach im Vogtland. Der Platz hieß und heißt wohl auch noch „Siegeloh“ und die Legende sagt, daß es sich um eine Namensgebung der Nazis gehandelt haben soll – die Lohe des Sieges –, aber Genaues weiß man nicht.

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Der Aufmarsch – Das Buch zum Krieg

Daß der russische Angriff auf die Ukraine nicht aus dem Nichts kam, sondern eine lange Vorgeschichte hat und also Verantwortlichkeiten verteilt, ist in unseren Lesezirkeln Konsens. Gemeinhin wird dann das eine oder andere Ereignis, die eine oder andere Konferenz oder Konvention angeführt, um beispielhaft zu beweisen. Dabei hat Jörg Kronauer den gesamten Vorlauf akribisch aufgearbeitet und in ein Buch gepreßt. Er kann sich dabei auf jahrelange Vorstudien beziehen, denn mit seinen Arbeiten  „Ukraine über alles“ (2014) und „Meinst Du, die Russen wollen Krieg?“ (2018) hatte er das komplexe Terrain bereits abgeschritten.

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Edzard Schapers Wiedererweckung

Gesamtauflage sechs Millionen und heute dennoch nahezu unbekannt – wie ist das möglich? Dies ist nur eine von vielen Fragen, denen Uwe Wolff in seiner bedeutenden Edzard-Schaper-Biographie nachgeht. Bedeutend ist sie nicht nur für Wolff, den Angelologen, den Schüler Blumenbergs, den Autor bei „Tumult“, der „Tagespost“ und „NZZ“, der in Schaper eine verwandte Seele mit ähnlichen inneren Wandlungen entdeckt, bedeutend ist sie vor allem, weil sie zum einen genuine Archivarchäologie betreibt und seltene Funde hervorbringt und zum anderen in eine aus deutscher Sicht wenig beachtete historische Komplexität einführt: in das gesellschaftliche und politische Leben des Baltikums und Skandinaviens, das vom deutschen Schicksal nicht zu trennen ist.

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Wagt an den Kindern!

Wer wäre unser Goethe geworden, wenn Goethe 1758 im zarten Alter von 11 Jahren an den Blattern gestorben wäre. Wer wäre dann unser Dante, unser Cervantes, unser Shakespeare, Petőfi, Mickiewicz oder Hans Christian Andersen geworden? Schiller? – ist ohne Goethe kaum vorzustellen. Kleist? – zu dünn sein Werk. Wieland? – zu viel Zweitrangiges in seinem Oeuvre.

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Russen und Ukrainer

Zwei Fragen zuvor: Darf man aus verschiedenen Nationalliteraturen auf so etwas wie einen „Volkscharakter“ schließen? Und darf man über etwas schreiben, von dem man eigentlich keine Ahnung hat? Beide Fragen werden hier mit „ja“ beantwortet, nicht weil die Antwort als unbedingt richtig angesehen wird, sondern nur, weil ich sonst diesen Text nicht schreiben dürfte.

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Wer stiftet, was bleibet?

Vom ungarischen Revolutionär und Politiker Gyula Andrássi (1823-1890) geht folgende Legende um: Auf einem Herrenabend wurde er von einem Magnaten nach seiner seltsamen und gänzlich unstandesgemäßen Freundschaft zum Maler Mihály Munkácsy (1844-1900) befragt, über die man in den höheren Kreisen die Nase rümpfte. Darauf fragte Andrássi den Magnaten, ob er denn den Außenminister zu Rafaels Zeiten kenne, worauf dieser überrascht antwortete: „Woher soll ich das wissen?“ – „Sehen Sie“, kam die Riposte, aber wer Rafael war, das wissen Sie doch sicherlich?“

So war das in den alten Zeiten.

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Menschlichkeit und Einsamkeit

„Menschlichkeit ist eine Tugend des Umgangs mit anderen Menschen“ – über diesen Satz Bollnows stolpere ich. Mehr noch: „Robinson hätte, solange er auf seiner einsamen Insel allein lebte, schlechthin keine Gelegenheit gehabt, die Tugend der Menschlichkeit zu üben“.

Stimmt das? Kann der Mensch nur im Angesicht des anderen Menschen menschlich – im Sinne der Menschlichkeit – sein?

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Die Grenzen der Propaganda

Es gilt mittlerweile als sicher, daß Propaganda wie folgt funktioniert: Wiederhole eine Lüge oft genug, dann werden die Leute sie glauben. Das hatte einer geäußert, der – wie man sagt – etwas davon verstanden hatte. Aber ganz so einfach ist es doch wieder nicht.

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Historie und Geschichte

Nehmen wir die Schildkröten, um den Gedanken plastisch zu machen.

Jeder kennt die Bilder der nächtlich aus dem Wasser steigenden Meeresschildkröten, bei Vollmond, wie sie dann in unendlichen Scharen sich den Strand hinaufarbeiten, mit ihren Flossen mühsam tiefe Löcher graben, um dann ein Ei nach dem anderen darin abzulegen, alles mit Sand bedecken, und wieder in der Anonymität der Weltmeere verschwinden.

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Nationale Interessen

Was bedeutet es eigentlich, wenn wir von nationalen oder geostrategischen Interessen sprechen, die wir einzelnen Ländern oder Verbünden zuerkennen? So liege es etwa im geopolitischen Interesse Rußlands, eine Pufferzone zu den NATO-Grenzen zu haben, oder im nationalen Interesse der Ukraine, der EU anzugehören usw.

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Komplettversagen?

Gerade geht ein kurzer Videoausschnitt herum, über den man nachdenken sollte.

Der Reporter des öffentlich-rechtlichen Senders fragt: „Hat tatsächlich unsere Regierung, hat Deutschland in den letzten Jahren komplett versagt, was ein militärisches Aufstellen betrifft in so einem Konflikt?“

Der Professor oder Experte antwortet: „Da ist die Antwort einfach. Ja! Dieser Zustand der Bundesregierung hat einen Namen und die Namen sind Merkel, Steinmeier, Gabriel, Scholz, plus die dazugehörigen Verteidigungsminister – und Ministerinnen.“

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