Der sinkende Dampfer der Neuen Bürgerlichkeit

Treue Leser wissen, daß ich aus den Augenwinkeln die dänische Parteienpolitik verfolge und es mir in den letzten Jahren vor allem das Projekt der „Neuen Bürgerlichen“ angetan hatte. Dort hat sich nun einiges getan, es gab dramatische Entwicklungen, die ich hier darstelle, weil sie mir wesentliche und verallgemeinerbare Lehren zu enthalten scheinen, nicht zuletzt angesichts der drohenden oder erhofften Gründung einer neuen Partei durch Sahra Wagenknecht. Weiterlesen

Mein Kriegstagebuch X

… Dieser Krieg ist auch deshalb verwirrend, weil seine Opferbilanz so wenig paritätisch zu sein scheint – zumindest wenn man unserer Presse folgt. Dort werden wir jeden Tag mit Zahlen toter russischer Soldaten versorgt, umgekehrt sterben Ukrainer offensichtlich nur, wenn sie Zivilisten sind. Es mutet daher fast magisch an, schwer umkämpfte Städte und Ortschaften, die vielen Russen zur Todesstatt werden, dennoch von diesen erobert zu sehen. Das müssen die hunderttausenden Rekruten und Neumobilisierten sein, die das Land ununterbrochen als Kanonenfutter an die Front wirft. Allein die Menge machts offenbar. Ausnahmen bilden nur die Söldner der Wagner-Gruppe, die zwar fast nur aus Kriminellen und aus dem Knast Entlassenen besteht, dennoch aber militärisch gut ausgebildet und natürlich unglaublich brutal ist. Weiterlesen

Habeo pecuniam, ergo sum!

Es häufen sich in auffälliger Weise Nachrichten über den vermeintlichen Vorteil, in einer bargeldlosen Welt zu leben. Einmal mehr muß das Sicherheitsargument herhalten. War es in den letzten Jahren die Angst vor Corona, die uns Münze und Schein verdächtig machen sollte, so ist es nun die Weiterlesen

Ein Jahrhundertmensch geht

Jahrhundertmenschen gibt es nur sehr wenige. Wenn sie sterben, meint man, die Welt müßte für einen Moment stille stehen. In Deutschland war Ernst Jünger vielleicht der letzte dieses Schlags. In Dänemark ist der homo danicus gestern im Alter von 105 Jahren gestorben. Man muß so ein Jahrhundert nicht nur leben, man muß es auch ausfüllen können.

Die Rede ist von Lise Nørgaard. Sie wurde ein halbes Jahr vor der Russischen Oktoberrevolution geboren. Weiterlesen

Hans im Glück

Endlich mal wieder etwas ohne Verwertungsabsicht lesen, das war die Idee, als ich erneut zu Henrik Pontoppidans „Lykke Per“ griff, zum dritten Mal im Leben, zum zweiten Mal auf Dänisch, die anderen Lektüren liegen 15, 16 Jahre zurück. Und selbst wenn man diesen gigantischen Roman in aller Kürze besprechen will, steht man vor schier unlösbaren Aufgaben, denn an Fülle der Gedanken und an Größe der Konstruktion kann man ihn mit den großen Werken Dostojewskis, Tolstois oder Thomas Manns etc. vergleichen. Weiterlesen

Traue keinem Politiker

Das ist die Lehre aus der Wahl in Dänemark. Sie ist nicht neu und sie wird sich noch viele Male wiederholen, aber mit der gestrigen Bekanntgabe der neuen Regierungskoalition in Marienborg wurde ihr ein besonders instruktives Kapitel beigefügt. Denn alle drei Koalitionäre haben den Spruch bestätigt. Weiterlesen

Kommt die ethnische Wahl?

In den letzten Tagen habe ich mir den Luxus erlaubt, extensiv dänisches Fernsehen zu schauen. Grund war die Wahl. Ihr dramatischer Verlauf und ihre Auswertung. Heute, Freitag, stellen sich wohl die Weichen für das kleine Land, wenn Mette Frederiksen (Sozialdemokratie), die als stärkste Kraft daraus hervorging, nach Partnern für ihr neues Konzept der Mitte sucht. Das heißt, nicht der linke Block wird regieren – wie es möglich wäre und nach traditioneller Politikvorstellung auch logisch – sondern sie strebt ein breites Bündnis links und rechts der Mitte an. Weiterlesen

Mein Kriegstagebuch VI

Trauer: Daß die Ukrainer und Russen uns näher sind, wie ich kürzlich behauptet habe, findet selbstredend seinen konkreten Ausdruck und ist keine abstrakte Behauptung. Sie sind uns nicht nur in ihrer Geschichte – die mit der unseren eng verwoben ist –, ihren Traditionen oder ihrer Verwurzelung im christlichen Erbe und damit auch in der Moralität und Begrifflichkeit nahe, sondern ihr Verhalten ist uns unmittelbar, mit nur geringen Abstrichen, verständlich. Und im Falle der Trauer, des Schmerzes und der Verzweiflung, die wir nun tagtäglich und doch nur in kleinsten Ausschnitten sehen – denn das Meiste bleibt ungefilmt – sind uns ihre Gefühle und Gedanken unmittelbar zugänglich.

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Die Sorge vor dem Bevölkerungsaustausch

von Karen Jespersen und Ralf Pittelkow, erschienen in „Den Korte Avis26.10.2021

Schockierende Umfrage: in Frankreich erwartet eine Mehrzahl der Befragten einen Bevölkerungsaustausch (befolkningsudskiftning), in dessen Verlauf muslimische Einwanderer die europäischen Franzosen verdrängen werden.

In Frankreich findet eine heftige Debatte um den Begriff des „Bevölkerungsaustausches” statt. Das meint, daß die europäische Bevölkerung des Landes besonders von der stark wachsenden muslimischen Bevölkerung verdrängt werden wird.

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Das Neue des Alten

„Ja, so geht es in der Welt. Kaum sieht es hell aus, da wird es wieder dunkel. Wir müssen nur dem Unseren treu bleiben, so wird es zu guter Letzt doch alles gut.“ Pastor Castbierg

Um Niemandes Zeit zu verschwenden, sage ich gleich vorweg: nachfolgend werde ich einen Roman, einen bedeutenden und hochaktuellen Klassiker besprechen, den es weder auf Deutsch noch auf Englisch zu lesen gibt – bisher!

Die Rede ist von Jakob Knudsens „Den gamle præst“ (Der alte Priester), ein Buch, das 1899 erschien und Knudsens Durchbruch in der dänischen Literatur brachte. Allerdings fast gänzlich aus Mißverständnis. Skandal schrien die Klerikalen und Jubel bekam Knudsen aus freidenkerischer und progressistischer Ecke. Gemeint war alles umgekehrt.

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Nichts gegen meine Ungarn

Die Kraft und Qual der fünf Herzen in meiner Brust:

Nichts gegen meine Ungarn. Sie haben gekämpft wie wahre Männer und wie immer verloren. Aber in der Niederlage haben sie Größe gezeigt und mit der Hand auf dem Staatswappen gemeinsam mit ihren härtesten Fans – von denen man sich in unseren Gefilden hätte distanzieren müssen – stolz und leidenschaftlich die Nationalhymne gesungen, ein Lied, das exakt die Geschichte dieses Spieles beschreibt: kämpfen, verlieren, und danach sich verhalten, als hätte man gewonnen – das ist so typisch ungarisch wie Pálinka und Paprikahuhn. Die Ungarn waren ein Nachruf, die letzte wahre europäische Nationalmannschaft des Turniers und vielleicht der Fußballgeschichte.

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Dänemark ist Europameister!

Seit 1992 träumen die Dänen davon, daß sich der nationale Wunschtraum noch einmal wiederholen könnte. Damals hatte eine Nachrückmannschaft, die noch nicht mal zur EM qualifiziert war, aber durch die Sanktion gegen Jugoslawien, ohne spezielle Vorbereitung, ins Turnier einsteigen konnte, sensationell den Titel geholt – man gewann im Finale gegen Deutschland. Die Namen der Spieler sind noch heute Legende.

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Johannes Møllehave ist tot.

Menschen, die ein gutes Gewissen haben, haben in der Regel auch ein schlechtes Erinnerungsvermögen. (Johannes Møllehave)

Møllehave ist tot – heute am 10. Mai ist er in einem Altersheim gestorben. Aus diesem Anlaß stelle ich noch einmal meinen Artikel über ihn ins Netz.

Für die Dänen war Møllehave eine wichtige Persönlichkeit, eine Ausnahmeerscheinung. Hunderttausende waren zu seinen Vorträgen gekommen, Millionen haben seine Bücher gelesen, seine dauerhafte Beschäftigung mit Hans Christian Andersen, Søren Kierkegaard, Grundtvig und überhaupt allen großen Dichtern und Denkern der Dänen, war ein wesentlicher Beitrag, die kulturelle und historische Identität dieses kleinen Volkes zu stärken – jenseits eines primitiven Nationalismus.

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Die schrecklichen Kinder

Kaum je hat man begriffen, in welchem Maß die von allen Seiten in Dienst genommene „Zukunft“ eine Deponie für die Illusionsabfälle der überforderten Gegenwart darstellt. Peter Sloterdijk

Peter Sloterdijk hatte in seinem Buch „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ einem weit zurückreichenden, nun aber allgegenwärtigen und wirkmächtigen Phänomen nachgesonnen, das unsere modernen Gesellschaften wie ein geheimer Code, eine noch unentdeckte DNA durchdringt: die Bastardisierung. Das ist – vereinfacht ausgedrückt – der Effekt, daß die Generationen nicht mehr durch Erfahrungs- und Erlebenskongruenz aneinander gebunden sind: die Eltern erkennen ihre Kinder nicht wieder, konkreter: sie erkennen sich selbst in ihren Kindern nicht mehr.

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Das große Schlachten

Literatur vergangener Zeiten zeigt uns auch untergegangene reale Welten. So findet sich bei Pontoppidan ganz zum Schluß ein aufschlußreicher Satz. Pastor Gaardbo fährt mit dem Schiff über den Kattegat und gerade als man in den Randers-Fjord einbiegen will, bemerkt er „auf einer Sandbank eine Gruppe Seehunde, die im ersten Morgenschein ein Sonnenbad nahmen“.

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Raptus

In Pontoppidans Roman „Das Reich der Toten“ gibt es eine kurze Szene, die leicht überlesen werden könnte. Jytte, eine der Hauptfiguren des Buches und zum Zeitpunkt schwanger, erlebt inmitten Kopenhagens, beim Überqueren einer Straße, auf der gerade schwere Pferdewagen vorüberrasseln, einen seltsamen Moment, eine Erschütterung wie aus dem Nichts. Weiterlesen

Das Reich der Toten

Es schmerzt immer ein wenig, wenn man die letzte Seite eines großen Romans umschlägt. Dann heißt es Abschied nehmen – umso betrüblicher, wenn die lieb gewordenen oder nahe gekommenen Helden zudem noch sterben. Aber daran erkennt man auch ein Meisterwerk: daß man sitzen bleibt, betroffen, grübelnd, für eine Weile herausgerissen aus dem Weltbetrieb, aus allem, was man noch machen müßte.

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Der Islamismus ist wieder da

„Zahlreiche Politiker des rechten Flügels hat man lange Zeit als Rassisten bezeichnet, weil sie behaupteten, daß die dänischen Islamisten die Fünfte Kolonne des Kalifats seien. Es war einfach, diese Behauptungen abzuschießen, denn was wußten die Leute schon, die außerhalb standen und von außen in ein Milieu schauten, das sie nicht kannten? Aber ich, der ich jahrelang im Zentrum dieser Welt gestanden habe, muß heute zugeben: Sie hatten recht.“ Ahmed Akkari

Die grausamen terroristischen Verbrechen von Paris,  Dresden und Nizza decken ein unter dem Corona-Mantel scheinbar vergessenes Phänomen auf, um dessen Erklärung nun vor allem die Linke kämpft. Sie müßte sich nur belesen …

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Politik als Überforderung

Wenn mich jemand nach Tips beim Fremdsprachenlernen fragt, so ist meine erste Antwort stets: Grundlagen erarbeiten, und sobald man Texte verstehen kann, lesen und hören zugleich. Im Idealfall einem professionell eingelesenen Hörbuch lauschen – besseres Aussprachetraining gibt es nicht – und den Text dazu vor Augen haben.

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