Von Japan lernen?

Morgen ist der 4. Juli, morgen wird mit Spannung erwartet, wer den „Constructive World Award“ bekommt, ein Preis, der „die gesellschaftliche und journalistische Arbeit derjenigen“ würdigen will, „die unsere Welt konstruktiv nach vorne denken und bewegen.“ Eingereicht wurde auch dieser Beitrag von Malte Arnsperger: „Wie Migranten in Japan helfen, das Land sicher zu machen“.

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In Kürze beschreibt Arnsperger eine Initiative japanischer Rentner, die gemeinsam mit dort ansässigen Kurden und Arabern auf Streife gehen, um die Gegend sicherer zu machen. Dabei lernte man sich besser kennen, verstehen und schätzen. Diesem schönen Märchen folgt die pädagogische Konklusion:

1. „In Japan haben Nachbarschafts-Organisationen eine lange Tradition. Sie organisieren Festivals, kümmern sich um die Platzierung von öffentlichen Mülleimern und übernehmen auch Verantwortung für die Sicherheit auf den Straßen.“ Usw.

2. „Was kann Deutschland davon lernen?“ Ein forschender Professor meint: „Es ist ein interessanter und positiver Ansatz, um Integration voranzutreiben. Wir haben hier in Deutschland sicher Potenzial, Ausländer mehr einzubinden, wenn es um Verantwortung für die eigene Nachbarschaft angeht.“

Die Wahrheit ist – zweigeteilt. Natürlich ist es immer gut, aufeinander zuzugehen und sich kennenzulernen. Das sollte jeder tun, dessen Lebenswelt von Fremden bewohnt wird – sofern er es möchte und sofern es Aussichten auf Erfolg hat.

Andererseits kann Deutschland, als Land, von Japan in dieser Hinsicht gar nichts lernen. Malte Arnsperger hätte nur eine Frage googeln müssen, um den Unsinn seines freilich wohlgemeinten Artikels erkennen zu können. „Kurden in Japan“ – diese Suchanfrage ergibt: „Rund 2.000 Kurden leben in Japan, davon etwa 1.500 in Kawaguchi in der Präfektur Saitama.“ 2000 Kurden bei 125 Millionen Einwohnern! In Deutschland schätzt man die Zahl der Kurden auf bis zu 1,5 Millionen – genau zu wissen scheint das niemand und zu interessieren auch nicht. Allein in einer kleinen Stadt wie – sagen wir –  Hagen, leben mehr Kurden als in ganz Japan. Und nicht nur Kurden, denn im schönen Hagen leben 43% Ausländer aus aller Herren Länder, vornehmlich wohl aus arabischsprachigen.

Zum Vergleich: Japan hat einen Ausländeranteil von 1,8% (Deutschland offiziell: 28,7 %) und davon sind 83% Asiaten aus China, Südkorea, den Philippinen oder Vietnam.

Weiter: es leben ganze 70 000 Europäer in Japan, die meisten Engländer, Franzosen und auch Russen, aber selbst die deutsche Kommune – die es so gar nicht gibt, weil man sich im ganzen Land verteilt – ist mehr als doppelt so groß wie die kurdische. Hat man jemals gelesen, daß Japaner glaubten, mit Deutschen oder Engländern Patrouille laufen zu müssen, um die Straßen sicherer zu machen? Statt uns hier die Hucke voll zu lügen, hätte Arnsperger sich die Frage stellen müssen, warum man ausgerechnet mit Kurden Sicherheitstrupps bilden muß? Kann es sein, daß man nun auch in Japan Probleme kennenlernt, die man bislang nicht kannte, daß nahöstliche Konflikte nun in japanischen Straßen ausgefochten werden, Frauen sich nachts unsicher fühlen und all die schlimme rechte Propaganda?

Wir können tatsächlich von Japan lernen, d.h. wir hätten lernen können – nun ist es wohl zu spät, nun „sind sie halt hier.“ Es ist weniger eine Frage der Integration, es ist eine Frage der Menge.

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