Denkanstöße – Bollnow (1962)
Wir brauchen uns nicht damit aufzuhalten, den Geist dieser Maßlosigkeit in unserer Gegenwart im einzelnen sichtbar zu machen. Die Maßlosigkeit schon unserer äußeren Lebensansprüche ist oft genug, wenn auch vergeblich angeprangert worden. Ob es nun der Fernsehapparat ist, das eigene Auto oder die Ferienreise nach Mallorca: in allem strebt der Mensch über seine vernünftigen Grenzen hinaus. Dabei wendet sich die Kritik nicht gegen die Bedürfnisse als solche, deren Erfüllung gewiß das menschliche Leben in einer schönen Weise zu bereichern vermag, sondern dagegen, daß diese Bedürfnisse den Menschen versklaven und daß er in der Ruhelosigkeit der immer erneuten Anstrengung gar nicht dazu kommt, das Gewonnene auch zu genießen. Kaum ist das eine Ziel erreicht, so treibt das neue Bedürfnis den Menschen zu neuer Anstrengung weiter. Darum ist es auch hier die Frage des rechten Maßes; denn das übersteigerte Verlangen nach Lebensgenuß untergräbt notwendig die Voraussetzungen des Lebensgenusses selbst und hebt sich also selber auf. Maßlosigkeit heißt hier Ruhelosigkeit und ewige Hast. Weiterlesen