Die Philosophie der Ahmadiyya

Im Herbst 2015 kam es in Weimar zu einem unverhofften und intensiven Gespräch mit Suleman Malik, dem Vorsitzenden der Erfurter Ahmadiyya-Gemeinde und im darauffolgenden Frühjahr konnte ich mit Said A. Arif, dem Imam der Berliner Moschee, sprechen und einen kurzen Mailwechsel führen. In den Beiträgen „Der friedliche Islam“ und „Friede und Islam in Sachsen?“ wurde über diese Begegnungen berichtet und die Zugriffszahlen beweisen, daß es ein Bedürfnis sowohl nach Aufklärung über den Islam als auch nach einer friedlichen Auslegung gab. Beide empfahlen ein viel angepriesenes Buch, das Hauptwerk des Gründers dieser Glaubensrichtung – Mirza Ghulam Ahmad –  mit dem anspruchsvollen Titel: „Die Philosophie der Lehren des Islam“. Hier soll es auf Herz und Nieren geprüft werden; hält es einer kritischen Prüfung stand?

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Die Erstbegegnung mit dem Buch verlief nicht glücklich, denn die ersten 20 Seiten werden mit unangenehm empfundener Veneration verplempert. Zumindest erfahren wir die Entstehungsgeschichte des Textes, bei dem es sich um einen Redebeitrag zu einer „Konferenz Großer Religionen“ im Jahre 1896 in Lahore handelt. Es scheint eine Art Wettbewerb gewesen zu sein, in dem Religionsvertreter die Vorteile und die Wahrheit ihrer Religion darlegen konnten und nur Ahmad, so behaupten die abgedruckten Presseartikel ebenso wie der Autor selbst, hatte überzeugt – sein Aufsatz war „frei von menschlicher Schwäche“, belegte „die Unwahrheit falscher Religionen“, bewies „die Vollkommenheit des Islam und seine Überlegenheit über alle anderen Religionen“. Hört man heute nicht mehr so gern, mag Glaubenswilligen aber eine Entscheidungshilfe sein.

Es galt seinerzeit fünf Fragen zu beantworten. Ahmad macht von vornherein klar, daß er die Wahrheit des Korans ausschließlich aus den Aussagen des Korans erschließen will, was sofort methodologische Probleme eröffnet, die meisten islamischen Diskussionen jedoch charakterisiert. Einerseits wird apriori ein Grundvertrauen eingefordert – in religiösem Terminus: Glauben –, andererseits nimmt man ein grundlegendes Paradox in Kauf: Man will die Reinheit des Diamanten mithilfe seiner zweifellos vorhandenen intrinsischen Schönheit beweisen und verzichtet auf den (evtl. verstörenden) Vergleich mit anderen Diamanten. Wissenschaftlich und erkenntnistheoretisch wäre das Buch damit bereits erledigt, nur, so einfach sollte man es sich nicht machen.

Die erste Frage des Religions-Wettbewerbs lautete: „Was sind die physischen, moralischen und geistigen Zustände des Menschen?“ – ihr widmet Ahmad zwei Drittel seines Buches. Er versucht strukturiert, durchaus im Sinne des aufklärerischen Rationalismus, vorzugehen, hält das allerdings nicht immer durch und driftet in Exkurse ab.

Demnach gäbe es drei „Zustände des Menschen“, jedem wird im Koran ein eigener Ursprung zugeordnet und im Falle des physischen Zustandes sind das: der Trieb, das Gewissen („das sich anklagende Selbst“) und die „beruhigte Seele“. Daß ein Zustand den anderen wechselseitig beeinflußt, wird in einem ersten Exkurs anhand der Nahrung beschrieben: man ist also, was man ißt. Der Koran schreibt Mischkost vor, dem Vegetarier etwa „gebricht es an persönlichem Mut“, beim reinen Karnivoren „gehen Sanftmut und Demut zugrunde“. Aus diesen Überlegungen heraus erklären sich auch die „unsäglichen Aussagen“ des heutigen Kalifen, der behauptet haben soll: „Essen von Schweinefleisch führt zu Homosexualität“.

So fragwürdig die konkreten Schlußfolgerungen sind, so avantgardistisch kommt uns heute der holistische Ansatz vor; er wurzelt freilich weniger im Koran als in den indischen Weisheitslehren.

Trotzdem glaubt der Verfasser der Ur-Philosophie damit die Regulierungswut des Koran erklärt zu haben, ohne auf die historischen und geographischen Bedingtheiten einzugehen: „Mithin hat der Heilige Qur’an der Besserung der physischen Zustände des Menschen große Aufmerksamkeit geschenkt. Er hat die äußeren Handlungen des Menschen bis aufs Kleinste geregelt, wie zum Beispiel sein Lachen, Weinen, Essen, Trinken, Bekleiden, Schlafen, Sprechen, Schweigen, Heiraten, Ledig bleiben, Gehen, Anhalten, Baden usw.“ (59)

Ahmad nimmt – das muß man noch einmal betonen – auch nicht in Anspruch, selber zu argumentieren, sondern läßt den Koran durch sich sprechen: nicht er, „das Heilige Wort Gottes ordnet alle natürlichen Triebe des Menschen, seine fleischlichen Begierden und Leidenschaften, seinen psychischen Zuständen zu“. Wie durch ein Wunder stimmen also die Fragen der Akademie vollkommen mit den Antworten des Korans überein.

Man kann diesen „Begierden und Leidenschaften“ natürlich begegnen, man kann sich stufenweise bessern und der Koran bezweckt letztlich nichts anderes. Zuerst indem man die einfachen Verhaltensregeln einhält, dann indem man die „moralischen Eigenschaften des Menschen lernt“ und schließlich indem man „die Liebe zu Gott“ kultiviert.

Die Zirkularität der Argumentation ist wohl kein logischer Lapsus, sondern Teil des Inklusionsprojektes. „Der Qur’an hatte (sic!) eine großartige Aufgabe: die Wilden als Menschen zu zivilisieren, sie dann die Moral zu lehren und schließlich die moralischen Menschen auf den höchsten Gipfel der Entwicklung zu leiten und sie zu gottnahen Menschen zu machen.“ … „Die Moralanweisungen, Vorschriften und Lehrsätze des Qur’ans haben den allumfassenden Zweck, den Menschen vom natürlichen, physischen Zustand, der einen Anstrich von Wildheit hat, in den moralischen Zustand zu versetzen, und ihn dann aus dem Moralischen in den uferlosen Ozean des Geistigen zu lenken.“ (67)

Es folgen nun eine ganze Reihe von Koranversen, die zur „Besserung“ aufrufen, sei es bei der Nahrung oder im Umgang mit Frauen, Kindern, Eigentum etc. – hier wird in der Tat die zivilisierende Bedeutung der Schrift deutlich. Ausnahmsweise wollen wir einem Exkurs folgen, da er ein sensibles Thema anspricht und die Argumentationslogik offenbart: Schweinefleisch. Warum ist es verboten? Das ließe sich schon etymologisch in mehreren Sprachen nachweisen und Ahmad zeigt hier eine Affinität zu scholastischem Denken, vor allem aber sei das Schwein nun einmal „unrein“, „ist doch der Schmutz und Dreck dieses Tieres wohl überall bekannt“, es lebe von Unrat und sei das „schamloseste Tier“, sein Fleisch „erzeugt Schamlosigkeit“.

In besagtem Stufenmodell folgen nun die moralischen Zustände und die Mittel der Besserung. Da ist zum ersten die „Unterlassung des Bösen“ (Keuschheit, Ehrlichkeit, Friedfertigkeit, Höflichkeit), zum zweiten die Vollbringung des Guten (Nachsicht, Güte, Verwandtschaftsgüte, Mut, Wahrheitsliebe, Standhaftigkeit, Mitleid). Dabei habe vor allem der Verstand zu regieren; als Grundregel gilt: „Für eine moralische Eigenschaft wird der Verstand vorausgesetzt, und sie kann nur so heißen, wenn sie bei richtigem Anlaß Ausdruck findet.“ (104)

Moralisch kann ein Tun also nur dann sein, wenn es bei vollem Verstand vollführt wird und wenn es auch de facto die Möglichkeit des unmoralischen Handelns gibt. Einen Hungernden von meinem Teller zu speisen, weil ich selber schon satt bin oder die Speise nicht mag, qualifiziert dafür nicht, wie auch die „echte Gelegenheit die Wahrheit zu sagen, diejenige ist, bei der man den Verlust von Leben, Eigentum und Ehre befürchten muß“ (112).

Auch die „bloße Vergebung ist keine moralische Handlung“, da sie einer natürlichen Veranlagung des Kindes – das schnell vergißt und verzeiht – entspricht.

Hier macht Ahmad auch die Differenz zum Christentum deutlich, ohne es zu erwähnen, doch dürfte folgendes Argument gegen die christliche Vergebungslehre gerichtet sein: „Der Qur’an lehrt nicht, daß man in keinem Fall dem Bösen Widerstand leisten soll, oder daß dem Missetäter und Bösewicht die Strafe auf keinen Fall auferlegt werden soll. Er empfiehlt die Umstände genau zu prüfen und zu entscheiden, ob Vergebung oder Bestrafung erforderlich ist, und dann so vorzugehen, wie es dem Bösewicht sowie der Allgemeinheit wirklich nutzbringend sein wird. Manchmal veranlaßt die Verzeihung einen Missetäter zu bereuen und ein andermal ermutigt sie ihn zu weiteren Verbrechen. Daher verlangt das Wort Gottes nicht, blindlings aus Gewohnheit zu vergeben, sondern die Angelegenheit einer Erwägung zu unterziehen und mit Bedacht zu entscheiden. Wir sollen also dem Fall angemessen handeln.“ (100)

In obiger Aufzählung der Besserungsmittel der moralischen Zustände fehlte noch die „Suche nach einem höheren Wesen“, die aufgrund der kategorialen Verschiedenheit einzeln genannt werden muß. Ahmad fügt folgerichtig einen längeren Exkurs über koranische Theologie ein, der an dieser Stelle ausgeklammert werden soll.

Die dritte Stufe der Besserung betrifft die geistigen Zustände, deren Quelle die „beruhigte Seele“ ist, „die den Menschen von der Stufe des Moralischen zur Stufe des Gottnahen leitet“ (139). Diese „völlige Harmonie mit seinem Schöpfer“, in dem man Ruhe, Glück und Trost finde, sei das „Paradies auf Erden“. Ahmad wendet sich damit gegen die jenseitsparadiesische Teleologie der meisten seiner muslimischen Glaubensgenossen. Der Weg dahin ist recht einfach: Gebet, Unterwerfung (Islam) und geistige Verbindung mit Gott. Das vortrefflichste Gebet ist al-Fatiha, die erste Sure des Korans, Unterwerfung bedeutet „das sich Niederwerfen seiner sämtlichen Fähigkeiten vor Gott“ (145), die Verbindung wird durch den Willen hergestellt, „für die Sache Gottes tausendfachen Kummer auf sich zu nehmen und sich mit solch absoluter Hingabe und Aufrichtigkeit ihm hinzuwenden, als ob alle außer ihm tot wären“ (147), es ist die „Opferung des Selbst auf dem Pfade Gottes“ (150), „die vorbehaltlose Fügung unter den Willen Gottes“. (162)

Von diesem Fundament aus – aus der triebgeleiteten, gewissensbeladenen und Ruhe suchenden Existenz heraus die Unterteilung der menschlichen Zustände in physische (natürliche), moralische (psychische) und geistige (spirituelle) abzuleiten und jeweilige Wege der Besserung in Beachtung der Primärvorschriften (Essen, Trinken, Heiraten usw.), Unterlassung des Bösen (Keuschheit, Ehrlichkeit, Friedfertigkeit, Höflichkeit)  und Vollbringung des Guten (Nachsicht, Güte, Mut, Wahrheitsliebe, Standhaftigkeit, Mitleid, Suche nach höherem Wesen), sowie dem Gebet, der Unterwerfung unter und der geistigen Verbindung mit Gott – von dieser Grundlage aus, will Ahmad nun im Schnelldurchlauf die restlichen vier Fragen beantworten.

Erstens: Was ist der Zustand des Menschen nach dem Tod? Er ist kein „völlig neuer“, es gibt also eine Kontinuität zwischen Leben und Tod, er ist „eine vollkommene Wahrnehmung und ein klares Abbild der Zustände im irdischen Leben.“ (169) Spätestens hier wird die starke Influenz durch den Hinduismus bzw. Buddhismus deutlich, was für einen Inder nicht überraschen kann. Die Parallelen zur theravada-buddhistischen Trieb- bzw. Tendenzlehre sind offenkundig, freilich um das Element der Reinkarnation verkürzt.

Auch aus einer anderen Perspektive sind diese Ausführungen höchst interessant: sie distanzieren sich vom in muslimischen Kreisen weit verbreiteten Buchstabenglauben! „Wer das Paradies als einen Ort ansieht, wo die irdischen Dinge in großer Menge zu bekommen wären, der hat kein einziges Wort des Heiligen Qur’ans verstanden.“ (170) Die „geistigen Früchte“, die man auf Erden genossen habe, die werde man gleichartig auch im Jenseits genießen und das Leben nach dem Tode stelle kein neues Leben dar, „sondern nur ein Abbild und eine Wahrnehmung des gegenwärtigen Lebens“ (174).

Damit wird – und das muß man ganz deutlich hervorheben – die eschatologische Wucht des Mainstream-Islams, die eine wesentliche Triebkraft des politischen Islams, des Islamismus darstellt, deutlich abgebremst: Der Gläubige kann sich weder direkt in ein vollkommen anderes Paradies katapultieren, sondern wird dort nur die Verlängerung seiner Taten vorfinden – keine guten Aussichten für Selbstmordattentäter o.ä. –, noch spielt der Djihad, insbesondere der kleine oder äußere Djihad, der Kampf gegen Ungläubige, überhaupt eine wesentliche Rolle. Daher nimmt die andernorts so eminent wichtige „Hölle“ bei Ahmad kaum eine tragende Funktion ein und wo doch, dort wird sie ebenfalls metaphorisch verstanden. Tatsächlich unternimmt der Autor sogar gewisse Anstrengungen, relativ eindeutige Koranverse – „Ergreifet ihn und fesselt ihn und werft ihn in die Hölle. Dann stoßt ihn in eine Kette, deren Länge siebzig Ellen ist (69.31)“ (185) – in abstrakte Symbolik umzuwandeln. Einem Mujahed muß es grauen, wenn er liest: „Gott der Allmächtige fügt dem Menschen von sich aus kein Unglück zu, sondern Er legt einfach dem Menschen seine eigenen schlechten Taten vor.“ (186)

Ahmad läßt nicht die Spur eines Zweifels: „Zusammenfassend können wir feststellen, dem Heiligen Qur’an gemäß sind beide, Himmel und Hölle, das Abbild und die Manifestation des menschlichen Lebens auf Erden. Sie stellen nichts Materielles dar, was von außen her käme. Sie werden zwar sichtbar erscheinen, sind aber in der Tat die Verkörperungen und Zurückstrahlung unserer geistigen Zustände in dieser Welt. Wir glauben an kein materielles Paradies, wo Bäume wie hier auf Erden gepflanzt werden, noch an eine Hölle, die wirklich Schwefel usw. ausströmt. Nach der islamischen Glaubenslehre sind Himmel und Hölle vielmehr Abbilder unserer Taten.“ (190f.) Die Frage der Legitimität solcher Interpretationen ist freilich aufschlußreich: die Privatoffenbarung – „Ich habe persönliche Bekanntschaft mit diesen Dingen …“ (180)

Zweitens: Was ist der Sinn menschlichen Lebens? Wir wissen es bereits: „Der wahre Sinn des menschlichen Lebens liegt … allein in der Verehrung Gottes und in Seiner wahren Erkenntnis und in der vollkommenen Ergebenheit in Seinen Willen. Eines ist klar: Der Mensch hat keine Befugnis, den Zweck seines Lebens selbst zu bestimmen.“ (195) Erkenntnis Gottes, „Wissen um die vollkommene Schönheit des göttlichen Wesens“, „Belehrung über die Güte Gottes“, Gebet, Aufopferung seines Lebens für die Sache Gottes, Standhaftigkeit, die Suche nach „der Gesellschaft der Rechtschaffenen und die Nachahmung ihres guten Beispiels“ und das aufmerksame Beobachten der „Traumgesichter, Visionen und Offenbarungen“ (197-205) sind die acht Mittel, fast hätte man sagen können: die acht Pfade, das Ziel zu erreichen.

Drittens: Die Wirkung des Göttlichen auf das menschliche Leben im Hier und Dann. Es ist exakt dieser Aufstieg vom primitiven Zustand zum wahren „Menschsein“, von der Physis über die Moral zur Gotteserkenntnis. „Die Forderungen des vollkommenen, göttlichen Gesetzes wirken auf das praktische Leben des Menschen solchermaßen, daß er durch die Befolgung des Gesetzes allmählich die Rechte der Mitmenschen erkennt und mit ihnen mit Gerechtigkeit, Güte und Erbarmen umgeht, wann und wo dies angebracht ist.“ (209) Gäbe es die letzte Ergänzung nicht, die allerdings, wie wir gleich sehen werden, fundamental ist, könnte man das wohl für ein christliches Programm halten.

Viertens: Was sind die Quellen der Gotteserkenntnis? Für einen Muslim ist das natürlich der Koran. Aber schon Mohammed war bewußt, daß diese Zirkularität ins Paradoxe führen muß. Deshalb ermahnt er immer wieder, die Lehren zu prüfen. Ahmad unterscheidet „drei Grade des Wissens“: „die Gewißheit durch Folgerung, Gewißheit durch Sehen und Gewißheit durch Erleben“ (223) Das erste meint den Kausalnexus – wo Rauch ist, müsse auch Feuer sein –, das zweite die direkte Ansicht der Flammen und das dritte das Erleben der Wärme.

Dem Autor muß bewußt gewesen sein, daß seine Abhandlung noch mindestens zwei Probleme enthält: Die Frage der Legitimation und der Abgleich mit der Realität des Heiligen Textes. Da seine Argumentation auf extrinsische Relativierungen verzichtet und die Wahrheit eines Textes aus dem Text selber ableiten will, ohne ihn in den narrativen Kontext einzuordnen, schwebt seine Darlegung im freien Raum, fehlt ihr das Maß und bedarf einer Verankerung. Diese ist der Autor selbst!

Er gibt sich „als Empfänger göttlicher Offenbarungen“ zu erkennen, den „die Gnade Gottes zu dieser Höhe emporgehoben hat“ (236). Aus der Attitüde des Religionsgründers heraus kann er dann sagen: „Ich versichere meinen Zuhörern, daß der Gott, Dessen Begegnung das Heil und die ewige Glückseligkeit für den Menschen bedeutet, niemals zu erreichen ist ohne den Heiligen Qur’an zu befolgen.“ Und: „Ich versichere allen Suchenden, daß nur der Islam es ist, der die frohe Botschaft (sic!) von diesem Weg verkündet. Bei allen anderen Bekenntnissen ist der Weg der göttlichen Offenbarungen seit langem versperrt.“ (237) Ahmads Berufung auf die Vernunft gilt also nur innerhalb des engen Zirkels des Glaubens, eines ganz konkreten Glaubens.

Wer den Koran kennt, weiß um seine Dualität: er spricht ausgiebig von Barmherzigkeit und das nicht selten unmittelbar nachdem die unbarmherzigsten Urteile besonders „Ungläubigen“ gegenüber abgegeben wurden. Bislang bezog sich Ahmad ausschließlich auf erhebende Passagen. Auch das Leben des Propheten ist bekanntlich in zwei scheinbar gegensätzliche Phasen geteilt: die mekkanische und die medinische Periode. Die erste ist durch eine gewisse Poesie und Friedfertigkeit, die zweite jedoch durch unübersehbare Gewalttätigkeit geprägt. In islamkritischen Kreisen führt man das oft auf eine Charakterschwäche zurück: Solange Mohammed schwach und erfolglos war, versuchte er sich diplomatisch und friedfertig zu geben, im Moment seiner Macht offenbarte er dagegen seine tyrannische Veranlagung.

Ahmad kann in dieser Frage nicht die traditionelle islamische Interpretation überwinden und verweist auf die Gewaltbereitschaft von Mohammeds Gegnern. Die Differenz zur Jesus-Gestalt wird hier deutlich wie nirgendwo: „Hätte der Islam sich nicht bei den gegebenen Verhältnissen gegen die Gewalttätigkeit der Bedränger verteidigt, so hätte dies zum Gemetzel von Tausenden von Unschuldigen – Kindern und Frauen – geführt, und der Islam wäre im Keime erstickt worden.“ (248) Gemetzel von Kindern und Frauen wurde deswegen nicht verhindert, nur waren es dann keine „unschuldigen“ mehr – auch Ahmad kommt aus der Dichotomie von Gläubigen/Ungläubigen = Unschuldige/Schuldige, wie sie im Koran vorgegeben ist, nicht heraus. „Unsere Gegner unterliegen einem schweren Irrtum, wenn sie meinen, daß ein von Gott offenbartes Gesetz uns auf keinen Fall erlauben soll, dem Bösen zu widerstehen, und daß göttliche Liebe und Barmherzigkeit nur durch Sanftmut und Milde ausgedrückt werden können.“ (248)

Was soll man aus kritischer Sicht davon halten?

Die Ahmadiyya Muslim Jamaat legen bis heute großen Wert darauf, als wahrhaft friedlicher Islam aufzutreten. Extremismen sind ihnen fremd, sie vertreten einen Weg der Mitte. Der Friedensgedanke solle nicht nur ausgesprochen, er müsse auch in den Schriften niedergelegt werden. Der Koran und die Hadithe – wie das Alte Testament – bieten ein Sammelsurium von sehr gegensätzlichen Aussagen und offerieren damit ein Arsenal an Argumenten in beide Richtungen. Ahmads philosophische Herleitung macht eine aggressive Auslegung deutlich schwieriger. An der Überlegenheit des Islam läßt auch er keinen Zweifel und die Gewißheit, die einzig wahre Religion zu vertreten, die in absehbarer Zeit alternativlos die Welt umspannen soll, wird auf ewig ein potentielles Pulverfaß bleiben.

Objektiv betrachtet, verstoßen manche seiner Argumentationen gegen die Gesetze der Logik – auch das dürfte eine inhärente Schwäche bleiben.

Auch ist in der spirituellen Konsequenz nicht leicht zu sehen, was die Ahmadiyya-Auslegung leisten soll, was Buddhismus, christliche Mystik oder auch die glaubensunabhängige Stoa nicht schon geleistet hätten.

Für gläubige Sunni- und Schia-Muslime wird diese Schule wohl dauerhaft Tabu bleiben. Zum einen ist die Selbstdeklarierung zum Mahdi ein extremes Sakrileg, zum anderen dürfte die metaphorische, gleichnishafte Auslegung zahlreicher Passagen den meisten Muslimen suspekt sein, so sehr, daß man es nahezu verstehen kann, wenn die Ahmadiyya meistens gar nicht als Muslime akzeptiert werden und theologisch als Häretiker gelten.

Letztlich stellt dieses Buch eine koranisch motivierte Moralphilosophie dar. Wenn man sie mit den bedeutenden zeitgenössischen Ethiken eines Eduard von Hartmann, Husserl, den Neukantianern, John Stuart Mill etc. gegenüberstellt, die selbst oft schon Verfallserscheinungen waren, dann wird der simplizistische Charakter überdeutlich und daran ändert auch nichts, wenn Ahmad von den Ahmadiyya als Jahrhundertdenker und Philosoph gefeiert wird. Das liegt an der geschlossenen Lektüre des Heiligen Buches und an der Absenz einer kontinuierlichen philosophisch-theologischen Tradition. Wenn das stimmt, dann taugt Ahmads Philosophie immerhin dazu, eine solche Tradition anzuregen.

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Repräsentieren die Ahmadiyya die Muslime?

Deutschlandweit für Aufregung sorgten die Aussagen der Rundfunkrätin Khola Maryam Hübsch in der Sendung „Hart aber Fair“ vom 29.4.24. Sie trat dort als Vertreterin der muslimischen Gemeinden auf und sprach zu den Forderungen nach einem „Kalifat als Lösung“ für Deutschland. Diese Forderung wurde auf einer Hamburger Demonstration von ca. 1000 Muslimen erhoben und schreckte die deutsche Öffentlichkeit für einen Moment auf. Weiterlesen

Grüner Buddhismus

Es gibt gleich mehrere buddhistische Legenden, die von der Selbstaufopferung handeln. Eine – wenn ich sie recht erinnere – handelt von einer Nonne, die den Tod einer Löwin sieht. Wenig später kommt sie an einer Schlucht vorbei, in der ein Wurf junger Löwen hilflos klagt, nicht herauskommt und auch nichts zu fressen hat. Es sind ganz offenbar die Jungen der getöteten Löwin. Also stürzt die heilige Frau sich in die Schlucht, um den Raubtieren als Nahrung zu dienen. Weiterlesen

Das schreckliche Nachbild

Unter den vielen grausamen Bildern, die man in den letzten Tagen und Wochen zu sehen bekam, blieb mir eines besonders im Gedächtnis und ich weiß nicht recht, warum. Denn eigentlich ist es – gemessen an den vielen chaotischen Sequenzen von rennenden Massen, verbrannten Fahrzeugen, zerwühlten und zerschossenen Wohnungen, durchlöcherten Autos usw. – eher einfach, klar und deutlich. Weiterlesen

Blutrunst

Wir stehen fassungslos vor den Berichten der Überlebenden jenes Abschlachtens von hunderten wehrlosen jungen Menschen auf einem Festival an der israelisch-palästinensischen Grenze. Die Mörder sind nicht zufällig auf die Feiernden gestoßen, nein, man hat sich diesen Ort bewußt gewählt, der Überfall wurde taktisch geplant und konzertiert durchgeführt. Das Ziel war: Töten! So viele Menschen wie nur möglich töten. Komplett unschuldige, harmlose, wehrlose Menschen. Weiterlesen

The West and the rest

Orbáns Leseliste II

Roger Scrutons Buch erschien vor 20 Jahren und ist als unmittelbare Reaktion auf den 11. September 2001 zu lesen. Wenn Viktor Orbán es in seine Allzeit-Leseliste aufnimmt, dann wird es wohl bleibenderen Wert für ihn beanspruchen. Warum, das wird schnell klar: Scruton will uns nicht den Islamismus erklären, sondern dessen Geburt aus dem Islam und den fundamentalen Unterschied zu dem, was wir die „westliche Demokratie“ nennen. Dabei versucht sich der konservative und sehr traditionell wirkende englische Philosoph in Objektivität, er vermeidet also die Parteinahme, will uns beide Konzepte in objektivem Ton vorstellen, ohne freilich das „Wir“ und „Die“, in das wir hineingeboren werden, zu negieren. Weiterlesen

Das Problem mit den „Satanischen Versen“

Vielleicht sehen sie auch, daß die Kontroverse um die Satanischen Verse im Grunde ein Streit um die Frage war, wer die Macht über die große Erzählung, die Geschichte des Islams, ausüben soll, und um die Meinung, daß diese Macht allen Gläubigen gleichermaßen zusteht. (Salman Rushdie)
Romanfiguren werden geschaffen, damit sie auf eigene Rechnung leben. (Umberto Eco)

Vor 33 Jahren wurde die Fatwa gegen Salman Rushdie, den Verfasser des bedeutenden Buches „Die Satanischen Verse“, verhängt. Gestern gab es den vermutlich ersten erfolgreichen Versuch, sie durchzuführen. Warum aber hassen viele Muslime den Mann und das Buch? Weiterlesen

Mein Kriegstagebuch VI

Trauer: Daß die Ukrainer und Russen uns näher sind, wie ich kürzlich behauptet habe, findet selbstredend seinen konkreten Ausdruck und ist keine abstrakte Behauptung. Sie sind uns nicht nur in ihrer Geschichte – die mit der unseren eng verwoben ist –, ihren Traditionen oder ihrer Verwurzelung im christlichen Erbe und damit auch in der Moralität und Begrifflichkeit nahe, sondern ihr Verhalten ist uns unmittelbar, mit nur geringen Abstrichen, verständlich. Und im Falle der Trauer, des Schmerzes und der Verzweiflung, die wir nun tagtäglich und doch nur in kleinsten Ausschnitten sehen – denn das Meiste bleibt ungefilmt – sind uns ihre Gefühle und Gedanken unmittelbar zugänglich.

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Hasnain Kazim: Mein Kalifat

„Demokratie? Ich bin hier, um die Demokratie zu verteidigen! Nicht, um sie zu praktizieren.“  (Der Kalif)

Hasnain Niels Kazim liebt seine deutsche Heimat! Das meint das Dorf Hollern-Twielenfleth und das Alte Land und das liegt irgendwo da oben. Er liebt die Landschaft, den Dialekt, die Leute, das Essen, alles. Aber er liebt auch Österreich, Wien und die Wiener, oder Pakistan, wo seine Familie herstammt, und überhaupt kann der Weitgereiste jeder Gegend, in der er gelebt hat, etwas abgewinnen, nur Sachsen nicht, denn dort gibt es Pegida. Von dort her wird – so empfindet er ganz aufrichtig – seine geliebte Heimat bedroht. Der sächsische Dialekt ist ihm ein Graus – man kann das verstehen –, die Teilnahme an einer Pegida-Demonstration war ihm Schlüsselerlebnis.

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Islam als positive Herausforderung

Gastbeitrag von: Tarik

JULIAN: „Say it then. Who shall conquer? The Emperor or the Galilean?

MAXIMUS: „Both Emperor and Galilean shall go down…If in our time of hundreds of years hence, I know not; but it shall happen when the right man comes…O thou fool, who hast drawn thy sword against the future – against that third empire – WHERE THE TWO-SIDED WILL REIGN.

JULIAN: „The third Empire? Messiah? Not the kingdom of the Jewish people but of the spirit, and the Messiah of the kingdom of the world.

MAXIMUS: „Logos in Pan – Pan in Logos.“

(Henrik Ibsen – Emperor and Galelean, 1873)

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Ramadan als Wehrübung

Gerade begehen Millionen unserer Mitmenschen den Ramadan. Mittlerweile wird das in der Presse gefeiert, mittlerweile klären die Medien flächendeckend auf, mittlerweile wünschen staatliche Stellen einen „Gesegneten Ramadan“, mittlerweile haben wir uns an den Mundgeruch in der Straßenbahn gewöhnt – als Ausdruck des Rechtes auf freie Religionsausübung.

Alle Religionen kennen Fastenzeiten und asketische Exerzitien. Wenn man den Begriff der Religion – religio: Rückbindung – aber modifiziert oder ihn durch einen anderen ersetzt, dann werden neue Perspektiven sichtbar, dann wird auch verständlich, weshalb der Islam – die theologisch wohl schwächste aller Weltreligionen – eine solche Ausdauer haben konnte und weshalb er gerade jetzt, verbunden mit einer demographischen Explosion, sich anschickt, die Welt ein zweites Mal zu erobern.

Der Ramadan ist eine der „fünf Säulen des Islam“:

  1. Das Glaubensbekenntnis, die Schahada
  2. Das fünfmalige tägliche Gebet
  3. Das einmonatige Fasten während des Ramadans
  4. Die Hadsch, die Pilgerreise nach Mekka
  5. Der Zakad, die Spende an die Bedürftigen

Peter Sloterdijk hatte in seinem fulminanten Großessay „Du mußt dein Leben ändern“, den umstürzenden Gedanken geäußert, den Begriff der Religion abzulegen. Es gibt keine Religionen, „es gibt nur mehr oder weniger ausbreitungsfähige oder mehr oder weniger ausbreitungswürdige Übungssysteme.“ … „Das wirklich Wiederkehrende, das alle intellektuelle Aufmerksamkeit verdient, hat eher eine anthropologische als eine ,religiöse‘ Spitze.“ Darüber hinaus sei der Begriff kulturimperialistisch, da er nur im Westen verstanden würde und Hindus und Buddhisten schon Jahrhunderte zuvor „Religion“ ausübten, ohne diesen Begriff zu benötigen, der ihnen erst durch „Religionswissenschaftler“ aufgedrängt wurde.

Mohammeds Genie liegt in der Vorwegnahme dieses Gedankens und in der Installation eines entsprechenden Regulariums. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die fünf Säulen des Islam – andere Pflichten, wie der kleine und der große Djihad, die Koranlektüre, das Auswendiglernen … kommen hinzu –, so erkennen wir ein ausgeklügeltes Hochintensivtrainingsprogramm. Bis auf die Schahada, die theoretisch nur ein Mal, bei der Annahme der Religion, gesprochen werden muß, die in der Realität aber tagtäglicher innerer Begleiter der meisten Muslime ist – etwa beim Bismillah vor jeder Mahlzeit, vor dem Geschlechtsverkehr etc. –, bis auf die Schahada also und die Hadsch, handelt es sich um Permanenzübungen.

Vor allem das Gebet entfaltet eine enorme Macht. Alle drei Stunden circa ist der Muslim angehalten innezuhalten, sich aus der realen in die spirituelle Welt zu begeben, eine „Vertikalspannung“ zu seinem Gott aufzubauen, und dabei immer wieder die gleichen Formeln zu beten und sich mindestens 17 Mal vor dem Gott in den Staub zu werfen. Die psychomotorische Ausrichtung eines Hirns, das sich diesem Exerzitium unterwirft, ist sehr wahrscheinlich. Der physische Akt des Niederwerfens – hier erkennt man, daß Mohammed ein kluger Intuitivpsychologe war – verbindet beide Ebenen und vertieft die geistige Gravur durch körperliche Repetition. Heute ist das neuester Stand der Wissenschaft, heute nutzt man das Verfahren im Profisport, bei Rehabilitation oder bei der Gehirnwäsche.

Die Hadsch war einst ein enormer Kraftakt. Sich in einen Jet zu setzen, in Mekka zu landen, sich ein Tuch umzuwerfen, ein Selfie zu machen, dieses bei Instagramm einstellen und zwei Tage später schon wieder im Trainingslager der Nationalmannschaft zu sein, dürfte an der Paradiespforte eher wenig goutiert werden. Die Hadsch war als asketisches Exerzitium gedacht, als Leidenszeit, als Zeit des Selbstrisikos. Wer einmal durch die Wüste zog, um die Kaaba zu umrunden, und dabei Hitze und Entbehrung erleiden mußte, den Tod riskierte oder den Überfall durch marodierende Banden, die gnadenlose Sonne ertrug … für den ist die Ankunft, ist das Gemeinschaftserlebnis, ist das Erreichen des Ziels wie eine Offenbarung. Man muß als moderner Mensch schon Reinhold Messner lauschen, um eine Ahnung davon zu bekommen.

Selbst der Zakad ist als Übung zu beschreiben. Es geht darum, 2,5 bis 10 Prozent seines Einkommens an die Armen abzugeben. Die christlichen Konfessionen kennen das als Zehnt oder Kollekte. Aber das Opfer, die Spende, das Almosen ist seit je ein stark wirkendes Gottes-Aphrodisiakum, eine Wohlfühlmaschine und eine Verbindung zum Transzendenten. Wird sie regelmäßig eingeübt, entfaltet sie ihre abhängig machende Glückswirkung.

Unter diesen Vorzeichen ist die Funktion des Ramadan evident. Sein jährlicher Wiederholungscharakter zeichnet ihn als Exerzitium par excellence aus. Der Hadsch vergleichbar, konnte Mohammed nicht ahnen, daß seine Jünger einst in allen Weltteilen sich umtreiben, bzw. war es Mohammed nicht bewußt gewesen, wie groß die Welt eigentlich ist. Es gibt Indizien dafür, daß er vom Scheibencharakter der Erde und damit ihrer Endlichkeit, überzeugt war. Seine Religion ist eine Wüstenreligion, seine Welt reichte bis an den Rand der Dürre, bis an die Berge, er konnte also nicht ahnen, daß es für einen Muslim in Norwegen Probleme geben könnte, die Mekkawanderung zu leisten oder den Ramadan ohne Kompromisse zu überleben. Man hätte von Al Alim, dem Allwissenden, möglicherweise eine konkrete Anweisung für diesen Fall erwarten können …

Auf der arabischen Halbinsel teilen sich Tag und Nacht in schöner Gleichmäßigkeit von ca. 12 Stunden (± zwei) die Zeit, sommers wie winters. Trotzdem ist der Übungserfolg bedeutend. Es ist eine 30-malige Übung zur Abwehr des Zweifels, eine Überwindung des inneren Schweinehundes (pardon), ein zwar überschaubares Leid, durch seine Wiederholung aber ein sehr wirksames. Zudem führen die Intensivierung des Gebets, die größere Offenheit für Spiritualität während des Fastens, die Freude über die Überwindung zu einer gefühlten Gottesnähe, das täglich gemeinsame Fastenbrechen stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Umma, die Distinktion zwischen „Wir“ und „die anderen“, zwischen mumin und kuffar, und damit die Sicherheit des Dazugehörens.

Vermutlich ist der Islam das am meisten durchorganisierte – man kann von Psychodesign sprechen – „religiöse“ System. Seine Anhänger sind – das muß die Intention des Gründers gewesen sein – mehr oder weniger durchtrainierte potentielle Glaubenssoldaten. Lediglich der Buddhismus kennt in einigen Spielarten ein ähnlich starkes Training, die Meditation, deren Energie freilich komplett nach innen geleitet wird, wohingegen der Islam eine extrovertierte Religion darstellt. Seine hohe Repetitivität verleiht ihm seine Macht, die er seit 1400 Jahren, trotz weitgehend kultureller Rückständigkeit, beeindruckend unter Beweis stellt. Wer all diese Entbehrungen auf sich genommen hat, für den ist es mit jedem Male schwerer, den zurückgelegten Weg kritisch zu betrachten. Es wäre dann alles umsonst gewesen …

In diesem Sinne: Gesegneter Ramadan!

Pierre Vogel: „Der Ramadan ist ein Trainingslager, eine Schule für dich.“

Siehe auch: Allahu Akbar – eine Klarstellung

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Sloterdijk Backstage

Fortsetzung von: Sloterdijk und die Berliner PC-Welt

Nach jeder der drei Gesprächsrunden über die Begriffstrias „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ im November 2018 am Berliner „Volkstheater“, gab es die Gelegenheit, aus dem Publikum heraus Fragen zu stellen. Sloterdijk machte aber keinen Hehl daraus, daß er diesen Teil der Veranstaltung gern kurz gehalten haben möchte. Die Uhr ging auf zehn, in der ersten Reihe saßen Freunde und Bekannte, z.T. Berliner Kunstgrößen, man wollte vermutlich noch irgendwo essen gehen …

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Denkanstöße – Imre Kertész

11. Januar 2004 Morgendämmerung. Vorgestern abend ist M. nach Budapest geflogen; ich habe sie ungern gehen lassen, sie fehlt mir. Die Abendmaschine war voller ärmlicher Araber, die in Budapest in irgendeine Nahost-Maschine umsteigen. Eine sonderbare Art armer Familien, mit Frauen, großköpfigen, aggressiv brüllenden Kindern; anstatt mit ihnen Mitleid zu haben, assoziiere ich Bomben und Terror. Europa wird bald zugrunde gehen an seinem einseitigen Liberalismus, der sich als naiv und selbstmörderisch erwiesen hat. Europa hat Hitler hervorgebracht, und nach Hitler waren keine Argumente mehr geblieben: Dem Islam taten sich alle Tore auf, man wagte nicht mehr, über Rassen und Religion zu sprechen, während der Islam fremden Rassen und Religionen gegenüber keine andere Sprache kennt als die Sprache des Hasses. –

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Hitler lebt

Ja, Hitler lebt tatsächlich noch und zwar massenweise, vermutlich vielmillionenfach in den Köpfen  arabischer Männer.

Auf diesen vergessenen Tatbestand hatte etwas verdruckst und vermutlich die Macht der politischen Korrektheit fürchtend, der Spiegel-Journalist Christian Stöcker in einem Gespräch mit Thilo Jung aufmerksam gemacht.

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Das muslimische Zeitalter

Vor fünf Jahren sagte ein hochgebildeter Akademiker mir, als ich auf die Gefahren einer zu starken Einwanderung und der Islamisierung hinwies, ganz lapidar ins Gesicht: Nun, bisher hatten wir das christliche Zeitalter, jetzt folgt eben das muslimische – was ist dabei?

Wer wissen wollte, was das Wort „Terror“ bedeutet, der hätte es heute Nacht live erlernen können. Ein einzelner Verbrecher – vielleicht auch zwei –, der, wie wir nun wissen, gerade einmal neun Minuten mit seiner Bewaffnung unterwegs war, bevor ihn die tödliche Polizeikugel traf, hatte eine ganze Stadt, ein Land, einen Kontinent in Atem gehalten. Stundenlang überschlugen sich die Meldungen, klangen immer dramatischer. Zwischenzeitlich war sogar von zehn Tätern die Rede, von mehreren Festnahmen, von sieben bestätigten Toten, von kriegserprobten tschetschenischen Banden (die es natürlich trotzdem gibt) und man mußte ein weitaus schlimmeres Erwachen befürchten. Als ich gegen zwei Uhr ins Bett ging, wähnte man noch immer mindestens drei Attentäter unterwegs.

Das war Terror in Reinform. Das Wort bedeutet – ich wiederhole es – „Schreckensbotschaft“ und auf die Botschaft kommt es an. Die Angst, die Unübersichtlichkeit, die bereits tief verinnerlichte innere Bereitschaft – spätestens seit 9/11 halten wir alles für möglich – und die mediale Verstärkung – ohne Medien gibt es keinen Terror[1] – haben zu einer vollkommenen Überhöhung der Lageeinschätzung geführt. Wien war für einige schreckliche Stunden in einer Terrorblase gefangen, aus der es erst das Tageslicht erlösen konnte. Das ist der Blueprint für alle kommenden Ereignisse dieser Art.

Und daß sie kommen werden, daran zweifelt wohl niemand, denn sie sind der zu zahlende  Preis einer maßlosen Zuwanderung, einer Segregation der Kommunen, einer naiven, blinden und ideologisch verzerrten utopischen Politik, die von einer Buntheit und Diversity mit  eschatologischer Inbrunst träumt. Der Traum geht davon aus, daß sich dann die menschlichen Konflikte wie von selbst lösen und wir in einer quasi gewaltlosen Welt leben werden – die Realität ist aber schon da und zeigt uns just das Gegenteil.

Das ist bereits das muslimische Zeitalter – das wird es mehr und mehr sein.

Unsinn – damit behaupte ich nicht, daß alle Muslime oder daß der Islam etc. in ihrer Gesamtheit … Es ist doch ganz klar, daß die meisten Muslime – wie die meisten Menschen überall – friedliche Zeitgenossen sind, die allerallermeisten. Und auch der Islam zwingt niemanden – auch nicht den gläubigen Muslim – die kuffar zu töten und zu verfolgen, selbst wenn es derartige Passagen im Heiligen Buch dieser Religion oder in den Hadithen und Rechtsbüchern gibt (es gibt auch dem widersprechende) und Michael Stürzenberger es tagtäglich behauptet. Aber es ist als Potenz, als Möglichkeit in sein geistiges Erbgut eingepflanzt und dieses wurde – im Gegenteil zum Christentum, in das es ebenfalls (wenn auch deutlich weniger) eingepflanzt war –, nie tiefgründig reformiert, durch eine überbordende und tatsächlich vielfältige Theologie relativiert und totgequatscht, und ist erst recht nicht einer jahrhundertealten Säkularisierung und Selbstverdauung ausgesetzt gewesen. Der Grund dafür liegt vordergründig in einem mohammedanischen Geniestreich – aber der ist hier nicht das Thema.

Die Wahrscheinlichkeit, daß Muslime die religiöse Botschaft im Frontradio hören, ist vielfach höher als bei anderen geschichtsrelevanten Religionen – und die übersetzt sich auch in Terror. Sie ist außerdem von der Religion ganz unabhängig in einer Gesellschaft erhöht, in der die Menschen keine gemeinsame Grundkultur, Lebensweise, Sprache, ethnische Nähe teilen, weil dort, wo Menschen sich fremd sind und habituell bleiben müssen, das Gemeinsamkeitsempfinden und damit das gegenseitige Verantwortungsgefühl schwinden muß. Dieser Gedanke erscheint mir so einleuchtend und evident, daß er auch ein ideologisch stark vorbelastetes Hirn erreichen können müßte.

Selbst wenn Diversity die Endlösung wäre, so käme sie zu einem teuren Preis und eine Facette ist der Terror, andere sind Kriminalität, Alltagsgewalt, Parallelgesellschaften, innere Konflikte, soziale Kälte usw. Man kann unendlich viel Pluralismus-Scholastik und Sophistik, Wortdreherei dagegen anführen – es sind und bleiben Tatsachen. Entweder ihr kapiert das oder ihr kapiert es nicht, wollt es nicht kapieren.

Nun haben wir in Wien erneut den Glücksfall, daß zwei türkische Jugendliche die „Helden von Wien“ wurden – widerlegt das nicht den obigen Defätismus? Es ist aber ein weiteres Indiz dafür, daß das muslimische Zeitalter bereits angebrochen ist.

Wie hätte die Presse reagiert, wenn zwei junge Identitäre die Helden gewesen wären? Eine solche Frage muß man sich stellen, um die korrekte Antwort zu bekommen.

Die beiden Männer sind durchtrainierte Martial Arts-Athleten – man darf annehmen, daß eine gehörige Portion Abenteuerlust, ein Schuß Adrenalin und nahöstliches Machotum eine Rolle gespielt haben. Aber sie waren mutig, haben ihr Leben riskiert, um anderes zu retten – das muß man anerkennen.

Quelle: Mikail Özen Instagram

Sind sie deshalb schon Österreicher? Sie könnten es theoretisch sein – wenn man ihren Spuren im Internet allerdings ein wenig folgt, dann kommen Zweifel auf. In ihren martialischen Kämpfen treten sie stolz als Türken auf und in der Hagia Sophia heben sie in typischer Islamistenart den Zeigefinger zum Allah-Siegel oder posieren mit dem Fingerzeichen der „Grauen Wölfe“.

https://twitter.com/lichtmesz/status/1323611277126733824

Eine Dummheit vermutlich, gänzlich ungefährlich – aber stünden die Türken mal wieder vor Wien, wer wollte die Hand dafür ins Feuer legen, daß die zwei auf europäischer Seite kämpften? Das ist die Wahrheit hinter eurer Multikultiblase. Sie sind vermutlich so österreichisch wie der Attentäter höchstselbst.

Statt sich diesen Evidenzen zu stellen, verliert die Linke nun Krokodilstränen. Hassnain Niels Kazim etwa schreibt in der „Zeit“: „Mein Wien war der Inbegriff von Frieden. Nun ist der Terror auch hier angekommen. Hoffen wir, daß die Terroristen ihr Ziel nicht erreichen, die Gesellschaft zu spalten.“ Kazim lebt in Wien, ist persönlich be- und offenbar auch getroffen. Aber den ursächlichen Zusammenhang will er nicht sehen, stattdessen ist es die „antiislamische Stimmung“, die den Terroristen in die Hände spiele.

Natürlich gibt es die, aber sie ist ein Resultat und der Terrorismus ist nur eine ihrer Bedingungen. Man müßte schon einen apriorischen Antiislamismus konstruieren, wollte man dieser Konstruktion folgen. Den aber gibt es nicht. Er ist stattdessen historisch evidenzgetragen und betrifft auch nicht nur Muslime.

Menschen sind in ihrer langen Menschwerdung evolutiv darauf getrimmt, es liegt in ihrer anthropologischen Natur, sich bevorzugt mit ihresgleichen zu umgeben. Das Gefühl zunehmender Fremdheit führt ganz natürlich zu Distanzen und Aversionen und wird deutlich verstärkt, wenn man das Empfinden hat, daß der Fremde sich dem Eigenen nicht anzupassen versucht. Die stark ausgeprägte Inklusion des Islam – theologisch seine größte Stärke – macht die Annäherung sehr schwer. Der Effekt wäre im Übrigen ähnlich, wenn Millionen Österreicher in kürzester Zeit nach Pakistan auswandern wollten.

Es nützt auch nichts, auf Christchurch oder Halle oder den allgegenwärtigen Rechtsextremismus hinzuweisen – den es freilich gibt und der zu bekämpfen ist –, vielmehr kommt es darauf an, zu verstehen, daß auch diese Form des Terrors ganz wesentlich – wenn auch nicht ausschließlich – eine Reaktion auf die rasanten demographischen und kulturellen Veränderungen ist. Er ist in keiner Form gerechtfertigt, aber er ist erklärbar.

Kazim sorgt sich nun um die Spaltung der Gesellschaft. Es gibt ihn in zweierlei Varianten. Wenn er für „Zeit“ und „Spiegel“ schreibt, dann säuselt er gern versöhnliche Worte, wer aber etwa seinen Äußerungen auf Twitter und Facebook folgt, der lernt einen verbitterten, vermutlich haßerfüllten[2] und hochgradig intoleranten Menschen kennen, der sich einen Spaß daraus macht, seine politischen Gegner zu triggern, und der allzu gerne in Verbotsphantasien seiner politischen Gegner schwelgt. Dieses „Spiel“ bewirtschaftet er auch noch, formt aus den Haßkommentaren, die er provoziert und dann meist grundsätzlich auf seine migrantische Herkunft projiziert, Bücher und wird zum Bestsellerautor und geschätzten Medienkommentator – er bedient die gierigen Bedürfnisse seiner eigenen Blase. Kazim ist ein Spalter par excellence und erntet dafür – wie sein Kumpan Igor Levit – Unterstützung, Anerkennung, Verträge und hochdotierte Preise vom Establishment.

Sein hintergründigstes Spiel ist nun die Rolle des Kalifen. Mit einem gewissen Sinn für doppelsinnigen Humor imaginiert er die Gründung eines eigenen Kalifats, dem sich seine Anhänger zu unterwerfen hätten. Hunderte oder Tausende folgen dieser Scharade und mimen Untertanen des Kalifen. Damit soll die Idee der Islamisierung und des Bevölkerungsaustausches karikiert und ins Lächerliche gezogen werden. Ein neues Buch beim Branchenriesen „Penguin“ ist auch schon angekündigt.

Vielleicht wird ihm das Spiel nun ein wenig vergällt, wenn er begreift, daß auch der Wiener Terrorist, der ihm letzte Nacht Angst gemacht hat, auf einen Kalifen geschworen hatte, vielleicht kann er nun verstehen, daß nicht alle diese Art Witz lustig finden, vielleicht denkt „Penguin“ sogar um und macht eine politisch korrekte Kehre? – aber dazu bedürfte es wohl noch eine Dosis mehr vom muslimischen Zeitalter.

Siehe auch: Ästhetik des Schrecklichen

 

[1] Am gleichen Tag kamen in Kabul 35 Menschen bei einem Terrorangriff ums Leben, ohne daß das größere Panik ausgelöst hätte – vermutlich nicht mal vor Ort.
[2] So zumindest kann er wirken, wenn man sich auf der anderen Seite der Argumentationen befindet.

Quelle: Info Direkt

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Das Orientbild der Digedags

Man kann die Bedeutung des „Mosaiks von Hannes Hegen“ für die vor allem männliche Jugend der DDR nicht überschätzen. Die 60er, 70er und 80er Jahre waren wesentlich geprägt von der Auseinandersetzung mit dem Universum der drei Comic-Figuren Dig, Dag und Digedag. Jeden Monat stand man an den Zeitungskiosken Schlange, um das neue Heft zu erstehen. Meine früheste Erinnerung sieht mich mit meinem Vater am Kiosk warten, wo er das Heft 171 kauft: „Die Jagd nach dem Truthahn“. Ein Blick in die „Mosapedia“, ein eigens von Fans eingerichtetes Online-Lexikon, belehrt mich, daß das im Februar 1971 gewesen sein muß – damals war ich noch keine sechs Jahre alt.

Man darf die gewagte These aufstellen, daß die Pegida- und AfD-Generation durch das Mosaik geprägt wurde.

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Der Islamismus ist wieder da

„Zahlreiche Politiker des rechten Flügels hat man lange Zeit als Rassisten bezeichnet, weil sie behaupteten, daß die dänischen Islamisten die Fünfte Kolonne des Kalifats seien. Es war einfach, diese Behauptungen abzuschießen, denn was wußten die Leute schon, die außerhalb standen und von außen in ein Milieu schauten, das sie nicht kannten? Aber ich, der ich jahrelang im Zentrum dieser Welt gestanden habe, muß heute zugeben: Sie hatten recht.“ Ahmed Akkari

Die grausamen terroristischen Verbrechen von Paris,  Dresden und Nizza decken ein unter dem Corona-Mantel scheinbar vergessenes Phänomen auf, um dessen Erklärung nun vor allem die Linke kämpft. Sie müßte sich nur belesen …

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3. Mohammed und Globalisierung

Dem erwartungsvollen Leser wird das Fehlen des Namens Mohammed – in all seinen Schreibweisen – auf der Liste der beliebtesten Namen aufgefallen sein. Das wäre ja ein stark identifikatorisch zuschreibender Rufname des alten Typs und frühere Schlagzeilen aus nah und fern machten uns auf seine zunehmende Popularität in Europa aufmerksam. Er taucht in dieser Liste nicht auf, noch nicht mal als „Problem“; man muß schon tiefer graben, um fündig zu werden. Erst auf der Webseite der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ findet man ihn auf Platz 21, wo er stagniere, aber immerhin noch vor den angekündigten Trends der Zukunft – Liam, Milan und Karl – steht.

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Das Fremde enträtseln

Das Fremde erkennt man daran, daß es einem fremd ist. Man muß es enträtseln, wenn man es verstehen will. Manchmal hilft uns dabei unsere Presse, aber manchmal eben auch nicht. Wie etwa in dem mysteriösen Fall, den „Die Welt“ dieser Tage aufgedeckt hatte – allerdings waren Leser dieses Blogs darüber bereits früher informiert.

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