Wagenknecht für Deutschland!

Vermutlich war es ein letzter verzweifelter Versuch, Sahra Wagenknecht in ihr soziales Gewissen zu reden, als einige linke Politiker darauf hinwiesen, daß mit ihrem Ausscheiden aus der Fraktion auch 108 Arbeitsplätze gefährdet seien. Gemeint waren die parlamentarischen Zuträger, die sich dann einen neuen Job zu suchen hätten.

Wer so argumentiert, hat das politische Denken verlassen und sieht Parteien und Fraktionen nur noch als Unterhalt spendende Pfründe. Da es sich um üppige Verdienste handeln dürfte, kann man das persönliche Erschrecken zwar verstehen, aber für Wagenknechts politisches Projekt sind solche Schicksale irrelevant und müssen es auch sein.

Selbiges gilt natürlich auch für andere Parteien, auch die AfD, die vermutlich am meisten betroffen ist. Stand heute dürfte sie deutlich an Wählerstimmen verlieren, sollte die Wagenknecht-Partei zur Europawahl oder zu den kommenden Landtagswahlen antreten. Vor allem in Thüringen sind die Folgen noch nicht abzusehen.

Verständlich, daß es in Parteikreisen hier und da Unruhe gibt. Der am meisten gehörte Ruf zur Ruhe ist das deutlichste Signal dafür.

Kann Wagenknecht der AfD schaden?

Wer so fragt – ich wiederhole es – denkt nicht politisch im reinen Sinne. Die Frage ist falsch gestellt. Sie muß richtigerweise heißen:  Wird Wagenknecht Deutschland nutzen oder schaden? Es geht nicht um die AfD, es geht um Deutschland und seine Zukunft.

Würde Wagenknecht diesem Lande mehr nutzen als es die AfD könnte, so müßte man ihr viel Glück wünschen. Parteien sind kein Selbstzweck, auch wenn in ihnen mit der Zeit die Tendenz dazu steckt – und das unabhängig der politischen Ausrichtung, der politischen Organisation, ja selbst der Nation. Wir sehen diesen Prozeß der Verselbständigung überall, auf der ganzen Welt und in allen Gesellschafts- und Wirtschaftsformen.

Politiker zu finden, die sich dieser Dynamik überhaupt bewußt sind und die dagegen ankämpfen, ist nicht einfach. Björn Höcke ist einer unter ihnen und auch aus Schnellroda hört man immer wieder rhythmisch die kritische Selbstbefragung.

Ob Wagenknecht gut oder schlecht für dieses Land sein wird, will ich hier nicht diskutieren. Hilfreich bei der Entscheidung dieser Frage ist es aber kaum, in ihrer Vita und Veröffentlichungsliste zu wühlen, um vielleicht eine einstige Stalin-Verehrung auszugraben. Das ist kalter Kaffee. Auch Sahra Wagenknecht wird sich den politischen, ökonomischen, medialen und historischen Gesetzen und Regeln nicht entziehen können, d.h. ihr Wort von gestern wird sie nicht kümmern, nicht mehr und nicht weniger als das bei anderen Politikern der Fall ist. In diesen Zirkus einsteigen, heißt immer auch, dessen perverse Regeln zu akzeptieren – oder unterzugehen.

Die Frage nach den Auswirkungen auf die AfD ist also sekundär, wenn wir über Wagenknecht reden. Wird sie dieses Land voranbringen können, wird sie die existentiellen Probleme lösen können, das ist die Frage, die sich jeder Sympathisant stellen muß.

Ist sie bereit, diesem Land zu dienen? Und nicht ihrem Projekt? Parteien sind nur Vehikel – leider sehr träge und umständlich konstruierte –, ein Ziel zu erreichen. Der Wähler sollte erst in zweiter Linie auf die Partei schauen und auch dann nur ganz funktional.

Die Partei ist nichts, Nation, Staat, Gesellschaft, Land, Volk, Menschen, Zukunft und Schicksal sind alles.

6 Gedanken zu “Wagenknecht für Deutschland!

  1. Pérégrinateur schreibt:

    Ich fürchte, ein großer Teil der Wagenknecht günstig Gestimmten sind es, weil diese ihnen durch ihr Auftreten (zu Recht) und durch ihr Aussehen sympathisch ist. Manche sagen einem geradewegs ins Gesicht, dass sie ihre Wahlstimme nach Sympathie abgeben, gewiss noch mehr tun es, ohne es anderen oder auch nur sich selbst einzugestehen. Dass der Eindruck täuschen kann, merken sie dann erst später, ohne dass es verhindern würde, dass sie danach auf derselben Spur „politischen Urteilens“ weitertrotteten. Die Willfährigkeit, mit dem auch erwachsenes politisches Personal irgendwelchen woken Sprachvorgaben folgt, erklärt sich durch ihre Handlungsmaxime, es sich ja nicht auch nur kurzzeitig mit wem auch immer zu verderben, weil das erste emotionale Urteil dazu tendiert, an einem kleben zu bleiben.

    Schauen Sie sich nur die heutigen Wahlplakate an. Es dominieren die bloßen sympathiewerbenden Porträts der Kandidaten, die viel selteneren Texte darauf sind neu geprägte und inhaltsleere Floskeln der beschäftigten Werbeagenturen à la „Mehr Wir für eine bessere Welt“. Wenn man Lateinkenntnisse im Publikum vermuten würde, stünde da sicher etwas wie „Pro bono, contra malum“, jedenfalls etwas ohne inhaltliche Festlegung, die man ja ohnehin spätestens bei den Koalitionsverhandlungen verraten müsste.

    Weitere Stimmen wird sie von jenen bekommen, die von allem Neuen per se eine Verbesserung erwarten, also von den Schafen der Modernitätsapostel, die das lineare Geschichtsbild mit der Garantie des Schlaraffenlandes und der Menschheitsharmonie am Horizont predigen.

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    • Optik und seriöses Auftreten sind sicher kein Hinderungsgrund. Wenn man genau hinschaut, sieht man allerdings auch das Puppenhafte ihrer Auftritte. Mich erinnert sie immer mehr an eine Wachspuppe, vom Make-up zusammengehalten, eingefrorenes eindimensionales Dauerlächeln, die eine frühe Form von KI-basierter Sprechtechnik verschluckt hat und in immer neuen Variationen Sprechblasen aus den immer wieder neu zusammengesetzten Versatzstücken produziert. Gäbe es ihre Bücher nicht, in denen sie sich hin und wieder etwas traut, könnte man an einen Kempelenschen Automat glauben.

      Da auch das Hinterland wenig aufregend ist, muß man sehen, wie sich die Außendarstellung entwickeln wird. Sie hat sicher auch einen Ossi-Bonus im Osten und das könnte nächstes Jahr relevant werden.

      Die Frage der Projektion ist immer relevant, insbesondere bei Angeboten, die sich selbst als „neu“ oder „alternativ“ darstellen. Davon beginnt sich die AfD nach 10 Jahren langsam zu erholen, zum Preis der systemischen Versumpfung. Das Dilemma ist leider kaum aufzulösen. Selbst die „Sezession“ leidet noch immer unter Projektionen, wie der aktuelle Kommentarstrang zu Sellners Text zeigt. Interessanterweise beanspruchen die am meisten Projizierenden, das Projekt verstanden zu haben. In Schnellroda scheint man sich dessen wenigstens bewußt zu sein, weshalb man immer wieder mal die Projekte, die Grundausrichtung ändert. Ich glaube, solche Stellungswechsel sind enorm wichtig im Kampf gegen falsche Vereinnahmungen. Wenn diese Wachsamkeit nachläßt, dann laufen sich solche Sachen schnell tot und sind auch für den politischen Gegner weniger gefährlich.

      Wie man hört, will Krall noch eine „neue“ Projektionsfläche schaffen. Wenn das Schule macht, haben wir bald italienische oder dänische Verhältnisse.

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      • Pérégrinateur schreibt:

        Wenn nun sogar im politischen Mainstream dem PEGIDA-Programm sehr ähnliche Forderungen geäußert werden, wird wohl mancher den kontaktschuldvermeidenden Distanzierungszwang etwas weniger ernst nehmen als bisher. Also wird es auch weniger Bedarf an Ich-bin-doch-kein-solcher-Neugründungen geben.

        Bezeichnend ist allerdings der Anlass des Umschwungs. Israel wurde ein Tort angetan, während die Hypotheken, die dem eigenen Land aufgelastet werden (etwa Kriminalitätslasten und viel wichtiger finanzielle sowie dank EDI dysfunktionale Schulen), anscheinend nicht für diesen zureichend waren und sind.

        Im übrigen geht mir die wieder mal umgehende betuliche Phrase vom „jüdischen Leben“, das man ermöglichen oder schützen müsse, zuverlässig auf die Nerven. Wieso nicht in gleicher Weise „agnostisches Leben“ oder „atheistisches Leben“ oder „hinduistisches Leben“ ? Die sie verwenden, fürchten offenbar die Verletzung der supponierten Tabuzone, wenn sie einfach nur „Jude“ sagten – ein Wort, an dem ja doch nichts Schlimmes ist. Diese Opportunisten werden überall ihr Fähnlein in den Wind hängen, wo die islamischen Wählerstimmen locken. Wie sagt doch Tartuffe so schön:

          « Le ciel de vrai défend certains contentements,»
          « Mais on trouve des accommodements.»

        ( Der Himmel verbietet wahrlich manche Befriedigungen, aber man findet dazu gütliche Kompromisse.)

        Jüngst von einem Freund gehört: „Der Islamismus gehört zu Deutschland.“ Ob unsere nicht nur in der Dämmerung flugunfähige Bundeseule wohl den Spruch übernehmen wird?

        Es tut mir leid, dass ich jüngst den Namen von Lichtmesz falsch geschrieben habe. Der Mann ist wirklich gut, und vor allem seinethalben schaue ich in Abständen auf die Site der Sezession.

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      • Amy schreibt:

        „Wenn man genau hinschaut, sieht man allerdings auch das Puppenhafte ihrer Auftritte. Mich erinnert sie immer mehr an eine Wachspuppe, vom Make-up zusammengehalten, eingefrorenes eindimensionales Dauerlächeln, die eine frühe Form von KI-basierter Sprechtechnik verschluckt hat und in immer neuen Variationen Sprechblasen aus den immer wieder neu zusammengesetzten Versatzstücken produziert. “

        Ich finde es bewundernswert, wenn ein Mensch die Spielregeln, auf die er keinen Einfluss hat, zur Kenntnis nimmt und sich danach richtend das Beste versucht daraus zu machen.

        Das komplette öffentliche Auftreten von Wagenknecht halte ich ebenso wie den vermeintlich egozentrischen Namen ihres Vereins für eine simple Einsicht in die Notwendigkeit, die Leute, resp. ihre pot. Wähler, dort abzuholen, wo sie sind.

        Dass dies am besten mit klaren und einfachen, sich stetig wiederholenden Botschaften geht, genauso wie mit einem einer Uniform gleichenden immer gleichen Äußeren oder der möglichst häufigen Nennung des unverwechselbaren Namens (zweifelsfreie Wiedererkennbarkeit, auch im entscheidenden Moment an der Wahlurne) etc… geht, mag man bedauern – es ändert aber nix daran, dass es so ist.

        Hut ab davor, dass sie in diesen sauren Apfel beisst (und zwar immer wieder); ich mag mir kaum vorstellen, wieviel Kraft das einen intelligenten Menschen kostet.

        Was letztendlich aber zählt, ist das, was bei rumkommt und da gab es imho schon wesentlich schlechtere Hoffnungsträger.

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        • Pérégrinateur schreibt:

          La Rochefoucauld über die Hoffnung:

          « L’espérance, toute trompeuse qu’elle soit, a du moins l’avantage de mener à la fin de la vie sur un chemain agréable.  »

          („Die Hoffnung. so trügerisch sie auch ist, hat zumindet den Vorteil, auf angenehmem Wege ans Lebensende zu führen.“ – Der subjonctif im Konzessivsatz ist dem grammatischen Zwange hinter « toute  » geschuldet und drückt deshalb wohl keinen gewollten Zweifel aus, deshalb in den Indikativ übersetzt.)

          Über Hoffnungsträger noch eine Anekdote um Napoleon. Er geht durch die Reihen seiner multinational zusammengesetzten Grande Armée und spricht dabei diesen und jenen persönlich an.
          ‒ „Soldat, wer bist du?“
          ‒ „Ich bin ein Pole.“
          ‒ „Was wünschst du dir?“
          ‒ „Ich wünsche mir ein freies Polen.“
          ‒ „Du wirst es bekommen!“
          Er geht zum Nächsten.
          ‒ „Und was wünschst du dir, Soldat?“
          ‒ „Ich möchte einen (https://de.wikipedia.org/wiki/Napol%C3%A9on_d%E2%80%99or)%5BNapoléon d’or]“ (Goldmünze mit Napoleons Konterfei)
          ‒ „Du wirst ihn bekommen!“

          Nach dem Auftritt unterhalten sich die beiden Soldaten und der Pole tadelt den seiner Ansicht nach zu niedrigen Wunsch seines Kameraden. Der antwortet:
          ‒ „Dein freies Polen, das wirst du nicht bekommen. Aber meine Münze – vielleicht bekomme ich sie ja.“

          Wieso spielen so viele Menschen bei Lotterien mit, obwohl das doch angesichts der unter 100 % liegenden Ausschüttungsquote und der gewöhnlich konkaven Nutzenfunktion ganz unvernünftig ist?  ― Sie bezahlen freudig dafür, in der Hoffnung leben zu können.

          Wer die „Hoffnungsträgerin“ Wagenknecht wählt, wird sich vermutlich wundern, wie schnell diese nach der Wahl, falls es reicht, mit den Ampelisten ins Bett gehen wird.

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