Was ist deutsche Kultur?

Eine Annäherung

Es ist sehr schwer, das in Kürze zu erklären! Es ist sogar unmöglich. Erstens, weil die Menge der Kulturbestandteile die Auffassungsgabe eines jeden Menschen übersteigt und zweitens, weil es auch einen Gefühlsaspekt, ganz und gar subjektiv – aber von Millionen im statistischen Durchschnitt und in diversen Schnittflächen geteilt – gibt, der sich der Mitteilung entzieht. Weiterlesen

Wie haßt man Deutschland richtig?

Alice Weidel hatte in ihrer fulminanten Bundestagsrede der Bundesregierung als Konklusion vorgeworfen, daß diese Deutschland hasse. Dies sei der tiefere Grund, weshalb die Ampel mit ihrer Politik Deutschland zugrunde richte.

Im rechten Medienspektrum wurde die Rede allgemein positiv aufgenommen: Es sei an der Zeit gewesen, den politischen Versagern endlich einmal die Leviten zu lesen, auch in diesem Ton.

Die linke Presse hingegen gibt sich als empört und dreht den Spieß um: Weiterlesen

Der Sieg des Totalen

Ganz kleine Anekdote. Wollte gerade einen Gedanken Márais übersetzen, ein Abschnitt, der mich ganz persönlich traf – denn ich kenne das darin beschriebene Erlebnis. Der Dichter zitiert einen Kindheitsmoment, den er als den glücklichsten seines Lebens beschreibt. Er betrat als zehnjähriger Knabe das dunkle, leere Schlafzimmer seiner Mutter und wird vom blauen Licht übermannt, das Möbel und Kacheln, den Schnee auf Straße und Dächern reflektierend, in den Raum werfen. Da überkam ihn ein großes Glücksgefühl, das er seither zu wiederholen versuchte, es aber nie wieder fand. Weiterlesen

Vom Torwart

Beim Fußballschauen in Ungarn kann man einiges lernen – über die deutsche Sprache. Natürlich nicht nur beim Fußball, sondern überall, wo man eine andere Sprache spricht oder hört – und besonders, wenn es eine ganz andere ist –, aber hier fiel es mir auf. Welche Kraft sie hat, die deutsche Sprache und welche versteckte innere Gewalt. Weiterlesen

Wie wir zu unserem Geld kommen

Vorsicht ist angebracht, man sollte wohl nicht allzuviel hineinlesen, aber die Tatsache, daß Sprachen das Problem des zu-Gelde-kommens verschieden lösen, ist nicht uninteressant. Das beginnt schon bei der Frage, warum gerade dieses vitale Interesse so divers ausgedrückt wird. Weiterlesen

Authentische DDR-Literatur

Seit drei Jahrzehnten geht der Ruf nach einem authentischen DDR-Roman. Dabei gibt es diese Bücher schon längst, man darf sie nur nicht außerhalb, aus der historischen Distanz herbeirufen, sondern müßte sich endlich ernsthaft der DDR-Literatur der 60er bis 80er Jahre widmen. Weiterlesen

Nationalfeiertag in Ungarn

Sándor Petőfi und das Nationallied

Er war der erste, der in den einfachen Menschen das Bewußtsein weckte, was es eigentlich bedeute, ein Volk zu sein. Was das Wort „Heimat“ bedeute. Und damit verbunden, das Wort „Freiheit“. Denn er konnte beide nicht voneinander trennen.  László F. Földényi

Schon Tage zuvor tauchen sie auf, die Nationalkokarden in den ungarischen Landesfarben. Zuerst auf den Märkten, dann in den Auslagen und Schaufenstern und schließlich an den Revers, Schals und Kragen der Menschen. Bald ist der 15. März, der Nationalfeiertag.

Ungarn hat mehrere davon, doch die Erinnerung an die Revolution von 1848 sitzt am tiefsten, auch wenn sie von allen Regimes und Regierungen immer wieder instrumentalisiert und umgedeutet wurde. Eine Umfrage Ende der 90er Jahre sah den 15. März mit mehr als 50% Zustimmung weit in Front, immerhin wollten viele noch den 20. August, den Sankt-Stephans-Tag als bedeutsamstes Ereignis sehen, aber nur 4% werteten den 23. Oktober hoch, der Tag, an dem 1956 der Ungarische Aufstand losbrach[1]. Weiterlesen

Der letzte Text – Blutbuch

1961 veröffentlichte Umberto Eco „Das offene Kunstwerk“[1], in dem er „das Akzeptieren des Unbestimmten und eine Ablehnung der einsinnigen Kausalität“ propagierte, 1967 schrieb Foucault in „Raymond Roussel“[2] über Sprache und Bilder, „die zugleich aussprechen und verbergen“ sollten, und erläuterte deren Mechanismen. Deleuze hatte schon Jahre zuvor die Art seines philosophischen Denkens „als eine Art Arschfick“, mit „Gleitbewegungen, Brüchen, geheimen Absonderungen“ beschrieben[3], später das „Es“ als etwas, das „funktioniert“, „es scheißt , es fickt“[4]. Weiterlesen

Das sprachliche Negativ

All unsere Aufmerksamkeit gilt den bewußten Tätigkeiten. Das, was wir tun, was wir denken, was wir beabsichtigen. Der Fokus liegt auf der Präsenz. So erscheint unser Alltag in einer Kontinuität, die er nicht hat, schaut man sich – wie in der Photographie – sein Negativ an. Weiterlesen

„Blutbuch“ von Kim de l‘Horizon

Es könnte alles so einfach sein. Da hat ein seltsamer Mensch, ein Mann, der sich als „Nonbinär“ definiert, ein Buch geschrieben und die Jury läßt ihn damit – ganz zeitgeistkonform und natürlich politisch motiviert – den renommierten „Deutschen Buchpreis“ gewinnen. Das bizarre Wesen, in billigen Flitter gekleidet, geschminkt und mit Schnauzbart hält eine alberne Rede, singt mit dünnem Stimmchen ein peinliches Lied auf offener Bühne und holt zum Schluß einen Rasierapparat hervor, um sich die Haare zu scheren – als Zeichen seiner Solidarität mit irgendwem. Es selbst, dieses Wesen, räumt ein, daß die Preisrichter wohl „ein politisches Zeichen“ setzen wollten, seine Redebeiträge strahlen eine umfassende Mittelmäßigkeit aus, selten entläßt sein Mund einen Gedanken von Bedeutung … das alles macht uns das Urteil leicht. Weiterlesen

Baños: So beherrscht man die Welt

 Rezension von: Pedro Baños: So beherrscht man die Welt. Heyne 2019
Es gab in den letzten Wochen ein verstärktes Interesse für Baños‘ Buch. Woher es kommt, darüber kann ich nur spekulieren. Vielleicht war Erik Lehnerts Vortrag zur Geopolitik der Auslöser oder sein entsprechender Beitrag in der „Sezession“ Heft 110. Dort findet sich auch eine sehr kurze Vorstellung des Buches. Aufgrund des Interesses stelle ich meine sehr ausführliche Rezension des Werkes erneut ein. Sie entstand vor drei Jahren und ist noch immer weit und breit die umfassendste und neutralste. Das Buch ist auf dem deutschen Markt weiterhin „verschwunden“, das spanische Original, eine italienische oder polnische Übersetzung kann man erwerben.
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Dank des Angebotes des „Antaios”-Verlages und meines schnellen Entschlusses, kam ich in die Lage, jenes Buch lesen zu können, das den meisten Menschen in diesem Land verwehrt bleiben wird, weil ein Journalist – Alan Posener – dieses Buch als antisemitisch bezeichnete. Daraufhin nahm der namhafte Heyne-Verlag es aus dem Programm und ihm folgten in einer seltsam konzertierten Aktion alle – alle! – kommerziellen Anbieter auf dem Fuß. Ich versprach daraufhin, das Buch hier öffentlich zu besprechen.

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Das ist Fortschritt!

Während ich durch einen alten Band der Kant-Studien (Band XXIX, Heft 1/2) blättere, fällt mir eine kurze Bekanntmachung auf.

Wir befinden uns im Jahr 1924. Diese seinerzeit sehr verbreitete „Philosophische Zeitschrift“, begründet von Hans Vaihinger, bringt auf über 300 Seiten Abhandlungen zu Kant und die Psychologie, Kant und die Religion, die reine Rechtslehre, die deutsche Kultur, das Eherecht oder Kant als Naturwissenschaftler. Kant von vorn bis hinten und manch prominenter Name, wie Nicolai Hartmann oder Max Dessoir, arbeitet sich vor weitem Publikum an Kant ab. Weiterlesen

Der Polnisch-Deutsche Krieg

Polen hat uns mit seiner unsinnigen Reparationsforderung von 1,3 Billionen Euro offiziell den Krieg erklärt – dieser Satz stimmt natürlich nur unter der Annahme, daß es so etwas wie die Position Polens gibt; tatsächlich haben wir es mit Meinungen einzelner Politiker zu tun. (siehe dazu: Nationale Interessen)

Überhaupt geht die polnische Regierung zunehmend auf Konfrontationskurs mit seinem einst mächtigen Nachbarn. Das allein ist ein Hinweis darauf, wie man Deutschlands Stärke einschätzt. Weiterlesen

Die Sache mit der Liebe

Schon als Kind fremdelte ich mit Konventionen. Mein Vater hielt uns Kinder an, immer schön „Guten Tag“ zu wünschen, wenn man jemanden traf. Mehr noch: das „Guten Tag“ war ihm nicht genug, man mußte auch noch den Namen dazu sagen: „Guten Tag, Herr Döhler“, Guten Tag, Frau Nürnberger“. Dabei durften auch die Hände nicht in der Hosentasche stecken – es war ein Graus. Umso mehr, als es sich bei einer Person um einen gefürchteten Russisch-Lehrer handelte, der auch schon meinen Vater unterrichtet und ihm wohl von daher diese Ehrfurcht eingeimpft hatte. Der Mann war gefürchtet wie kaum einer – allerdings war er auch der einzige Russisch-Lehrer in der Stadt, bei dem die meisten Schüler tatsächlich Russisch lernten, wenn auch aus falschen Motiven: aus Angst. Ich gehörte nicht zu diesen – was ich heute bedauere. Weiterlesen

Der Verlust des Dialektes

Heutzutage gilt man als Dialektsprecher schnell als dumm und ungebildet, auch in Abhängigkeit des Dialektes. Alles, was Sächsisch klingt, steht unter diesem Vorbehalt, der Berliner mag noch pfiffig klingen, der Kölner wohlgelaunt und der Bayer direkt. Im Grunde genommen hören wir aber kaum noch Dialekt, sondern fast nur noch Akzente, aber auch die gelten als dubios, zumindest in der Öffentlichkeit. Weiterlesen

Wer stiftet, was bleibet?

Vom ungarischen Revolutionär und Politiker Gyula Andrássi (1823-1890) geht folgende Legende um: Auf einem Herrenabend wurde er von einem Magnaten nach seiner seltsamen und gänzlich unstandesgemäßen Freundschaft zum Maler Mihály Munkácsy (1844-1900) befragt, über die man in den höheren Kreisen die Nase rümpfte. Darauf fragte Andrássi den Magnaten, ob er denn den Außenminister zu Rafaels Zeiten kenne, worauf dieser überrascht antwortete: „Woher soll ich das wissen?“ – „Sehen Sie“, kam die Riposte, aber wer Rafael war, das wissen Sie doch sicherlich?“

So war das in den alten Zeiten.

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Heimo Schwilks weiches Herz

Tagebuchveröffentlichungen müssen sich rechtfertigen: der Verfasser sollte historisches Gewicht mitbringen, von Bedeutung sein und die von ihm notierten Ereignisse und Gedanken sollten selbstredend erzählens- und erhaltenswert sein.

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Das Phänomen Zeller

Ein Phänomen ist im Alltagsgebrauch zweierlei: eine Ausnahmeerscheinung und ein Rätsel – und in diesem Verständnis ist Bernd Zellers karikaturistische Arbeit ein Phänomen!

Wie es funktioniert, was sein „Trick“ ist, darüber sinne ich seit Jahren nach und habe noch keine Antwort gefunden, die sein Schaffen begrifflich festnageln könnte. Am Grunde seines Wesens – so eine Arbeitshypothese – ist er gar kein Karikaturist, sondern ein begnadeter Aphoristiker, der zudem die seltene Gabe besitzt, den satirischen Zeichenstift punktgenau zu setzen.

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Die Welt nach Harry Potter

Ich traue meinen Ohren nicht – im ungarischen Oppositionsradio gibt’s ein langes Feature zu Harry Potter und seinen Verfilmungen. Das kann nur eines bedeuten: der Ungeist weht noch immer. Hier mein Bannspruch, ausgesprochen vor über 20 Jahren, hier auch schon mal präsentiert, aber noch immer gültig und offensichtlich notwendig.

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Sexualität und Wahrheit

Mal wieder der Zufall.

In einer Tageszeitung lese ich eine Hommage an Elfriede Jelinek – Nobelpreisträgerin! Sie ist klammheimlich 75 Jahre alt geworden.

Gleichentags die Nachricht, daß eine Antje Rávik Strubel – das „Rávik“ ist eine Art Blackfacing oder Migrationssimulation oder was weiß ich, jedenfalls ein Künstlername – den Deutschen Buchpreis gewonnen hat und zwar mit einem Roman – laut Verlagstext –, der von einer jungen Tschechin handelt, die sich in die Ferne sehnt, nach Berlin geht, ein sexuelles Gewalterlebnis hat, sich in einen Plattenbau zurückzieht, dann nach Helsinki zieht, dort einen estnischen Professor kennenlernt, der Abgeordneter der EU ist, sich in sie verliebt und sich für Menschenrechte stark macht, während sie einen Ausweg aus ihrem inneren Exil sucht, verursacht durch die Vergewaltigung.

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