Seit drei Jahrzehnten geht der Ruf nach einem authentischen DDR-Roman. Dabei gibt es diese Bücher schon längst, man darf sie nur nicht außerhalb, aus der historischen Distanz herbeirufen, sondern müßte sich endlich ernsthaft der DDR-Literatur der 60er bis 80er Jahre widmen. Weiterlesen
Nation
Nationalfeiertag in Ungarn
Sándor Petőfi und das Nationallied
Er war der erste, der in den einfachen Menschen das Bewußtsein weckte, was es eigentlich bedeute, ein Volk zu sein. Was das Wort „Heimat“ bedeute. Und damit verbunden, das Wort „Freiheit“. Denn er konnte beide nicht voneinander trennen. László F. Földényi
Schon Tage zuvor tauchen sie auf, die Nationalkokarden in den ungarischen Landesfarben. Zuerst auf den Märkten, dann in den Auslagen und Schaufenstern und schließlich an den Revers, Schals und Kragen der Menschen. Bald ist der 15. März, der Nationalfeiertag.
Ungarn hat mehrere davon, doch die Erinnerung an die Revolution von 1848 sitzt am tiefsten, auch wenn sie von allen Regimes und Regierungen immer wieder instrumentalisiert und umgedeutet wurde. Eine Umfrage Ende der 90er Jahre sah den 15. März mit mehr als 50% Zustimmung weit in Front, immerhin wollten viele noch den 20. August, den Sankt-Stephans-Tag als bedeutsamstes Ereignis sehen, aber nur 4% werteten den 23. Oktober hoch, der Tag, an dem 1956 der Ungarische Aufstand losbrach[1]. Weiterlesen
Lob des Nationalismus
Als Viktor Orbán in seinem großen Interview in der „Budapester Zeitung“ nach Lektüretipps gefragt wurde, da fiel ihm zuerst Yoram Hazony ein. Dann berichtet er sogar von persönlichen Gesprächen mit dem israelischen Philosophen und Bibelwissenschaftler, die ihn sehr beeindruckt haben. Gleich zwei Bücher empfiehlt er dem Leser – „Nationalismus als Tugend“ wird hier deswegen ausgewählt, weil es seit zwei Jahren eine sehr gut lesbare deutsche Übersetzung gibt. Weiterlesen
Orbáns Leseliste – Nationale Interessen
In seinem sehr lesenswerten großen Interview mit der “Budapester Zeitung” hatte Viktor Orbán auch einige Lesetipps verteilt, Bücher benannt, die ihn beeindruckt und beeinflußt haben. Der Zufall will es, daß ich die meisten davon im Hause habe. Es kann keine schlechte Idee sein, Orbáns Hinweis zu folgen, die Bücher zu lesen und vielleicht gelingt es uns dadurch sogar, seinem Denken, seiner politischen Grundüberzeugung näher zu kommen.
Heute: Klaus von Dohnanyi: Nationale Interessen
Mein Kriegstagebuch X
… Dieser Krieg ist auch deshalb verwirrend, weil seine Opferbilanz so wenig paritätisch zu sein scheint – zumindest wenn man unserer Presse folgt. Dort werden wir jeden Tag mit Zahlen toter russischer Soldaten versorgt, umgekehrt sterben Ukrainer offensichtlich nur, wenn sie Zivilisten sind. Es mutet daher fast magisch an, schwer umkämpfte Städte und Ortschaften, die vielen Russen zur Todesstatt werden, dennoch von diesen erobert zu sehen. Das müssen die hunderttausenden Rekruten und Neumobilisierten sein, die das Land ununterbrochen als Kanonenfutter an die Front wirft. Allein die Menge machts offenbar. Ausnahmen bilden nur die Söldner der Wagner-Gruppe, die zwar fast nur aus Kriminellen und aus dem Knast Entlassenen besteht, dennoch aber militärisch gut ausgebildet und natürlich unglaublich brutal ist. Weiterlesen
Ungarische Rock-Kultur
Seit fünf Jahren höre ich nun fast nur noch ungarische Musik, in erster Linie Rockmusik. Auch dort hauptsächlich die Klassiker, also jene Gruppen, die vornehmlich in den 70er oder 80er Jahren ihren Kultstatus begründeten. Es gab – der DDR vergleichbar – im Sozialismus eine vielfältige Musikszene, sehr ausdifferenziert und oft mit den künstlerischen Mitteln subtil und subversiv arbeitend. Das geht vom Schlager über den Rock und Hard Rock bis hin zum Heavy Metal. Nur sehr wenig davon drang zu uns – Omega etwa –, aber heute weiß ich, daß die ungarische Szene qualitativ noch besser war als die ostdeutsche. Vor allem die Zahl der gut ausgebildeten Musiker scheint mir hier höher zu sein, allein das Angebot an herausragenden Sängern ist phänomenal. Weiterlesen
Russen und Ukrainer
Zwei Fragen zuvor: Darf man aus verschiedenen Nationalliteraturen auf so etwas wie einen „Volkscharakter“ schließen? Und darf man über etwas schreiben, von dem man eigentlich keine Ahnung hat? Beide Fragen werden hier mit „ja“ beantwortet, nicht weil die Antwort als unbedingt richtig angesehen wird, sondern nur, weil ich sonst diesen Text nicht schreiben dürfte.
Nationale Interessen
Was bedeutet es eigentlich, wenn wir von nationalen oder geostrategischen Interessen sprechen, die wir einzelnen Ländern oder Verbünden zuerkennen? So liege es etwa im geopolitischen Interesse Rußlands, eine Pufferzone zu den NATO-Grenzen zu haben, oder im nationalen Interesse der Ukraine, der EU anzugehören usw.
Mein Kriegstagebuch II
Endsieg: Biden will „vernichtende Sanktionen“, Baerbock will Sanktionen, die „Rußland ruinieren“ … es ist exakt diese Rhetorik, die den Konflikt anheizt. Sie zeigt das wahre Ansinnen des „freien Westens“: die Ausschaltung Rußlands als globale Macht. Das ist seit eh und je amerikanische Staatsdoktrin – die Deutschen sind nur belanglose Vasallen in diesem Spiel. Putin war dumm genug – so zumindest nehme ich das wahr –, den Amis nun den Vorwand zu geben, wenn schon Rußland nicht in die Steinzeit zu bomben, so es doch dahin zu sanktionieren. Psychologisch ist der Versuch, sich aus dem sich immer enger schließenden Schlangengriff zu befreien, durchaus verständlich, offensichtlich aber führte die – eingebildete? – Luftnot zu irrationalen Entscheidungen, die den Griff letztlich verstärken könnten. Es könnte nun sogar ein Regimechange in Moskau zur Debatte stehen. Damit hätte sich der Regimechange in der Ukraine hundertfach bezahlt gemacht. Selenykyj sprach in seiner Mutrede auch vom Mut, in Gesprächen mit Rußland über die Neutralität der Ukraine zu verhandeln – ein klares Signal des Eingeständnisses, das vermutlich Grund der jetzigen Verhandlungen ist –, der Westen hingegen denkt offen über EU- und NATO-Mitgliedschaft nach: ein sicheres Rezept für Konfrontation – solange das Putin-Lager an der Macht ist. Erst mit einem Regimechange wäre Rußland gefügig zu bekommen. Bis dahin jedoch müßte noch manche Abschußrampe unschädlich gemacht werden. Wie dem auch sei: offen ausgesprochene Vernichtungsphantasien können schwerlich hilfreich sein!
Die Arroganz des Westens
Was ich im Folgenden sage, sage ich ohne Autorität und ohne tiefere Kenntnis der komplexen Zusammenhänge und ganz ausdrücklich nur auf der Spitze meines Nicht-Wissens – als Meinung, die man gern ignorieren kann.
Als Joe Biden zum Präsident gewählt worden war, da unkten einige Kommentatoren, daß man nun in kürzester Zeit mit Krieg rechnen könne. Sie sollten Recht behalten. Die Feststellung mag absurd erscheinen, denn immerhin sind nicht die Amerikaner die Aggressoren, sondern die Russen. So zumindest lesen wir es an allen Fronten und man müßte schon Arabisch beherrschen, Russisch oder Chinesisch, um etwas anderes lesen zu können. Dennoch ist die hypothetische Frage berechtigt: Hätte es zur jetzigen Eskalation kommen können, wenn Trump – der Vielgescholtene – eine zweite Regierungsperiode bekommen hätte? Man darf die Frage im vermutenden Gestus wohl mit „Nein“ beantworten und Trump selbst stellte diese These in „wirren Worten“ auf.
Denkanstöße – Sloterdijk VII
Wenn wir im folgenden von „Gesellschaft“ sprechen, bezeichnet der Ausdruck weder (wie im virulenten Nationalismus) einen monosphärischen Behälter, der eine abzählbare Population von Individuen und Familien unter einem politischen Wesensnamen oder einem konstitutiven Phantasma einschließt, noch (wie für manche Systemtheoretiker) einen unräumlichen Kommunikationsprozeß, der sich in Subsysteme „ausdifferenziert“.
Das Neue des Alten
„Ja, so geht es in der Welt. Kaum sieht es hell aus, da wird es wieder dunkel. Wir müssen nur dem Unseren treu bleiben, so wird es zu guter Letzt doch alles gut.“ Pastor Castbierg
Um Niemandes Zeit zu verschwenden, sage ich gleich vorweg: nachfolgend werde ich einen Roman, einen bedeutenden und hochaktuellen Klassiker besprechen, den es weder auf Deutsch noch auf Englisch zu lesen gibt – bisher!
Die Rede ist von Jakob Knudsens „Den gamle præst“ (Der alte Priester), ein Buch, das 1899 erschien und Knudsens Durchbruch in der dänischen Literatur brachte. Allerdings fast gänzlich aus Mißverständnis. Skandal schrien die Klerikalen und Jubel bekam Knudsen aus freidenkerischer und progressistischer Ecke. Gemeint war alles umgekehrt.
Dänemark ist Europameister!
Seit 1992 träumen die Dänen davon, daß sich der nationale Wunschtraum noch einmal wiederholen könnte. Damals hatte eine Nachrückmannschaft, die noch nicht mal zur EM qualifiziert war, aber durch die Sanktion gegen Jugoslawien, ohne spezielle Vorbereitung, ins Turnier einsteigen konnte, sensationell den Titel geholt – man gewann im Finale gegen Deutschland. Die Namen der Spieler sind noch heute Legende.
Pál Telekis historische Tat
„At the Conference table we shall place a chair for Count Paul Teleki. That empty chair will remind all who are there that the Hungarian nation had a Prime Minister who sacrificed himself for that very truth for which we too are fighting.“ Churchill
Vielleicht kann man Geschichte mit einem beweglichen Knoten vergleichen, der sich anhand des Zeitstrahls fortbewegt, in sich verschiedene Stränge vereint und immer neue aufnimmt, aber auch jederzeit geöffnet werden kann. Jeder historische Augenblick vereint dialektisch alle drei Elemente – Verstrickung, Bewegung, Lösung – in sich, aber es gibt Zeitpunkte, in denen ein Element für das Auge des historischen Betrachters dominant und sichtbar wird. Dort kann man viel über Geschichte lernen, über den Kairos und die Folgen, wenn er verpaßt wird, aber selbstverständlich auch über die Unmöglichkeit Geschichte im je eigenen Sinne erfolgreich schreiben zu können.
Warum Sachsen?
Warum der Osten?
„Die Identität von Subjekten läßt sich also deswegen vollständig nur über deren Geschichten vergegenwärtigen, weil diese Identität in ihrer synchronen Präsenz stets mehr enthält als das, was aus gegenwärtigen Bedingungen verständlich gemacht werden könnte. Anders formuliert: das, was einer ist, verdankt sich nicht der Persistenz seines Willens, es zu sein. Identität ist kein Handlungsresultat. Sie ist das Resultat einer Geschichte, das heißt der Selbsterhaltung und Entwicklung eines Subjekts unter Bedingungen, die sich zur Raison seines jeweiligen Willens zufällig verhalten. Eben deswegen ist das Subjekt im Verhältnis zu der Geschichte, durch die es seine Identität hat, auch nicht deren Handlungssubjekt, sondern lediglich das Referenzsubjekt der Erzählung dieser Geschichte.“ Hermann Lübbe
Warum der Osten? – Das ist eine Frage jener Art, von der Hermann Lübbe nachwies, daß „sie sich nur historisch erklären” lasse. Weil sich in ihr ein Relikt verbirgt, ein scheinbar funktionsloses Überbleibsel, ein Rest aus einer vergangenen Zeit, den das Wort „Widerstand“ recht gut trifft. Denn ernsthafter politischer Widerstand ist eine Seltenheit und eine Sünde in Deutschland geworden.
Sloterdijk Backstage
Fortsetzung von: Sloterdijk und die Berliner PC-Welt
Nach jeder der drei Gesprächsrunden über die Begriffstrias „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ im November 2018 am Berliner „Volkstheater“, gab es die Gelegenheit, aus dem Publikum heraus Fragen zu stellen. Sloterdijk machte aber keinen Hehl daraus, daß er diesen Teil der Veranstaltung gern kurz gehalten haben möchte. Die Uhr ging auf zehn, in der ersten Reihe saßen Freunde und Bekannte, z.T. Berliner Kunstgrößen, man wollte vermutlich noch irgendwo essen gehen …
Sloterdijk und die Berliner PC-Welt
Man braucht sich nur drei jüngere Ereignisse ins Gedächtnis rufen, um zu verstehen, warum die namhaftesten Denker sehr vorsichtig geworden sind:
Alain Finkielkraut: Ich kann die Nase nicht mehr herausstrecken
Roger Scruton: Anatomy of a modern hit job
Susanne Schröter: Die Kopftuchdiskussion gehört an die Universität
Petőfi und die permanente Revolution
PDF: Petőfi und die permanente Rvolution
Am 31. Juli 1849 fiel Ungarns Nationaldichter Sándor Petőfi in der Schlacht von Segesvár. Das wird gemeinhin als ein trauriges Ereignis rezipiert, tatsächlich aber könnte es ein großes historisches Glück für beide gewesen sein: für Ungarn und für den Dichter.
Trump – im höheren Sinne
Flüchtige Gedanken zur US-Wahl – hingerotzt
Als Trump vor vier Jahren sein Amt angetreten hatte, da malten die Medien nahezu unisono ein Weltuntergangsszenario an die Wand, entwarfen eine quasi-faschistische Diktatur und zeichneten den US-Präsidenten als einen neuen Hitler, einen Mörder und Kopfabschneider. Tatsache hingegen ist – neben seinen innenpolitischen Erfolgen –, daß Trump der erste US-Präsident seit vielen Legislaturperioden war, der keinen Krieg führte. Sieht man von jenem Missile-Strike im April 2017 ab, bei dem sieben syrische Soldaten ums Leben kamen, ist Trumps Weste komplett weiß – die unsäglichen Drohneneinsätze („gezielte Tötungen„) ebenfalls ausgeblendet. Rekordhalter in Fragen Kriegseinsätzen – auch das zur Erinnerung – war der Friedensnobelpreisträger Barack Obama.