Der Islamismus ist wieder da

„Zahlreiche Politiker des rechten Flügels hat man lange Zeit als Rassisten bezeichnet, weil sie behaupteten, daß die dänischen Islamisten die Fünfte Kolonne des Kalifats seien. Es war einfach, diese Behauptungen abzuschießen, denn was wußten die Leute schon, die außerhalb standen und von außen in ein Milieu schauten, das sie nicht kannten? Aber ich, der ich jahrelang im Zentrum dieser Welt gestanden habe, muß heute zugeben: Sie hatten recht.“ Ahmed Akkari

Die grausamen terroristischen Verbrechen von Paris,  Dresden und Nizza decken ein unter dem Corona-Mantel scheinbar vergessenes Phänomen auf, um dessen Erklärung nun vor allem die Linke kämpft. Sie müßte sich nur belesen …

Es gibt inzwischen dutzende Ausstiegsbücher, aber das vielleicht wichtigste wird dem deutschen Leser wohl nie bekannt werden. Ahmed Akkaris „Mein Abschied vom Islamismus“ zeichnet sich gleich mehrfach aus.

Akkari überragt die meisten seiner Schicksalsgenossen durch Intelligenz und Gelehrsamkeit, er war an der Spitze der islamistischen Bewegung und Hauptverantwortlicher für die größte Nachkriegskrise des kleinen Dänemark, seine Einsichten in das System des Islamismus sind daher exklusiv. Und seine Abkehr von der Ideologie ist ein seltenes Beispiel, daß auch die tolerante, weiche Auseinandersetzung der Demokratie mit den Fanatikern zu Erfolgen führen kann.

Vor allem aber führt er den Leser in seinem voluminösen Buch in eine erschreckende Parallelwelt, deren Existenz man sich kaum vorstellen mag. Ich jedenfalls saß gebannt und geschockt wie lange nicht mehr vor diesem Text!

Darin erzählt er sein Leben, erklärt, wie ein gut aufgenommener libanesischer Junge aus säkularer Familie sich radikalisieren und in den innersten Zirkel des Fanatismus eindringen konnte und er verdeutlicht uns im zweiten Teil die wahren Hintergründe der Katastrophe um die Mohammed-Karikaturen, die Dänemark und Europa verändert haben. Dieser Schock sitzt tief und ist noch längst nicht überwunden.

Trotz eines sicheren Elternhauses treibt ein gewisses metaphysisches Ungenügen den jungen Eleven in die Arme der Ålborger Moschee. Dort erfährt er Respekt, Zusammenhalt, Wärme,  Anerkennung. Sein Lerneifer wird schnell bemerkt und angefeuert. Allmählich eignet er sich islamisches Wissen an, es werden ihm erste Aufgaben und Predigten überantwortet, was das Selbstwertgefühl des jungen und kleinen Mannes ungemein steigert. Unter diesen Vorzeichen übersieht man schnell die internen Machtkämpfe oder die Divergenzen zwischen den verschiedenen islamistischen Schulen – Salafisten, Muslimbrüder, Djihadisten, Dawaer etc. Sogenannter Arabisch-Unterricht für Kinder wird zur religiösen Indoktrination genutzt. Gemeinnützige Ziele – Kultur- oder Sportvereine etwa – werden vorgeschützt, um die Behörden hinters Licht zu führen.

Akkari schätzt, daß etwa ein Viertel aller dänischen Muslime im Banne des Islamismus stehen. Am gesellschaftlichen Leben sind sie nicht interessiert, es sei denn, es geht um die Sozialhilfe oder die letzten „islamfeindlichen“ Äußerungen der Dansk Folkeparti. Alle TV-Schüsseln in den Vorstadt-Gettos sind gen Mekka gerichtet. Moderate und integrierte Muslime ließen sich in den Moscheen in Aarhus, Odense, Ålborg oder Kopenhagen nicht sehen. Die meist nur gering ausgebildeten Flüchtlinge und Einwanderer aus dem Nahen Osten, die einen großen Teil der Auditorien ausmachten, hatten „nie einen gesunden Sinn für Kritik ausgebildet und die Vielfältigkeit der Welt in den Schulen gelernt, und sie waren daher prädestiniert, mit einfachen Regeln, die keinerlei Zweifel über richtig und falsch ließen, zu leben.“

So wurde Akkari immer tiefer und in unmerklichen Schritten in die Gehirnwäsche hinein gesaugt und mußte zwangsläufig mit der dänischen Gesellschaft kollidieren. Doch die Dänen sind hypertolerant und vergeben ihm gleich zwei Mal. Nur so kann er seinen Spagat zwischen radikalem Prediger und Student bzw. Lehrer aufrecht erhalten und im Nachhinein, so konstatiert Akkari, hat ihm das das Leben gerettet. Hätte die dänische Gesellschaft mit einem Ausschluß reagiert, dann wäre er verloren gewesen, dann wäre er vollständig im Sumpf des Islamismus versunken. Nur dank der Bereitschaft der dänischen Menschen und Institutionen wissen wir heute, was hinter den Türen der Moscheen und der Wohnungen geschieht.

Dort schöpft man zum Beispiel alle finanziellen und juristischen Mittel des Sozial- und Rechtsstaates gnadenlos ab, lacht sich aber ins Fäustchen ob der Naivität. Führende Islamisten kommen wegen der kostenlosen medizinischen Behandlung selbst mit Familienmitgliedern in das Land, das sie als verkommen und dekadent bekämpfen. Es fließen Schwarzgelder. An den religiösen Freischulen, an denen Akkari als Lehrer arbeitete, die alle vom Staat finanziert werden, wird hart ideologisch gearbeitet und eine wunderbare Show aufgeführt, wenn ministerielle Kontrollen durchgeführt werden …

Kurz und schlecht – ich muß mich hier bescheiden – Akkari beschreibt en detail eine voll ausgebildete Parallelwelt mit all ihrer Infrastruktur und es wäre naiv zu glauben, dies sei nur ein dänisches Phänomen. In ihr herrscht weitgehend die Überzeugung, daß das Bestehlen und Betrügen von Ungläubigen legitim sei, daß man eine zivile Fassade zu wahren habe, hinter der die eigenen Interessen durchgesetzt werden können.

Diese Fassade brach kurzzeitig in der Mohammed-Krise zusammen und Akkari war an erster Stelle. Er war Teil jener Delegationen nach Ägypten und in den Nahen Osten, die durch Doppelspiel und Falschinformation „Dänemark in die Knie zwingen“, die den ganz großen Clash provozieren wollte. Hunderte Tote waren in der islamischen Welt bei inszenierten Massenprotesten zu beklagen, Ambassaden brannten, die dänische Wirtschaft wurde durch Boykotte empfindlich getroffen, tausende Arbeitsplätze gingen verloren, eine ganze Reihe von Menschen müssen seither unter permanentem Polizeischutz leben … Dänemark ist seitdem ein anderes Land und die „Dänische Volkspartei“ hätte es vielleicht nicht an die vorderste Front geschafft, wenn das skandinavische Land diesen Gewaltausbruch und den damit verbundenen Schock nicht hätte erleben müssen. Die Geschichte dieses Großereignisses muß nach Akkaris minutiösen Auflistungen neu geschrieben werden.

All dies zu erfahren, macht das Buch schon höchst bedeutsam. Wirklich ergreifend wird es, wenn man Akkaris Gründe für den Ausstieg versteht. Natürlich ist er abgestoßen von der Realität des radikalen Islam, der mit dem Ideal der Religion wenig zu tun hat, aber entscheidend ist der Umgang seiner zivilgesellschaftlichen Umgebung. Obwohl er dem Land unermeßlichen Schaden zugefügt hatte, begegnet man ihm immer wieder mit Offenheit, gewährt man ihm seine bürgerlichen Rechte, ja tritt sogar aktiv dafür ein. Akkari ist ein lebendes, wenn auch extrem seltenes Beispiel dafür, daß die urchristliche Botschaft des „Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Matthäus 5,39), funktionieren kann. Er ist auch ein Beweis dafür, daß Abneigung und Ausschluß in vielen Fällen wohl eher ein Beitrag zur Radikalisierung sind.

Die westlichen Gesellschaften haben demnach die schwere und schier unlösbare Aufgabe vor sich, dem Islam und dem Islamismus auf dem schmalen Grat zwischen Verteidigung des Eigenen und verständiger Akzeptanz des anderen zu begegnen. Gelingt dies nicht, wird der demographisch wachsende Islam unmerklich nach den wehrlosen Wirtsgesellschaften greifen oder sie aktiv und möglicherweise gewaltsam bekämpfen.

Ahmed Akkari lebt heute aus Sicherheitsgründen auf Grönland. Im Sommer machte er als Mitbegründer einer neuen Partei – der „Nyt Centrum-Venstre“ – auf sich aufmerksam, deren fünf Säulen die westlichen Freiheitswerte, die Sicherung der Wohlfahrtsgesellschaft, demokratische Reformen, grüne Umwandlung und globale Beziehungen lauten; sie lehnt religiöse Einflüsse in der Politik ab, gibt sich islamkritisch. Ob die Welt noch so eine Partei benötigt, sei dahingestellt; sein Buch sollte jedenfalls in alle Weltsprachen übersetzt und aufmerksam studiert werden.

Ahmed Akkari: Min afsked med islamismen. Muhammedkrisen, dobbeltspillet og kampen mod Danmark. Viborg 2016 (2014)

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