Authentische DDR-Literatur

Seit drei Jahrzehnten geht der Ruf nach einem authentischen DDR-Roman. Dabei gibt es diese Bücher schon längst, man darf sie nur nicht außerhalb, aus der historischen Distanz herbeirufen, sondern müßte sich endlich ernsthaft der DDR-Literatur der 60er bis 80er Jahre widmen.

Helmut Sakowskis „Daniel Druskat“ erregte Ende der 70er Aufsehen im Osten. Die Geschichte zweier antagonistischer Freunde, die bis in die späte NS-Zeit zurück ragt, umwoben von drei Liebesgeschichten, wurde damals viel gelesen und diskutiert. Sie ist auch heute noch lesenswert, wenn auch mit Abstrichen.

Sakowski liebte die theatralische Geste, das Drama, die Übertreibung. Das ist mit dickem Pinsel aufgetragen, kräftige Farben, verwischte Konturen. Die menschlichen Konflikte sind ehrlich herausgemeißelt, die gesellschaftlichen, wie es bei dieser Art Literatur üblich ist und erst im Nachhinein richtig deutlich wurde, oft mit gefälschten Farben gemalt. Die Figuren scheinen, dort wo sie gelungen sind, einem Willy-Sitte-Gemälde entsprungen, kräftige Weiber, harte Kerle, die pure Lust zu leben, lieben, saufen und zu – arbeiten.

Sakowski ist nicht zimperlich, den Konflikt herauszuarbeiten, mitunter wirkt der bäuerliche oder proletarische Elan übertrieben, ganz und gar nicht realistisch. Es soll die revolutionäre Energie verdeutlichen, die für den heutigen Leser kaum noch verständlich sein dürfte. Er braucht diese Schubkraft um auch das Subversive unterbringen zu können, etwa die Darstellung der ganzen Gewalt des Arbeiter- und Bauernstaates, der unerbittlich „mit der Arbeiterfaust dazwischen haut“: da werden auch Terrormethoden (wie man heute sagen würde) genutzt, um den Einzelbauern „freiwillig“ zu „überzeugen“ in die LPG einzutreten.

Man darf auch nicht übersehen, daß in der Mitte des Buches der tiefgründige Todesdialog des Druskat mit der alten, aus einer anderen Welt stammenden Anna steht – die existentielle Frage, in deren Angesicht sich auch der Sozialismus relativiert – im unmittelbaren Kontrast (oder soll es Übereinstimmung sein?) zu Gomollas, des Parteisekretärs krypto-christlicher Bergpredigt: „Unsere Welt hat andere Regeln!: Denk immer an den anderen, laß keinen allein, hilf jemandem, wenn er dich braucht, übe Solidarität, nimm Partei, nimm Partei, sag ich, und begreife eins: Gemeinsam erkämpft es sich leichter und besser, das Glück.“

Richtig, das ist kantig, eckig und soll zum Sich-Reiben anregen, nicht zu vergleichen mit der aalglatten und nichts sagenden Literatur heutiger Literatursternchen. An plakativen Aussagen, wie diesen: „… was die Leute Bauerntum nannten, beinahe mystischer Begriff, hinter dem sich Klasseninteresse verbarg…“ sollte man sich stoßen und kann es auch heute noch.

Sakowski, Helmut "Daniel Druskat" - UZ-Shop

Diese Romane haben mehr als ein faktisch-historisches Interesse, sie sind mentalgeschichtliche Meisterwerke; wer das Psychodrama DDR verstehen will, der kommt an ihnen nicht vorbei. Es sind die verlorenen gegangenen Gesten („Er dachte, komisch, alle Frauen fahren sich vorm Niedersetzen erst noch mal mit beiden Händen über den Hintern, wenn sie was Feines anhaben“), die ernstzunehmenden Utopien („Verlaß dich drauf, der Sozialismus beseitigt die Ungerechtigkeit“), der alltägliche Sprachhaushalt, die verinnerlichten Phrasen („Die Wahrheit, mein Lieber, die Wahrheit erkennt man bloß im Widerstreit der Meinungen“), oder eben auch die aufgesetzten Phrasen, die auch damals schon nicht stimmten und nur unter Ironieverdacht erträglich werden („Du hast das Schlimmste getan, was sich denken läßt, du hast das Vertrauen der Genossen mißbraucht.“), die den Wert der Bücher von Sakowski, Neutsch, Kant, Görlich, Noll, Strittmatter etc. ausmachen.

Das Buch wurde von der DEFA aufwendig in fünf Teilen verfilmt.

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