Das Phänomen Zeller

Ein Phänomen ist im Alltagsgebrauch zweierlei: eine Ausnahmeerscheinung und ein Rätsel – und in diesem Verständnis ist Bernd Zellers karikaturistische Arbeit ein Phänomen!

Wie es funktioniert, was sein „Trick“ ist, darüber sinne ich seit Jahren nach und habe noch keine Antwort gefunden, die sein Schaffen begrifflich festnageln könnte. Am Grunde seines Wesens – so eine Arbeitshypothese – ist er gar kein Karikaturist, sondern ein begnadeter Aphoristiker, der zudem die seltene Gabe besitzt, den satirischen Zeichenstift punktgenau zu setzen.

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Die abgebildeten Szenen sind sehr oft banal, Szenen des Alltags, allgegenwärtig, jederzeit tatsächlich möglich, Begegnungen, wie sie allerorten stattfinden, selten eine Ausnahmesituation. Sie könnten sogar langweilig genannt werden, aber durch die punch line werden es plötzlich scharfe Geschosse und die besten unter ihnen sind nicht nur Unterhaltung und Spaß, sondern sie treffen ins Herz. Ins Herz unserer Welt. Mit Zeller blitzt immer wieder die Absurdität des gesellschaftlichen, des politischen Seins auf!

Soeben ist sein neuer Band „Furcht und Elend des Grünen Reiches“ erschienen, der Titel eine provokante Reminiszenz an Brecht.

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Grün gesprenkelt ist nicht nur die neue Regierung, grün ist vor allem der Zeitgeist – wer ihn kritisiert oder gar lächerlich macht, steht per se gegen den Mainstream. Dennoch ist es ein Unterschied, ob man dagegen motzt oder ob man ihn mit feiner Ironie subversiv unterwandert. Zellers Striche und Aperçus sind Nadelstiche, die zugleich schmerzen und heilen. Sie finden mit hoher Sicherheit die Wunden, an denen operiert werden muß, aber indem sie zum Lachen verführen, ja zwingen, haben sie ein kurierendes Element.

Sein Witz ist dabei selten plump. So verschroben, dialektisch, hintergründig sind seine Pointen, daß der Betrachter oft stutzt, mehrfach lesen muß, vielleicht auch manchmal gar nicht gleich begreift, aber zumeist doch irgendwann den Gag versteht und vor allem dessen abgründige Tiefe. Zeller schafft es auf geheimnisvolle Weise, unsere Gedanken kurzzuschließen und aus den gewohnten Denkbahnen zu führen und wenn dann der Groschen fällt, dann kann es nur ein inneres Aha geben, ein Schmunzeln, ein Lächeln, ein lautes Lachen … und ein Wundern über so viel intelligente Verdrehtheit. Scheinbar absurde Sequenzen entpuppen sich als tiefsinnige blitzartige Analysen des realen Absurden.

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So kommt es, daß man Zeller nicht schaut, sondern liest wie einen Gedichtband. Zwei, drei am Tag, dann weglegen, wieder lesen, neu entdecken, verinnerlichen …

Zeller als Buch ist also ein Schatz. Wahre Schätze sollte man nicht nur für sich behalten. Ein besseres Geschenk über ideologische Grenzen hinweg, einen freundlicheren Eisbrecher, kann es kaum geben, es muß einer schon sehr verbiestert sein, wenn er bei diesem Blick in den Spiegel negativ reagiert.

Das betrifft den Schenkenden natürlich ebenso, denn man sollte nicht denken, daß dies ein Buch gegen die Grünen ist – nein, es gibt noch eine tiefere Ebene, eine, die selbst weh tun kann.[1]

Bernd Zeller: Furcht und Elend des Grünen Reiches. Solibri Verlag. Münster 2022. 104 Seiten. 20 Euro

siehe auch: Bernd Zeller – das Interview

[1] Aber der Kauf gebietet sich schon als Zeichen der Wertschätzung, denn klar, mit solcher Subtilität kommt man kaum an die dicken Töpfe.
Abbildungen mit freundlicher Genehmigung des © Solibri Verlages.

2 Gedanken zu “Das Phänomen Zeller

  1. Die Nummer 1317 – schon die Zahl würdigt den Meister – der „Zeller Zeitung “ ist mal wieder besonders gelungen, wie ich finde. Meinem inneren Schwur folgend, ihm jedes Mal drei Euro – auch diese Zahl kennzeichnet den Meister, sie könnte auch etwas höher sein – zu überweisen (was man praktischerweise auf der Seitenleiste mit zwei Klicks erledigen kann), wenn er mich zum lachen bringt, habe ich das soeben getan. Vielleicht teilt ja jemand meine Begeisterung und kommt auf ähnliche Ideen.

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  2. Michael B. schreibt:

    Die „Zeller Zeitung“ lese ich schon lange (allerdings nur sporadisch). Ich finde die Typen auf den Zeichnungen allein schon einen Genuss. Dieses fette, haessliche und geschmacklose Spiessertum der Jetztzeit ist immer gut getroffen!
    Interessant ist auch sein Blog als gewisser Gegensatz, was Sprachwitz betrifft. Da ist er ernst, manchmal dadurch sogar schwerfaellig in seinen Aeusserungen zu realen Themen. Fuer mich aber OK, eine Form von „authentisch“, wie man heute so gern sagt.

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