Die autoritäre Revolte

Vor einiger Zeit beschrieb Götz Kubitschek auf „Sezession im Netz“ in halbironischem Ton eine kleine peinliche Szene während einer Buchvorstellung, der er soeben beigewohnt hatte. Volker Weiß stellte sein neues Buch vor – „Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes“ –, das ihm sogleich sehr viel mediale Aufmerksamkeit bescherte – in der Regel natürlich positiv –, nebst der Nominierung zum prestigeträchtigen „Preis der Leipziger Buchmesse“. Das Buch erschien ausgerechnet im Klett-Cotta-Verlag, der u.a. die Werke Ernst Jüngers vertreibt.

Kubitschek, so berichtet er selbst, hatte für einen Moment die Contenance verloren und nach der Lesung die Konfrontation mit dem Autor gesucht. Immerhin war er ein wesentlicher Untersuchungsgegenstand des Buches, da kann man eine gewisse Aufgeregtheit sicher verstehen. Kubitschek sagte demnach zu Weiß „daß es schon toll wäre, wenn mal ein richtiger Gegner, ein echter Kopf einen fertigmachen würde, einer, der dicke Bretter bohren könne, wo man hinterher seine Hirnregionen einsammeln und sich verkrümeln muß. Aber nein, der Herr Weiß: Sperrholz, Balsaholz, das Zeug von früher, als man Segelflieger mit dem Küchenmesser aus den Brettchen schnitt, denen nach dem zweiten Schubser das Heckruder abbrach. Das habe ich zu ihm gesagt: daß er ein Dünnbrettbohrer sei.“  Er hielt die Lesung für „eine Plauderstunde“, in der via name droping Kompetenz gemimt werden sollte usw.

Weiß war mir bislang kein Begriff und plötzlich hebt so ein Autor ab, wird in der Leitpresse bejubelt und im alternativen Milieu beschimpft. Was steckt dahinter? Schnell stieß ich auf zwei Interviews mit dem Historiker, die mir recht vernünftig, schlicht und gut artikuliert erschienen. Das widersprach dem Bild, welches Kubitschek evozieren wollte und womit er nahezu eine Leseverweigerungsempfehlung aussprach.

Ich schrieb in diesem Sinne ein paar Zeilen im Forum zu besagtem Artikel – und mußte dann erfahren, daß man bei der „Sezession“ entschied, diese Meinung nicht zu bringen. So etwas nervt mich massiv – ganz gleich, aus welcher Ecke! Es blieb also nur ein Weg: Das Buch mußte gelesen werden. Selberlesen macht klug.

Und nun bin ich hin und her gerissen. Weiß‘ Arbeit hat durchaus einige Stärken, besonders für Leser, die die Materie noch nicht kennen. Es ist passagenweise informativ und klärt auf, sowohl über historische Hintergründe und Entwicklungen, als auch über einige Zentralkategorien des konservativen Diskurses wie „Metapolitik“, „kulturelle Hegemonie“, „Reich“, „Abendland“. Andererseits überhöht es Begriffe, wie etwa „Herzland“, denen er Bedeutungen zuspricht, die sie – soweit ich sehe – gar nicht haben. Auch wird in die Gedanken- und Begriffswelt einiger konservativer Klassiker eingeführt, Carl Schmitt etwa oder Armin Mohler.

Schließlich – und hier wird das Buch auch für die Rechte selbst interessant – gelingt es ihm, ein paar inhärente Widersprüche aufzuzeigen, die sich etwa aus dem Antiamerikanismus, der angenommenen strukturellen Islamähnlichkeit, der Nutzung massenkultureller Methoden ergeben oder prinzipiell aus dem Konflikt „moderner Agitationsformen“ und „traditioneller Inhalte“ oder weiter, daß „ein als Kreuzzug gegen die Gender-Theorie angelegter Lobgesang auf den männlichen Mann das Geschlecht selbst immer wieder über soziale Praktiken definiert.“ Das sind valide Fragen und deshalb muß man Kubitschek widersprechen, denn die „Rechte“ sollte sich diesen Fragen stellen und gerade deswegen auch dieses Buch aufmerksam lesen.

Trotzdem hat Kubitschek auch recht. Das ganze Buch ist für den zurückgelehnten Leser eine Zumutung! Es ist durch und durch im Entlarvungsmodus gehalten, verzichtet also von vornherein auf Objektivität und Wissenschaftlichkeit und Weiß‘ Linkslastigkeit, nebst einer unschönen und wenig gerechtfertigten intellektuellen Arroganz, scheint an allen Ecken und Enden durch. Wer im Entlarvungsmodus schreibt, der will nicht mehr verstehen, der ist auch nicht neugierig, sondern der weiß schon, oder meint zu wissen und will nur noch die apriorische These beweisen und das tut er, indem er eifrig sucht und mit dieser verschobenen Perspektive dann auch findet und zwar: Nazis, überall Nazis.

Was das „Neue“ an der „Neuen Rechten“ ausmache, beantwortet Weiß vorerst so: „erstens eine inhaltliche Distanz zum ‚Dritten Reich‘ …, zweitens eine Intellektualisierung der Rechten … und drittens eine europäische Orientierung …“ Der Entlarvungsmodus zwingt ihn dann natürlich dazu, das Gegenteil zu er-forschen: Sie sind Nazis, sie sind doof und sie sind Nationalisten und Rassisten, verkappte selbstverständlich. Das aber ist das klassische linke Narrativ – wo also liegt der Erkenntnisgewinn?

Wie gelangt Weiß zu seinen von vornherein feststehenden Ergebnissen? Zum einen baut er immer wieder Popanze auf – er nennt das, um ein bißchen nach Foucault, also intellektuell  zu klingen übrigens „archäologisches Arbeiten“ –, die er dann bekämpft. Ein Beispiel: „Das Beharren auf die unlösbaren Bindungen des Einzelnen an seine Ethnie und die daraus naturhaft resultierende Kulturform sowie auf die damit verknüpfte Gesetzmäßigkeit gesellschaftlicher Ungleichheit …“ Hier wird eine Statik und Verbissenheit des konservativen Denkens unterstellt, die nirgendwo in der Realität zu finden ist und wenn doch, dann sicher nicht bei den „Neuen Rechten“. Ähnlich verfährt er mit dem Begriff des „Abendlandes“, den er seitenweise untersucht – das ist interessant –, der aber bei weitem nicht diese Bedeutung hat, die er ihm unterstellt.

Des weiteren nutzt Weiß die Methode des absichtlichen Mißverstehens, wenn er den „Neuen Rechten“ etwa eine heimliche Islamliebe unterstellt: „Eine Subjektidentität jenseits der Gruppenzugehörigkeit können sich alle drei („Rechte“, Warner vor Islamophobie, rassistische (sic!) Islamkritik) nicht vorstellen.“ Dabei genügt es, sich die Protagonisten nur vor Auge zu führen: jeder ein starkes hochindividuelles Subjekt mit ganz eigenen Idiosynkrasien und Gedankengängen.

An die Grenze des Ertragbaren führt Weiß seine kritischen Leser, wenn er in demagogischer und denunziatorischer Mission unterwegs ist, und das ist er leider im ganzen Buch. Es lugt der Haß überall hervor.

Schon die erste Seite meint den politischen Gegner mit „neuer Wut“ charakterisieren zu müssen. Der AfD, um nur ein paar Beispiele zu geben, wird eine „programmatische Stigmatisierung von Homosexuellen als grundsätzliche Bedrohung für Kinder“ unterstellt, Beatrix von Storch wird als „fundamentalchristliche Lobbyistin“, Petry als „rechtspopulistische Opportunistin“ bezeichnet, Höckes Schnellrodaer Rede pauschal als „rassistisch“, die „Identitäre Bewegung“ stamme aus der „Welt der ‚Schwarzen Romantik‘ und des Neofolk bis hin zu offenem Blut-und-Boden-Kitsch“, Sellners wirklich lesenswertes Heideggerbüchlein habe den „Habitus eines philosophischen Proseminars“ und gebe einen „Einblick in die dünne Substanz der vieldiskutierten Rechtsintellektualität“, der antiuniversalistischen Sicht wird pauschal Antisemitismus unterstellt usw.

In seinen Gesamtzusammenfassungen wird Weiß‘ Anliegen dann ganz deutlich. Da spricht er vom „Regressionsgrad“ und dem Sinken der Autorenqualität – wo, bitte schön, hat denn die Linke heute einen Marx, Lenin, eine Luxemburg aufzuweisen? Ist Weiß nicht selbst das Paradebeispiel eines verheerenden „Regressionsgrades“ einer einst stolzen Geisteswelt?

Arrogant konstatiert er: „Oswald Spengler, Carl Schmitt und Ernst Jünger können noch intellektuell anregende Lektüren bieten. Armin Mohler und Karlheinz Weißmann sind zumindest zeitgeschichtlich interessante Autoren. Doch schon die Texte von Götz Kubitschek, Ellen Kositza und Martin Lichtmesz stellen lästige Pflichtübungen der Forschung dar. Donovan jedoch ist eine Zumutung, die das Milieu des Antaios Verlages als von primitivsten Begehrlichkeiten getrieben entlarvt.“

Im Eifer schreckt Weiß auch vor Dummheit nicht zurück. Ein Satz wie dieser ist eine tatsächliche intellektuelle Unterbietung und könnte selbst ein gelungenes Buch zerstören: „Die Relevanz von ‚PC‘ wird nicht nur in den rechtspopulistischen Debatten überhöht. In den USA mußten keine Stahlwerke und Autofabriken schließen, weil sie zum Einbau von Transgendertoiletten gezwungen waren.“

Es ist ein Jammer. Auch ein durchaus fachbelesener – er hatte immerhin über Moeller van den Bruck promoviert – und gut in der Materie stehender Volker Weiß steht für den dramatischen intellektuellen Niedergang der Linken. Wer wissen will, wie die Linke denkt, der hat hier einen Schatz, die Rechte ist dagegen weitestgehend verfehlt. Man kann anscheinend nur noch verteidigen, was nicht mehr zu halten ist, und hat jeglichen Kontakt zur Affirmation verloren. Der destruktive Eifer jedoch ist verräterisch und erreicht beim interessierten Leser das Gegenteil des Intendierten – wie übrigens auch Kubitscheks Vorverurteilung. Man wird neugierig auf die verfemten Autoren.

Auch hier gilt: Selberlesen macht klug – ganz gleich, aus welcher Ecke.


Koinzidenz der Ereignisse: Karlheinz Weißmann bespricht das Buch just heute in der „Jungen Freiheit“:

Alles Nazis außer Muddi

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