Zur Sloterdijk-Debatte I

Wir haben mal wieder eine Sloterdijk-Affäre. Die dritte, wenn ich richtig mitgezählt habe. Um die Jahrtausendwende lösten die „Regeln für den Menschenpark“ die klassischen Konditionierungsmechanismen der Kulturbehavioristen aus – großer Aufschrei auf allen Kanälen, der mittlerweile auf 650 Seiten aufbereitet wurde. Immerhin auf noch 250 Seiten brachte es die Debatte um den Text „Die nehmende Hand und die gebende Seite“ vor sechs Jahren. Viele, die den Vorschlag, die Steuerpflicht durch ein Recht auf Gabe zu ersetzen, nicht mitdenken wollten, zogen die Wahnsinnskarte und sprachen dem Denker den klaren Verstand ab.

Nun also gilt es, ein paar Anmerkungen zur Flüchtlingsdebatte zu verdauen, und wenig überraschend wird der Ton noch einmal verschärft: Gegenwärtig verortet man Sloterdijk in den linksdralligen Gazetten unisono rechts bis neurechts und David Precht hört sogar den Auschwitzkommandanten Höß durch. Lassen wir diese Verfehlungen der Prechts, Nassehis, Schamis und No-names vorerst links liegen und kümmern uns um die Kerndebatte zwischen Sloterdijk und Münkler. Da durchaus Typisches zum Vorschein kommen wird, sei die Ausführlichkeit entschuldigt.

Sloterdijk

In der Februarausgabe der Zeitschrift „Cicero“ erschien ein Interview mit Sloterdijk, lang erwartet und spät, zu spät vielleicht, denn wer sich die Position des ersten Denkers der Nation erarbeitet hat, steht auch in der Pflicht, zu den brennendsten Fragen dann Stellung zu nehmen, wenn die Differenzen am größten sind. Das war im Herbst 2015. Ein sehr zurückhaltendes Interview und ein längerer Essay über Merkel als „Machtwandlerin“ deuteten zwar die Grundrichtung seines Verhältnisses zur Flüchtlingspolitik schon an, waren aber noch zu vage, um klare Konturen durchscheinen zu lassen. Stattdessen hatte sich Rüdiger Safranski, ein enger Freund, mehrfach exponiert.

Diesmal, im „Cicero“, ließ Sloterdijk keinen Zweifel – was seine Kritiker nicht daran hinderte, die längst interiorisierten Aversionsvokabeln des „Raunens“, „Waberns“ und „Schwurbelns“ o.ä. zu bemühen (sobald man diese Totschlag“argumente“ liest, kann man getrost die Lektüre beenden, zeugen sie doch von einem Unwillen oder einer Unfähigkeit, den Höhenflügen Sloterdijks zu folgen).

Im Interview fallen deutliche Sätze wie diese: „ … daß der Islam heute spürt, daß er von seiner inneren Gestalt her nicht wirklich staatsfähig ist, nicht einmal gesellschaftsfähig. Mit dem Islam läßt sich keine authentische Zivilgesellschaft füllen …, er ist ein juristisches Konstrukt, er kommt fast ohne Theologie aus.“ Bisher hat sich daran seltsamerweise noch niemand abgearbeitet – man wird das wohl als stillschweigende Kapitulation vor der Faktizität verstehen müssen.

Stattdessen sollten folgende Zeilen für Erhitzung sorgen: „Die deutsche Regierung hat sich in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung preisgegeben. Diese Abdankung geht Tag und Nacht weiter“. Hier haben wir mit „Überrollung“ ein Triggerwort und damit kann die deutsche Empörungsmaschine wirklich etwas anfangen, ebenso wie mit „Invasion“ oder „Lügenäther“.

Daß Sloterdijk ein Plädoyer für die Grenze hält, nimmt man in Zeiten des freien Waren-, Informations- und Menschenverkehrs, der prinzipiellen Entgrenzung, ebenfalls übel auf: „Die Differenz zwischen Asylrecht und Einwanderungsrecht muß endlich sehr viel schärfer als bisher definiert werden. … Die postmodernisierte Gesellschaft träumt sich in einen Zustand ‚jenseits von Grenzschutz‘. Sie existiert in einem surrealen Modus von Grenzvergessenheit. Sie genießt ihr Dasein in einer Kultur der dünnwandigen Container. Wo früher starkwandige Grenzen waren, sind schmale Membranen entstanden. Die werden jetzt massiv überlaufen.“ Die letzten beiden Sätze bis in die Tiefendimension zu verstehen, setzt die Kenntnis des dreibändigen Sphären-Projektes voraus, was man von führenden Journalisten durchaus erwarten darf.

Wirklich getroffen hat er die Medienwelt mit seinem Begriff des „Lügenäthers“ – der übrigens auch nicht mit „Lügenpresse“ gleichzusetzen ist, sondern im sphärologischen Kontext gelesen werden muß und der mit seiner „Verwahrlosung“ und „zügellosen Parteinahme“ für jeden freien Leser evident ist. Er bezieht sich auf Politiker und Journalisten. Während erste jedoch in der „wahrheitslosen Sphäre“ durchaus redliche Arbeiter sein können, müssen sich zweite „klarmachen, daß sie immer die dritte Partei sind, nicht Ankläger, nicht Verteidiger, nicht Darsteller, nicht Gegendarsteller.“ Wer sich hier angegriffen fühlt und wer nicht sehen will, daß es diesen „Lügenäther“ gibt, hat den Inhalt seiner Aufgabe nicht verstanden – und leider scheint diese Unkenntnis flächendeckend zu sein; ein Ergebnis des Machtfaktors am Informations- und Meinungswasserhahn.

Schließlich beschrieb Sloterdijk noch das Problem der Integration – was ihm den Rassismusvorwurf eingebracht hat (Nassehi). „Integration ist ein Ausdruck, der einem unerreichbaren Ziel vorauseilt. Wir wären ja schon zufrieden, wenn man es zur beruhigten Koexistenz brächte, zu einer freundlichen Gleichgültigkeit gegenüber der Tatsache, daß es zu viele Leute gibt, mit denen man fast nichts gemeinsam hat.“ Erneut klingen dem Sloterdijk-Leser Sätze im Ohr, die dieses Empfinden schon lange vor der aktuellen Krise aussprachen: Irgendwo, vor vielen Jahren, beschrieb Sloterdijk das Gefühl, sich am liebsten nur noch mit Toten (d.h. den Klassikern) unterhalten zu wollen, ein Eindruck, der jedem Intellektuellen zusteht und unmittelbar verständlich ist, der aber auch die geistige Verwahrlosung unserer Epoche thematisiert.

Integration betrifft jedoch nicht nur die Flüchtlinge, diese Kategorie wird auch im europäischen Rahmen genutzt. Wieder muß man werkgeschichtliche Kenntnisse haben (Falls Europa erwacht“, „Im selben Boot“), um sich davon zu überzeugen, daß Sloterdijk nicht aus einem Anti-Affekt spricht, wenn er sagt: „Hier hört man den falschen Klang des Wortes ‚Integration‘ fast noch schriller heraus als bei der vorgeblichen Integration von Flüchtlingen … Europa ist falsch formatiert. Man hat zusammengebracht, was nicht zusammengehört. Europa geriet mit dem Euro in eine Zwangsgemeinschaft, die den meisten Menschen nicht so viel bedeutet, wie ihnen die Berufseuropäer in Brüssel und Straßburg einreden möchten. … Die Zwangsvergemeinschaftung durch den Euro hat sich als Überforderung erwiesen. … Offenkundig handelt es sich weniger um neuen Nationalismus als um lokale Notwehr. Man wurde in zwangsgemeinschaftlichen Handlungsketten zu fest zusammengeschnürt, folglich kommt ein Verlangen nach größeren Manövrierspielräumen auf. … Als lockerer Bund hat die EU mehr Zukunft, als wenn sie auf Verdichtung setzt. Dem Nationalstaat darf man ein langes Leben prophezeien, weil er das einzige politische Großgebilde ist, das bis zur Stunde halbwegs funktioniert. Die überwölbenden Strukturen können nur in dem Maße bestehen, wie die Nationalstaaten ihnen den Rücken freihalten.“

Daß Linksapologeten, die den Nationalstaat schon als Fossil betrachteten, davon unangenehm berührt werden, läßt sich durchaus verstehen. Ganz ohne Raunen und mehrdeutige Metaphern wird hier Klartext gesprochen.

Sloterdijk – Münkler

Unter den zahlreichen, meist abweisenden Repliken (Einverstandene sehen oft keinen Grund zu einer Erwiderung), ragt Herfried Münklers Beitrag heraus. Zum einen bietet er tatsächlich ein Argument, vor allem aber mußte er Sloterdijk doppelt treffen.

Münkler: Wie ahnungslos kluge Leute doch sein können

Neben Gunnar Heinsohns „Söhne und Weltmacht“ und Heiner Mühlmanns „Die Natur der Kulturen“ gehört Herfried Münklers „Die neuen Kriege“ zu den wenigen modernen deutschsprachigen Erweckungswerken für Sloterdijks Denken. Darin hatte er 2002, im Nachgang zum New Yorker Terrorangriff, die neue Strategie der asymmetrischen Kriege analysiert und für die Zukunft prophezeit. Von diesem Buch sprach Sloterdijk immer wieder mit größtem Respekt, empfahl es ausdrücklich im „Philosophischen Quartett“, verfolgte Münklers z.T. schwergewichtige Arbeit (1. Weltkrieg, Imperien) seither aufmerksam und durfte sicherlich davon ausgehen, einen Geistesverwandten gefunden zu haben. Münklers Replik in der „Welt“ muß zwangsläufig wie ein Affront gewirkt haben, ein Stich in den Rücken.

Schon das erste Wort strahlt Aggressivität aus, die zu diesem gewöhnlich leisen Menschen nicht recht passen will: Von „ahnungslos“ ist da die Rede, im Header durch „unbedarft“ ergänzt; im Text werden Sloterdijk „unterkomplexe Antworten“ und ein „gravierender Mangel an strategischer Reflexivität“, ein Mangel an analytischer Durchdringungskraft vorgeworfen, gipfelnd in der Schlußsequenz von der „strategischen Unbedarftheit ihres (Sloterdijk und Safranski) Dahergeredes“. Schon formal wird damit das Tischtuch zerrissen, die Debatte auf ein Beschimpfungsniveau gesenkt und sachlich nahezu verunmöglicht.

De facto versucht Münkler das Handeln der Bundesregierung – er nimmt die gesamte Regierung in Sippenhaft – rational zu erklären. Demnach könne man die Flüchtlingskrise als „humanitäre Herausforderung“ sehen oder als „logistisches Problem“, es gäbe aber auch eine dritte Möglichkeit, sie als „eine politisch-strategische Herausforderung zu begreifen“.

Argumentationslogisch wird hier schon getrickst, denn aus den beiden faktischen Prämissen läßt sich in einem offenen System keine alleinige Konklusion, sondern viele ziehen. Will sagen: auch wenn die Zustandsbeschreibung nicht „unterkomplex“ wäre, lassen sich neben der „politisch-strategischen Herausforderung“ noch jede Menge andere Perspektiven gewinnen, z.B. die psychosoziale Dimension, die mediale Verarbeitung, die kanzlerinnenpsychologische, die welthistorische, die moralistische usw. Münklers kleiner Trick soll aber seine Interpretation „alternativlos“ erscheinen lassen: Ihr seht nur dieses, ich sehe jenes, das Eigentliche.

Uninteressant ist es deswegen nicht! Nach einer Seite Sloterdijk-Safranski-Verhaue läßt er die Katze aus dem Sack: Er ist der Regierungsversteher! „Im Prinzip“, schreibt er, „lief die Entscheidung für durchlässige Grenzen nämlich darauf hinaus, Zeit zu kaufen, um die Ursachen der Krise und deren weitere Entwicklung zu erfassen und europäische Lösungen für ein Problem zu erarbeiten, das eine Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte darstellt.“ Das „Kalkül der Regierung“ sei es gewesen, Deutschland „als eine Art Überlaufbecken“ zur Verfügung zu stellen, um Zeit zu gewinnen. „Die demonstrative Ausrufung der ‚Willkommenskultur‘ war eine zivilgesellschaftliche Reaktion auf die Brandanschläge gegen Asylantenwohnheime (sic!) … und ist nicht zu verwechseln mit dem von der Regierung verfolgten Projekt.“ Raum gegen Zeit tauschen, das sei seit je Grundelement des strategischen Denkens.

Wenn wir uns diese Überlegungen näher betrachten, werden wir Wahrheit mit (Selbst?)Täuschung, Kluges mit Widersprüchen vermischt bemerken. Immerhin erfahren wir zum ersten Mal von einer strategischen Überlegung der Kanzlerin (Regierung) – aber woher bezieht Münkler seine Kenntnisse? Hat die Kanzlerin ihn über etwas informiert, was sie den Menschen vorenthielt? War er in den Sitzungen dabei? Weiß er, was alle Welt wissen will – wie die Kanzlerin tickt? – aus erster Hand? Wird die Unterstellung eines strategischen Kalküls durch die Fakten gedeckt?

Tatsächlich waren die einsamen Entscheidungen, die im Herbst letzten Jahres vermutlich ad hoc getroffen wurden, doch gerade nicht auf eine europäische Lösung aus, stellen sie doch einen mehr als offensichtlichen Alleingang „Deutschlands“ dar. Erst nachdem frau in Berlin begriff, was da auf uns zukommt und erst nachdem man vollendete, fortlaufende und unvollendbare Tatsachen geschaffen hatte, wurde die europäische Lösung gesucht – eine contradictio in adjecto angesichts des europäischen Ideals.

Zudem scheint Münkler die Widersprüchlichkeit des Arguments nicht bewußt zu sein, denn wie soll man das Erkaufen von ein bißchen Zeit im Angesicht einer Herausforderung, die Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird, erklären? Hier gibt es eine massive logische Disparität.

Außerdem war es durchaus nicht nötig, Zeit zu kaufen, um die „Ursachen der Krise zu erfassen“, denn sowohl die unmittelbaren als auch die mittelbaren Ursachen waren längst bekannt. (Sie wurden auf dieser Seite bereits mehrfach benannt.) Die demographische Dynamik ist seit zwei Jahrzehnten durchschaut, die Konsequenzen vielfach angesprochen; der Syrienkonflikt ging ins fünfte Jahr; die Situation der Flüchtlinge an den Grenzen war seit Monaten in den Medien; die als mächtiger Magnet wirkenden Sozialversprechen in D waren bekannt … kurz: die Theorie war der Praxis ausnahmsweise weit voraus.

Für einen Historiker erweist sich Münklers historisches Kurzzeitgedächtnis zudem als bedenklich lückenhaft – fast müßte man das Wort mit „g“ schreiben. Die „demonstrative Ausrufung der ‚Willkommenskultur‘“ als „zivilgesellschaftliche Reaktion auf die Brandanschläge“ auszugeben, ist schlicht und einfach falsch! Diese Ereignisse, sowie die mediale Aufmerksamkeit, mögen eine ganze Reihe an Menschen zusätzlich zu Beifall klatschenden Spontandemonstrationen motiviert haben, aber es genügt auf eine in allen Medien verbreitete Rede des Bundespräsidenten aus dem Jahre 2013 – dem Jahr der neuen, anziehenden Asylgesetzgebung – zu verweisen, um das Argument zu widerlegen: und es wäre ein Leichtes Dutzende andere gleichlautende Äußerungen aus Regierungskreisen zusammenzugoogeln.

Einem Manne wie Münkler darf man nicht leichtfertig Täuschung unterstellen, vielmehr dürfte es sich um ideologisch motivierte Rationalisierungen handeln: Moral vernebelt Gedächtnis und Gehirn. Und daß Münkler parteiisch urteilt, beweist das eingeklammerte Wort in: „Bei allen (unberechtigten) Vorwürfen, die jetzt von einigen europäischen Regierungen gegen die Bundesregierung erhoben werden, sie habe das Problem der Flüchtlinge erst erzeugt …“ Dahinter verbirgt sich eine noch immer weit verbreitete Fehlinformation: Wenn von „Flüchtlingen“ gesprochen wird, geht man stillschweigend von Syrien-, von Kriegsflüchtlingen aus. Diese machen aber lediglich circa 30% aller Ankommenden aus und auch unter diesen gibt es sehr viele, die eine sichere Situation in der Türkei – und zwar im türkischen Alltag und nicht in Lagern – aufgegeben haben, um nach D zu gelangen. Statistisch gesehen (Bildungsstand, Kriminalität, Religion, Kulturnähe) sind die Syrer das geringste, wenn auch kein geringes Problem. Der Großteil der anderen „Flüchtlinge“ flieht weder politische Verfolgung noch unmittelbar Krieg, sondern „lediglich“ ein beschwerliches Leben und unter demographischem Druck. Diese Menschen werden oft gesandt, um perspektivisch ganze Familien und sogar Dörfer zu ernähren … und diese Menschen kommen gezielt und bewußt nach D, weil es die (Mär von der) Rundumversorgung gibt. Daher sind die Vorwürfe der anderen europäischen Regierungen mehr als berechtigt und wer das nicht sehen will, muß sich als Interessenvertreter bekennen.

Die taktischen Mittel dieser Menschen sind in der Regel überschaubar und auch Münkler scheut nicht davor zurück: dem Spiel mit der Angst – das man so gerne dem politischen Gegner unterstellt. Konkret entwirft er ein Horrorszenario, das seinen Überlegungen zur Strategie als „ein System von Aushilfen“ (in der späteren Erwiderung) eklatant zuwiderlauft: „Vor allem muß man sich vor Augen halten, welche Folgen ein Rückstau der Flüchtlinge auf der Balkanroute haben würde beziehungsweise im Herbst 2015 gehabt hätte. Gehen wir davon aus, daß nach einem deutschen Einreisestopp Ungarn und Kroatien ihre Grenzen geschlossen und die Flüchtlingsbewegung – mit welchen Mitteln auch immer – gestoppt hätten. Bosnien-Herzegowina, Serbien, Mazedonien, Albanien, das Kosovo und natürlich Griechenland sind schwache Staaten, die administrativ mit diesem Flüchtlingsstau überfordert wären. Das labile ethnische und konfessionelle Gleichgewicht in diesen Ländern, das durch die Anwesenheit der Flüchtlinge massiv verändert worden wäre, kommt noch hinzu.“ Was Münkler hier als „Risikoszenarien“ entwirft, nennt Sloterdijk in der Erwiderung „Konjektural-Geschichte“. Wenn diese Überlegungen tatsächlich unter strategischem Imperativ stattgefunden haben sollten, dann gilt auch bei ihnen, daß nur der erste strategische Schritt planbar ist und daß sich danach schon „irgend etwas“ ergeben hätte, um genau diese Folgen zu verhindern.

Ausgeblendet werden zudem ganz wesentliche Punkte. So wurde etwa von Anfang an nicht nur aus der Flüchtlingsperspektive argumentiert, sondern gerade die Heimperspektive stark überbelichtet. Es war schon im Sommer und Herbst großflächig von „Integration“, von „Neubürgern“ die Rede, von der demographischen und sozialökonomischen, ja selbst der kulturellen Notwendigkeit, die deutsche Gesellschaft aufzufrischen, zu verjüngen, zu bevölkern, so daß zwangsläufig der Eindruck entstehen mußte, es handele sich zumindest teilweise um einen systematischen „Austausch“ der Bevölkerung. Die Frage, warum Flüchtlinge mit begrenzter Aufenthaltsdauer sich überhaupt integrieren wollten und sollten, wurde nur im Dark Net diskutiert. Wäre von Beginn an klar gewesen, daß der Großteil der Asylsuchenden nur aus rein humanitären Gründen für eine begrenzte Zeit in Deutschland Sicherheit finden könne, die Mehrzahl der Bevölkerung wäre mutmaßlich einverstanden gewesen und es hätte eine genuine und nicht nur herbeigeredete „Willkommenskultur“ gegeben. Schon der Begriff der „Integration“ zeigt die dahinterstehenden tatsächlichen strategischen Überlegungen.

Fortsetzung: Zur Sloterdijk-Debatte II und: Zur Sloterdijk-Debatte III

Quellen:

Sloterdijk: Es gibt keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung

Münkler: Wie ahnungslos kluge Leute doch sein können

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