Lenin – again

Man braucht keine Jahrestage, um sich Lenin zu nähern. Er ist und bleibt eine Zentralgestalt der jüngeren Geschichte. Ohne ihn hätte es die Russische Revolution vermutlich nicht gegeben – es wäre bei Aufständen geblieben –, keine kommunistische Partei, keinen Stalin, keine Sowjetunion, vielleicht keinen Weltkrieg, keinen Ostblock, keinen Kalten Krieg, keine deutsche Wiedervereinigung … Aber es schadet auch nicht, Jubiläen zu nutzen, sich die Geschichte präsent zu halten.

Das hat in etwa Victor Sebestyen getan, indem er im Jahre 17, hundert Jahre nach der Zeitenwende, eine voluminöse Lenin-Biographie vorlegt, die soeben auch auf Deutsch erschienen ist.

Bereits der Originaltitel – „Lenin. The Dictator“ – weist auf ein Grundproblem der Biographik hin: Kann ein Subjekt objektiv über ein anderes Subjekt etwas aussagen? Umso mehr, wenn es sich um ein weltanschaulich stark aufgeladenes Subjekt handelt? Das Bemühen kann man Sebestyen, der hinter seinem Gegenstand verschwinden möchte, nicht absprechen. Es ist objektiv wohl unmöglich, zumal man sich entscheiden muß, welchen der beiden Erzähllinien man im Falle Lenins folgen möchte. Lenin hatte seit Anfang der 90er Jahre ein gänzlich anderes Leben gelebt als zuvor: die Öffnung der Moskauer Archive hat das Lenin-Bild massiv verändert.

Plötzlich erschien das Monster, der Machtmensch, der Zyniker, der Intrigant, der Verbrecher, der Massenmörder … aber der alte Lenin, der warmherzige, mitfühlende, idealistische ebenso wie der hochbegabte Politiker und der überragende Geist war noch immer da und die Wucht der historischen Beschreibungen oder seine Werke hatten an Gültigkeit nichts eingebüßt. Kann man auch nur ein bißchen Gott sein? Denn Lenin wurde von der stalinistischen Propaganda vergöttlicht und viele Millionen beteten diesen Gott an – den andere Millionen für den Teufel hielten.

Genau darum geht es Sebestyen: er will den Menschen hinter den Ideologien sichtbar machen.

Da ist zum einen der fürsorgliche Mann, der lange Zeit zwei Frauen liebte und eine Zeitlang mit der Krupskaja, seiner Ehefrau und lebenslangen Begleiterin, und mit Inessa Armand, seiner großen Liebe, eine seltsam unkonventionelle und ganz und gar nicht bolschewistische Dreiecksbeziehung führte. Nur als die Armand Lenin das Konzept der freien Liebe vorschlug, überforderte sie seine Vorstellungskraft: das war ihm zu „bourgeois“. Dieser Lenin liebte Katzen, liebte die Natur, die Berge, ging wandern, jagen und fischen, hörte Musik, half anderen Menschen. Man erfährt viele private Details und Trivia, z.B.: Lenin hatte kalmükische und jüdische Vorfahren, sein Lieblingsbuch in der Jugend war „Onkel Toms Hütte“ und er bekam Einläufe. Kurz: ein Mensch.

Aber Lenin war auch besessen. Von der Partei, der Revolution, der Macht. Er war in der Lage sich über lange Phasen mit all seiner Energie darauf zu konzentrieren, und alles andere auszublenden. Je länger er das tat, umso mehr ließen seine Kräfte in seltsamen Schüben nach, desto unberechenbarer wurde er. Sebestyen wird nicht müde, immer wieder von Burn Outs, von fürchterlichen Wutattacken, Schimpftiraden, von Vernichtungsphantasien zu berichten, die, so scheint es, weniger auf die jeweilige Person, sondern auf die Sache gerichtet waren. Lenin sah demnach von den Personen ab und urteilte nahezu ausschließlich pragmatisch und utilitaristisch. Das Interesse der Sache war wichtiger als persönliche Belange – nämlich die Schaffung einer besseren Welt.

Um diese „bessere Welt“ zu schaffen, schreckte Lenin auch vor Verbrechen nicht zurück. Eine besonders instruktive Geschichte ist die „Schmidt-Affäre“ 1905. Lenin initiierte die Verführung zweier Millionärstöchter durch hörige und attraktive Genossen, um an das Erbe heranzukommen. Aus seiner Sicht eine vollkommen legitime Sache. Eine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, daß er nach der Machtübernahme mit einem Federstrich tausende Menschenleben – oder besser: Feindesleben – auslöschen konnte. Lenin zog die Legitimität seines Handelns aus der Utopie einer menschlicheren Gesellschaft. Es wäre eine hochinteressante Frage, wie man diese Grausamkeiten heute bewerten würde, hätten sie tatsächlich zu einer besseren Gesellschaft geführt. Heute wissen wir, daß Lenin ein Waisenkind war, mißt man ihn an Stalin, Mao oder Pol Pot …, die sich alle auf ihn beriefen.

Sehr schön deutlich wird bei Sebestyen die innere Logik der Macht. Im Gegensatz zu Stalin und vielen anderen Diktatoren, war Lenin kein „böser Mensch“, hatte er keine charakterliche Veranlagung zur Gewalt, verabscheute sie, mied sie und zog daraus keine Befriedigung. Er nahm sie als notwendiges Übel hin. Oft waren seine diktatorischen Entscheidungen der Inkompetenz der anderen geschuldet. Die Erfahrung, immer wieder am menschlichen und intellektuellen Ungenügen seiner Umgebung zu scheitern, führte ihn in die aberwitzige Position, sich selbst in die Verantwortung zu nehmen, also Dinge zu entscheiden, die jenseits seiner Kompetenz lagen: man macht es lieber alles selbst, weil man weiß, daß bei den anderen nichts herauskommt. Sehr verständlich, aber politisch ein desaströses Konzept.

Wahrscheinlich hatte Bertrand Russell recht, als er sagte: „I thought he resembled Cromwell more than any other historical character. Like Cromwell, he was forced into dictatorship by being the only competent man of affairs in a popular movement.

Leider macht auch Sebestyen einen wesentlichen Fehler: er wertet moralisch nach den heutigen Maßstäben und nicht im Kontext der Zeit. Ja, es ist wichtig, zu wissen, daß Lenin im Kampf gegen die Weiße Garde im Russischen Bürgerkrieg in einem Falle den Einsatz von Giftgas forderte, aber was unterscheidet ihn von den Weißen selbst, die ebenfalls Giftgas eingesetzt hatten, oder von Churchill, der das befürwortete und die Weißen damit versorgen ließ? Der eine ist heute ein Monster, der andere ein Heroe.

Man kann diese Lenin-Biographie jedem empfehlen, der am Leben eines Menschen interessiert ist. Außer ein wenig Gossip und Affären hat sie freilich wenig Neues zu bieten. Sebestyen hat aus der weiten westlichen Literatur eine weitere Biographie zusammengeschrieben. Faktisch fügt er den bahnbrechenden Arbeiten von Wolkogonow, Conquest, Rappaport, Pipes und Deutscher nichts Wesentliches hinzu. Der historisch Interessierte sollte sich diese Werke aneignen. Wir haben es mit einer Kompilation zu tun, deren größter Vorteil die gute Lesbarkeit ist.

Trotz eines anderen Selbstanspruches bedient Sebestyen das anekdotische Begehren und zitiert massenweise fragwürdige Quellen. Wo es um wissenschaftliche Zitationen geht – etwa aus den Werken Lenins – haben drei Kontrollen Unsauberkeiten zutage gebracht: an den angegeben Stellen waren die (fraglichen) Aussagen nicht aufzufinden.

Am bedauerlichsten ist jedoch, daß die Realgeschichte nur als kaum wahrnehmbarer Hintergrundsound zu vernehmen ist. Rußlands Geschichte ist eine Geschichte des Leids, der Armut, der unvorstellbaren Brutalität schon lange vor Lenin und nur vor diesem Horizont kann die Revolution verstanden werden – Gewalt war in einer frühen Phase eine historische Notwendigkeit, die sich freilich bald verselbständigte und institutionalisierte. Hier wäre Raum für große geschichtsphilosophische Fragen gewesen. Die historische Einbettung der Person in die großen geschichtlichen Zusammenhänge gelingt nur ungenügend.

Das Kapitel Lenin ist längst nicht abgeschlossen – er wird auch weiterhin ein anderes Leben geführt haben, ihn zu einer schlüssigen Person zu machen, wird wohl zum Scheitern verurteilt sein.

Quelle:
Victor Sebestyen: Lenin the Dictator. An intimate Portrait. London 2017. 570 Seiten
dt.: Lenin. Ein Leben. Reinbek 2017. 700 Seiten

5 Gedanken zu “Lenin – again

  1. Kurt Droffe schreibt:

    Bei „Kurt Droffes Beitrag zu den Frauentipps“ habe ich jetzt doch, von ganz woanders herkommend, gestutzt: In welcher schwachen weinseligen Stunde hätte ich hier wohl „Frauentipps“ gegeben? Jetzt weiß ich wieder, was Sie meinen..
    Zum Technischen: Ich schaue auch auf die Kommentarleiste, um zu sehen, was sich getan hat, rechne aber ohnehin ein, daß das immer nur einige Beiträge weit reicht. Ich finde Ihr Verfahren da verständlich, wo es um kurze Einwürfe oder Korrekturen geht; wenn es inhaltlich mehr wird, verwirrt bzw. stört mich dieses Ineinanderschieben von Texten doch eher. Da die meisten Kommentare doch an die jüngeren Blogeinträge gehängt werden, reicht es, bei diesen nachzusehen, ob eine Neuerung oder Reaktion auf das eigene Statement vorhanden ist.

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  2. Ulrich Christoph schreibt:

    Unter „Kommentare“ wird auch ein solcher von Pérégrinateur zu Lenin – again angezeigt, den ich nicht aufrufen kann. Könnten sie ihn lesbar machen?

    Danke für den Hinweis – ist vermutlich bei der Stapelung verloren gegangen. Ich habe die Wortmeldung jetzt unten an „z3po zu Lenin – again“ angefügt. War leider nicht mehr anders möglich. Fehler meinerseits – man lernt nie aus.

    Vielen Dank! Auf die Beiträge von Pérégrinateur möchte ich nicht verzichten – wie auch auf die Ihren nicht.

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    • Pérégrinateur schreibt:

      Eine Frage an unseren Gastgeber. Warum tun SIe sich denn die Mühe überhaupt an, die wohl doch automatisch schon mal sauber untereinander eingeschachtelten Beiträge nachträglich zu Hand zu größeren Brocken zusammenzukleben, was dann wieder zur händischen Kenntlichmachung der einzelnen eingehenden Abschnitte mit Autorvorspann/Textauszeichnung o. ä. zwingt? In der Novitätenliste werden dabei dann auch die anderswo angehängten Neukommentare für die Leser unsichtbar, was zum Durchschauen der letzten ausgewiesenen und schon gelesenen Beiträge zwingt, damit einem ja nichts entgeht. Anders herum blieb in diesem Fall hier ein generierter Novitätenverweis als zielloser Link stehen.

      Fürchten Sie zu tiefe Einschachtelung? Oder vertikal zu wenig kompakte Darstellung der aufeinander folgenden Wortmeldungen?

      Meine Regel in solchen Dingen: If it ain’t broke, don’t fix it.

      Seidwalk: Dann stelle ich die Frage gleich zur Diskussion. Bereits zur Seitengestaltung hatte ich einst Kurt Droffe um Rat befragt und diesen auch befolgt.

      Unter diesem WordPress-Theme kann man max. 15 Kommentare in der separaten Kommentarspalte einsehen. Da die Kommentare offensichtlich aber eine der Hauptattraktionen sind, weswegen Leser hier vorbeischauen – Ulrich Christoph hat das gerade erst bewiesen – scheint es mir in aller Interesse zu sein, diese so lange als möglich sichtbar zu halten. Freilich ließen sie sich unter den jeweiligen Beiträgen noch immer einsehen. (Indem ich diese Formalie hier freischalte, mache ich Kurt Droffes Beitrag zu den Frauentipps unsichtbar …)

      Wenn sich ein konsistenter Gesprächsfaden ergibt, so bietet sich – trotz Mehrarbeit – an, diesen auch zu verknüpfen. Punkt eins.

      Punkt zwei: Die Beiträge differieren natürlich in Substanz und Gehalt. Grundlegendere Anmerkungen und Kritiken sollen möglichst lange gelesen werden können, weshalb ich „Geplänkel“ oder gelegentliche Trollereien, also Mitteilungen, die keinen inhaltlichen Schwerpunkt haben, entweder lösche (nach einer Weile – mit Verlaub) oder aber anknüpfe).

      Punkt drei: Meine eigenen Kommentare ordne ich oft unter, weil die Seite nun mal, aus offensichtlichen Gründen, ohnehin sehr „Seidwalk“-lastig ist, so daß ich im Kommentarbereiche gerne etwas zurücktrete.

      Wer wirklich alle Kommentare lesen will, dem empfehle ich, „Follower“ zu werden – wenn ich nicht irre, bekommt man dann per Email alles zugesendet (das vermute ich aber nur, da mir – wie dem Esel, der mit seinem vierten (oder ersten?) Bein die anderen zählt und zu seinem Entsetzen immer nur auf drei kommt – die Draufsicht fehlt.

      Apropos Draufsicht: Offenbar erscheint „da draußen“ immer wieder mal Werbung und vermutlich kann die auch unappetitlich sein. Machen Sie dafür bitte nicht mich verantwortlich (sondern bedenken Sie Ihr Surfverhalten). Ich verdiene an diesem Blog nichts (Penunzen) und könnte das nur abstellen, indem ich „upgrade“ nebst einzahle … was ich für diesen tatsächlich „kleinen Eckladen“ nicht möchte.

      So … nachher hänge ich das an Pérégrinateurs Frage an … und rette damit vielleicht Pérégrinateurs Kommentar zu den Frauen eine kurze Weile vor dem Untergang …

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  3. Ulrich Christoph schreibt:

    Kann ein Subjekt objektiv etwas über ein anderes Subjekt aussagen? Mit Ihren Zeilen zu dem revolutionären Kompetenzzentrum Lenin sind Sie dem unerreichbaren Ziel ziemlich nahe gekommen.
    Die Gewalt, das Böse war diesem idealtypischen Utopisten ein notwendiges Übel; – ein Talent scheint dem Theoretiker Lenin aber gefehlt zu haben, im Gegensatz zu Stalin, Mao und Pol Pot, die sich bei ihm bedienten und seine populären Züge – mit Perücke und falschem Bart, während der Petrograder Wirren, als zusätzliche Facette ! – mit ihren eigenen Bildnissen als Palimpsest übermalten: Es mangelte ihm an dem Interesse und der Fähigkeit, in seinen Gefolgsleuten die allerniedrigsten Gewaltsamkeiten aufzuwecken, die zum Tod all jener Millionen führten, die der Einrichtung des irdischen Paradieses im Weg standen.

    Seidwalk: Können Sie Ihren letzten Satz bitte noch mal erläutern – ich stehe auf dem Schlauch.

    Ulrich Christoph: Da fehlt etwas. Ich denke, um nur ein Beispiel zu nennen, an Stalin, der im Jahr 1935 mit dem Artikel 12 des sowjetischen Strafgesetzbuches, Haftstrafen im Gulag und Todesstrafe für Kinder ab 12 Jahren eingeführt hat; dabei ging es um die sogenannten Bezprizorni (verwaiste Straßenkinder), deren Eltern bereits dem stalinistischen Terror zum Opfer gefallen waren. Aber die Liste der Untaten im gesamten Einflussbereich des Kommunismus ist bekanntlich endlos.

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  4. z3po schreibt:

    Können Sie bitte erläutern, was Sie damit meinen: ohne Lenin hätte es „vielleicht keinen Weltkrieg“ gegeben? (Ich nehme an Sie beziehen sich auf den zweiten Weltkrieg.)
    Meines Wissens hat Nazi-Deutschland unter Hitler diesen Krieg begonnen und ihn zu einem Weltkrieg gemacht. Außerdem gab es doch einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion.
    Wer hat den noch mal gebrochen?

    Seidwalk: Da gibt es nicht viel zu erläutern: ohne Lenin wäre die russische Geschichte und damit die Weltgeschichte eine andere gewesen: möglicherweise hätte es den realen Sozialismus nicht oder in ganz anderer Form gegeben, möglicherweise sogar den NS nicht … wer weiß? Meine Aussage ist selbstverständlich komplett spekulativ – man muß sie nicht an den konkreten hist. Ereignissen messen. Ebenso gut wären andere oder mehrere oder eben keine Kriege möglich gewesen. Wie auch immer Lenins welthist. Bedeutung wird so oder so sichtbar und nur darum ging es.

    z3po:
    Vielen Dank für die Antwort, befriedigend ist sie leider nicht. Da kann ich genau so gut behaupten ohne Lenin hätte es vielleicht kein iPad gegeben, oder keinen Assad.
    Meiner Meinung nach ist das ein völlig inhaltsloser Relativierungsversuch.

    Seidwalk: So ist es – jetzt haben Sie es endlich verstanden!
    Seidwalk: … nee, eigentlich doch nicht – denn das IPad hätte es wohl auch ohne Lenin gegeben, sofern die Welt ohne Lenin es bis hierher geschafft hätte; das ist eine andere Kategorie. Bei Assad kann man spekulieren, weil er als „Kommunist“ so nicht möglich gewesen wäre.

    z3po: Schade, ich hatte mich schon gefreut es verstanden zu haben: nämlich dass Sie hier versuchen, eine mögliche Kausalität herzustellen, die in’s Reich der wilden und zusammenhangslosen Spekulationen gehört, um damit die Schuld und Urheberschaft Deutschlands am zweiten Weltkrieg zu relativieren.

    Schon klar: ohne Lenin hätte es das dritte Reich und den zweiten Weltkrieg wahrscheinlich nicht gegeben, das liegt doch auf der Hand, das dritte Reich war wahrscheinlich nur eine große bolschewistische Verschwörung, oder es hat sich nur durch die Reibung am kommunistischen Gegenspieler zu diesem grausamen totalitären Regime entwickelt. Wer’s glaubt…

    Seidwalk: Die Enttäuschung kann ich gut verstehen, wenn sich das Vorurteil nicht bestätigt. Aber wenn es Sie beruhigt dann sage ich gerne den Satz: „Ich relativiere hiermit die Schuld und Urheberschaft Deutschlands am zweiten Weltkrieg.“ Ich hoffe, damit ist Ihr Weltbild wieder hergestellt und die Welt ein besserer Ort.

    Im Übrigen ist der von Ihnen thematisierte Satz gar nicht so banal, wie Sie denken, denn es gibt nur sehr wenige Menschen in der Menschheitsgeschichte, von denen man derartiges sagen kann. Ob z3po gelebt haben wird, wird auf den Gang der Geschichte vermutlich keine Auswirkung haben, daß Lenin gelebt und gewirkt hat, ist hingegen wesentlich.

    Pérégrinateur: Da muss ich jetzt aber z3po gegen Sie in Schutz nehmen. Nur dank seiner und anderer Wächter über die korrekte Geschichtsaufassung wird es gelingen, eine ob lange zurückliegenden Todes nicht einmal mehr stinkende Geschichtsleiche an der sonst unvermeidlichen Wiederauferstehung zu hindern.

    Zu dieser Auffassung gehört, dass jede üble Tat auf einen genuin, also unkonditioniert bösen Willen zurückgeht, der dann mit unabänderlicher Notwendigkeit die böse Tat hervorbringt. Weshalb diese nur durch Bekunden des guten Willen zu bekämpfen ist, konsequenterweise am besten nachträglich, weil man halt den fremden Willen anfangs oft so schlecht erkennt und man deshalb am besten von den dicksten bösen Früchten zurückrechnet.

    Um eine ausreichend große Zahl von Böswillensbekämpfern sicherzustellen, müssen diese zuvörderst die sogenannte Relativierung bekämpfen, also die verderbliche Auffassung unter ihren Zeitgenossen, es gebe gar keine moralischen Monaden in der Menschheitsgeschichte, auch unbewegte Beweger der bösen Tat genannt. Das nennt man auch Ausübung des Empörtheitsdiskurses, den man am besten durch Lauschen auf die allzeit klugen und nüchternen Worte der Rothsmädels erlernen kann. Wenn dieser dominiert, zwingt er alle anderen, genau so zu reden, und also denken sie auch genauso – denn wer von den Böswillensbekämpfern käme je auf die Idee, etwas anderes zu denken, als er lauthals bekundet, und also kann es bei allen anderen auch nicht anders sein.

    Die größere Zahl der Wohlmeinenden (Ευμενίδες) bewirkt dann eine gute Welt.

    Alles eigentlich so einfach wie das Ei des Kolumbus. Offensichtlich aber braucht es dafür, diese schlichte Wahrheit zu erkennen, der Einfalt der sorgsam gehegten Wohlstandskinder, die mit ihrem ungeprüften, aber gerade deshalb treffenden moralischen Sinn die wesentliche Scheidelinie in der Menschheit klar erkennen: Wir – und die Nazis. Eine frühere, herzensungebildetere Generation unterschied noch: Wir – die Faschistoiden – und die Faschisten. Glücklicherweise braucht man heute diese pythische Trinität nicht mehr, die manichäische Dualität genügt doch vollkommen.

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