Viktor Orbáns Waterloo

Unter den zahlreichen aufsehenerregenden Ergebnissen der Wahl zum Europäischen Parlament – national und international –, ragt für mich das ungarische Ergebnis heraus. Hier haben wir es mit einem veritablen Erdbeben zu tun, das die gesamte politische Tektonik des Landes fundamental verändern kann.

Wer Péter Magyar ist, das wußte Anfang des Jahres kaum jemand. Im Februar wurde er dann öffentlich als der Ex-Mann einer geschaßten hochrangigen Fidesz-Politikerin bekannt, die über einen Pädophilen-Skandal gestolpert war.

Magyar trat daraufhin vor die Kamera eines Youtube-Kanals und erzählte aus dem Nähkästchen. Das Video wurde sofort ein Hit und Magyar ein Star. Was er zu berichten hatte, leuchtete tief ins durch und durch korrupte Orbán-System hinein. Was das Volk schon immer wußte – und sich oft nicht zu sagen wagte – wurde hier in aller Deutlichkeit aus wissender Quelle hervorgesprudelt. Das war im Februar dieses Jahres. Am 9. Juni stimmte fast jeder dritte Wähler für den Mann (30%). Die Fidesz blieb zwar stärkste Kraft, mußte aber satte neun Prozent Verlust einstecken (44%).

Péter Magyar entstammt selbst der Fidesz-Nomenklatur. Das machte ihn so glaubwürdig. Er spürte den Rückenwind, der ihm nach dem Interview aus der gesamten Gesellschaft zuwehte, gründete eine Partei – „Tisztelet és Szabadság Párt“ (Respekt und Freiheit), kurz „Tisza“, wie der Fluß – und tourte landauf, landab. Seine Botschaft war so einfach wie mächtig: das Einreißen der beiden Säulen, auf denen das System Orbán ruht – Schluß mit der Korruption, Schluß mit der Propaganda!

Diese beiden Schlagworte genügten, um seine Veranstaltungen zu Massenereignissen zu machen – wie viele Prozent er bei einer Wahl generieren könnte, das war die große Frage. Daß es aus dem Stand so viele wurden, ist ein zertrümmernder Hammerschlag auf den Ambos.

Orbáns eingespielte Agitationsmaschine erkannte zwar nach einer Weile die Gefahr, aber es fehlte ihr der Zugriff. Zu lange war sie auf die Soros-Masche, das EU-Bashing, den Globalismus-Vorwurf, die persönliche Verunglimpfung eingespielt, als daß sie das Phänomen Magyar hätte begreifen können. Zuletzt zog Orbán in höchsteigener Position an die Front und versuchte die Haltung zum Krieg in der Ukraine zum Schicksalsargument zu machen. Nur er wolle den Frieden, alle anderen stünden im Sold der Kriegstreiber.

Aber auch dieser Schachzug stellte sich – trotz aller geopolitischen Brillanz, die im europäischen Politik-Gerede sonst nie zu hören ist[1] – als zu lahm heraus, er traf Magyar einfach nicht.

Die Leute nahmen dem Ministerpräsidenten das apokalyptische Bild nicht ab und hatten im Übrigen genug eigene Probleme zu bewältigen, als daß sie sich auf eine andere Spur bringen ließen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren mußte Orbán erfahren – ein kleiner Ceausescu-Moment –, daß Teile des Volkes ihm nicht mehr folgen. Das war schon immer so, aber er mußte es – von den eigenen Medien abgeschirmt – nicht wahrnehmen oder konnte die Opposition spalten und diffamieren.

Der Erfolg des Newcomers ist um so erstaunlicher, als man bisher noch immer nicht weiß, wofür Magyar eigentlich steht – man weiß nur wogegen. Aber allein das genügte schon, um ihn als Projektionsfläche brauchbar zu machen, manche sehen in ihm eine Art Messias, der das Land endlich befreien werde.

Der Mann ist konservativ, jung, smart, wortgewandt, dynamisch und sieht gut aus. Er wirkt konzentriert und ernst, so als habe er den Ernst der Lage erkannt. Seine Reden sind noch nicht von Floskeln und Satzbausteinen geprägt. Er stellt ein Gegenteil zu Orbán dar, der gern flapsige und ironische Reden hält, das Publikum zum Lachen bringen will, auf Kosten seiner Gegner Witze macht.

Sein nächstes Ziel ist die Parlamentswahl. Es wird entscheidend sein, ob es ihm gelingt, einen Apparat aufzubauen, der funktionabel ist und doch nicht korrupt. Ob er genügend Menschen finden kann, die sich tatsächlich einer Sache und nicht der eigenen Bereicherung widmen. Die Selbstbedienungsmentalität steckt tief im System und hat auch viele derjenigen im Griff, die von der Falschheit wissen, die Zersetzung begreifen und die Korruption abschaffen wollen.

Das diffuse Bild wird sich irgendwann klären und die Frage ist dann: wie steht Magyar und wie steht seine Partei dann da? Bisher wissen wir nur ein paar Grundkoordinaten: Gegen Korruption, gegen Propaganda, Zusammenarbeit mit der EU statt Konfrontation, West statt Ost (Rußland, China).

Im Moment strotzt er vor Kraft und reizt das System bis zur Weißglut. In seiner Siegesrede betonte er die Macht der Millionen, die nun hinter ihm stünden – niemand müsse mehr Angst haben, seine Stimme zu erheben. Sie seien nun auch offiziell die stärkste Oppositionskraft. Diese beruft sich auf die großen Ungarn, auf Rákóczi, Kossuth, die Helden von 56 … und er beendet seine Rede mit Petőfis ikonischen Worten: „Talpra Magyar!“

Und wo kommt der Erfolg her? „Nulla forintból“ – aus null Forint, soll heißen: ohne jegliche Korruption, alles aus Leidenschaft und Freiwilligkeit und gegen die milliardenschwere Propaganda der Regierung. „Ich warte auf die Einladung, ab morgen oder übermorgen, vom öffentlichen Fernsehen, von TV2, M1, vom Hír-Sender, von Index, Origo usw.“ – das alles sind Fidesz-nahe Sender und Teil der allumfassenden Staatspropaganda. M1 Híradó, der größte staatliche Nachrichtensender, hat diese Passage bei der Wiedergabe der Rede schon mal herausgeschnitten[2]. Wenn das die Strategie andeuten sollte, dann dürfte Orbán verloren sein.

Das bleibt ohnehin die zweite wichtige Frage: Wie wird das System Orbán gegen diesen transversalen politischen Angriff vorgehen? Die eingeübten Mechanismen greifen nicht. Das sklerose System könnte sich als zu unflexibel erweisen. Die Denkwege der Spindoktoren sind festgefahren. Die Ausrufung der „kulturellen Hegemonie“ könnte sich als Fata Morgana erweisen, als „délibáb[3]. Ihre Ausrufer entpuppen sich nicht als Denker und Seher, sondern als Teil der „kulturellen Hegemonie“: sie sind diese.  Sollte der politische Zugriff sich als erfolglos erweisen, dann wären auch apolitische Maßnahmen denkbar und zu befürchten.

Hören wir Magyars Wahlspruch – „Lépésről lépésre, tégláról téglára visszavesszük a hazánkat“, „Schritt für Schritt, Stein für Stein holen wir uns unser Land zurück“ – so sollte uns das bekannt vorkommen. Die Tisza-Bewegung sollte ernsthaft studiert und verstanden werden: aus ihr kann man deutlich mehr lernen als aus den abgeschmackten Vorwürfen des „Leninismus“ der bezahlten „Farbrevolution“ oder des Soros-Verdachts und vielleicht auch mehr als aus der Analyse der orbánschen Politik.

PS: Ich hatte auf diesem Blog die Korruption in Ungarn immer wieder als systemisch markiert und prophezeit, daß Orbán darüber zu Fall kommen könnte. Es gab darauf viel harsche Kritik, wishful thinking und sogar quasi-Verratsvorwürfe. Wer Politik begreifen und machen will, der darf sich keinen Sand in die Augen streuen lassen, vor allem nicht aus den eigenen Reihen.[4] Wer wissen will, was in Ungarn passiert, der sollte nicht nur schlaue Bücher aus der eigenen Blase lesen, der sollte vor allem sich mit den Menschen auf der Straße unterhalten.

[1] z.B. charakterisierte er den Krieg als einen zwischen zwei slawischen Völkern und zieht damit jahrundertealte Fäden in die Konfliktbeschreibung ein.
[2] Aufschlußreich auch die Zugriffszahlen: während der Youtube-Kanal „Partizán“ mit seiner Übertragung schon 1,5 Millionen Zuschauer generieren konnte, blieb die Analyse auf M1 mit 3000 Klicks nahezu unbemerkt
[3] Déli=Mittag, Süden, báb=Figur, Bild
[4] Auch das hätte man z.B. von Lenin lernen können – wenn man nur den Mut dazu fände. Zum Thema später mehr.

siehe auch:

Systemische Korruption in Ungarn
Nationaler Block
Hegemoniale Illusion und illusionäre Hegemonie
Die Stimme des Volkes
Heute möchte ich kein Ungar sein
und viele andere

13 Gedanken zu “Viktor Orbáns Waterloo

  1. Nordlicht schreibt:

    Wenn eine Seite 44% bekommt und der Gegner 30%, handelt es sich für erstere kaum um ein Waterloo.

    Seidwalk: Das sind die Worte Péter Magyars und unter dieser Parole wurde das Wahlereignis in Ungarn diskutiert.

    https://24.hu/belfold/2024/06/10/valasztas-2024-orban-viktor-magyar-peter-eredmenyvaro-beszed-video/?fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTAAAR0a1xdYXZQW90kO6_S1JTHbpV4B7tlxiNyRMkI_xPDY-r1QxVsrrT0Avjc_aem_AaRDcWxoxQCE1B1MqU2eca_gWXvtYirg2lwzgX8ywBQGvrTGwIBADKP2atLUkg4SB698v3yOa6K6XpRm4GnYKuB1

    Ich hatte verschiedene Titel kontempliert: Der Anfang vom Ende, Orbáns letzter Sieg etc. Ist nicht in Stein gemeißelt.

    Ob das Bild stimmt, wird die Zukunft zeigen. Jetzt haben beide Seiten 2 Jahre Zeit, sich auf die Entscheidungsschlacht vorzubereiten, sofern diese eine Wahl sein kann. Denkbar sind viele andere Szenarien. Orbán etwa baut auf Trumps Sieg – sollte dieser ausbleiben, steht er vor der Wahl zwischen Ost und West.

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    • Orbán etwa baut auf Trumps Sieg

      Wenn man sieht, wie Biden derzeit über die Plätze und Bühnen der Welt irrt und geführt wird, könnte man das für eine vernünftige Strategie halten.
      Wenn man weiß, dass es schon vor der letzten Wahl nur etwas besser war, nagen die Zweifel sehr.

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    • Michael B. schreibt:

      steht er vor der Wahl zwischen Ost und West.

      Das steht jeder, und das um so staerker je weiter oestlich er sich befindet. Betrifft also den jungen Mann genauso.

      Wie Sie sagen, i.M. alles Worte. Eine staerker akzentuierte Pro-EU-Haltung muss er sich auch leisten koennen. Besonders dann, wenn das mehr und mehr mit Pro-NATO verschmilzt. Mal sehen, ob er Orbansche Schuhe dann ausfuellen kann.

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      • Sollte Orbán sich nach einer Trump-Niederlage für den Osten entscheiden – und es wird ihm aus ökonomischer Sicht kaum etwas anderes übrig bleiben – dann entscheidet er sich gegen den Großteil seines Volkes, das deutlich pro EU ist. Spätestens dann könnte es für ihn das Ende der Fahnenstange sein. Erst recht, wenn es eine Opposition gibt, die vereinen kann.

        Magyar bringt mehrere Vorteile mit: er ist rechts und also stark identitär denkend, ergo Migration wird kein Thema sein; und er ist frisch, also noch nicht im Establishment verankert, auch wenn er dort schon einmal auf niederer Ebene war. Er kann also auch jene Fidesz-Leute rüberziehen, die nicht mehr aus Überzeugung bei der Sache sind, so wie die Idee des „demokratischen Sozialismus“ viele SED-Genossen abspenstig gemacht hat. Im Übrigen ist noch gar nicht sicher, daß Trump etwas für Ungarn tun würde. Zwar kam Orbán sehr aufgeblasen vom Staatsbesuch zurück, aber es ist viel zu unbedeutend, als daß Trump es nicht jederzeit opfern würde, if need be.

        Man darf auch nicht vergessen, daß Ungarn am Tropf der EU hängt. Orbán muß den Spagat schaffen zwischen Ablehnung von Migranten, LTGBQ und all dem Irrsinn, Ablehnung von Waffenlieferungen etc. und dennoch Kompromisse eingehen. Hat er bisher mit großer politischer Begabung geschafft.

        Das ist – nebenbei – auch der Grund, weshalb es keine offiziellen Beziehungen zur AfD gibt, weil er hervorragende Beziehungen zur CSU und CDU hat, die er nicht aufgeben will. Er wird das Erstarken der AfD eher mit Sorge sehen, obwohl sie ihn quasi vergöttert und die CDU ihn offiziell mit Schmutz bewirft, obwohl die AfD programmatisch viel eher bei ihm liegt als die Christdemokraten. Hier bleibt er Pragmatist oder Opportunist. Idealismus ist ihm fremd.

        Michael B:

        Hat er bisher mit großer politischer Begabung geschafft.
        

        Die Faehigkeit meine ich ja gerade mit seinen grossen Schuhen. Die muss man erstmal nachmachen.

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  2. Zorn Dieter schreibt:

    Also ich kenne Ungarn überhaupt nicht. Aber selbst die Website der ARD war sehr zurückhaltend in der Bewertung des Wahlsieges von Herrn Magyar. Er kommt mir vor, wie der Brutus mit dem langen Dolch, der unbedingt Königsmörder sein will. Einen Gebrauchtwagen würde ich nicht bei ihm kaufen. Insofern überrascht der hohe Prozentsatz seiner Wähler. Da haben Sie einen Punkt…

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  3. Michael B. schreibt:

    Die Kritik an den aelteren Artikeln zum ungarischen System war entschieden vielfaeltiger und balancierter als Ihre Kritik an der Kritik hier suggeriert. Das faengt mit aus Bedacht dick gesetzten Disclaimern darin an, aber hoerte damit nicht auf. Ersteres z.B. zu einer Rolle des Kritikers als Aussenstehender, der demzufolge natuerlich auch mit dem ungarischen „Mann auf der Strasse“ nicht gesprochen hat. Was aber generell auch gern einmal ein Totschlagargument ist, denn aus Gespraechen mit Leuten auf der Strasse auch in sehr viel besser bekanntem Umfeld z.B. des eigenen Landes kann man alles von X bis zum Gegenteil von X bekommen. Die Wichtung ist nichttrivial und ergibt sich i.a.R. erst aus viel weitergehenden Dingen als der kolportierten Situation, speziell als Gast. Buecher uebrigens generell moegen dahingehend erweitern oder auch voellig ins Kukucksheim fuehren, das haben sie so an sich.

    Was wieder – disclaimer – nichts zur konkreten Situation in Ungarn von Seiten dieses Kommentators sagen kann oder will. Aber zur Wertung und Rolle von Kritik.

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    • Das Gespräch muß man sich vorstellen wie zu DDR-Zeiten. Egal ob man mit dem Arbeiter oder Parteifunktionär gesprochen hat – die Mißstände waren immer sichtbar und sei es im Selbstbetrug und der Schönrede des Apparatschiks. Auch meine Gesprächspartner kommen aus ganz unterschiedlichen Milieus und Lagern. Es genügt ausch schon, sich das Staatsfernsehen anzusehen, KOssuth-Radio zu hören und es mit dem Oppositionssender – Klubradio -, zu vergleichen (das dem Phänomen Magyar ebenso hilflos gegenübersteht, nur aus linker Perspektive), um zu begreifen, wie der Hase läuft. Aktuelle Kamera leistete ähnliches.

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  4. externnet schreibt:

    Begnadigt hatte den Verurteilten, der selbst ja gar nicht pädophil war, nicht die inzwischen abgedankte Justizministerin, sondern die Präsidentin der Republik, die dann auch abdankte. Das ungarische System ähnelt dem des deutschen, das Staatsoberhaupt hat kaum was zu sagen. Der Regierungschef hat die Richtlinienkompetenz, Kanzler heißt er nicht, sondern Ministerpräsident (nicht Präsident pur). Geschenkt, das sind Kleinigkeiten. Dass aber eine losgerissene Schiffskanone, nämlich der geschiedene Ehemann der früheren Justizministern, vom Typ her ein gnadenloser Zuhälter, als für Ungarn der Hoffnungsträger herhalten soll, konnte ich jetzt nicht wortlos belassen. Wundern tut es mich nicht, denn die ungarische Sprache mag einzigartig, sogar großartig sein, die Bewohner des Landes sind es nicht. Zuviele Stämme und viel zu viele Zugewanderte (unter anderen meine Vorfahren) ergeben ein Volk, das zerrissen, sich und einander feindlich gesonnen ist: „Des Nachbars Kuh soll auch verrecken“ = Dögöljön meg a szomszéd tehene is!“ ist leider die herrschende Meinung dort. Uff, ich hab‘ gesprochen; demnächst schweige ich.

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      • externnet schreibt:

        Weil er so aussieht und sich so benimmt wie ein kleinstädtischer white trash Zuhälter, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Strizzi

        Das erste weibliche Staatsoberhaupt Ungarns Katalin Novák war am Abend, 8. Februar zu einem offiziellen Staatsbesuch in Doha/Katar eingetroffen. Der Besuch wurde (auf wessen Geheiß auch immer) vorzeitig beendet. Am 10. Februar 2024 erklärte Novák ihren Rücktritt als Staatsoberhaupt…

        Nach dem Rücktritt von Katalin Novák im Februar 2024 gab auch Judit Varga bekannt, ihre politischen Funktionen niederzulegen. Als Justizministerin hatte sie die inkriminierte Begnadigung vorzuschlagen…

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        • Hier mal ein Beispiel, das vielleicht einiges über den Typ, den Charakter aussagt. Auf seiner Abschlußdemo forderte er, von den Orbán-Medien eingeladen zu werden. Das ist nun bei ATV passiert. Magyar bezeichnet den Sender als Fidesz-Haussender, Wikipedia hingegen nennt ihn als Fidesz-kritisch … mit zunehmendesm Rechtsdrall über die letzten Jahre. Ich kenne ihn nur aus wenigen YT-Mitschnitten. Dort hatte man ihn gleich mit einer Liste konfrontiert, die ihn der Lüge überführen sollte (und wohl auch hat, nämlich, daß er vom Sender nicht eingeladen worden sei). Wir kennen Ähnliches aus AfD-Runden, nur daß dort vier gegen einen sitzen. Magyar hört sich das an, fragt immer wieder, ob es auch eine Frage gebe und steht dann auf. Bei alldem bleibt er ruhig, wirkt sicher und trifft schließlich eine sehr männliche Entscheidung. So zumindest sehe ich das. Auch davon könnte man bei der AfD lernen.

          Man muß kein Ungarisch verstehen, um die anderthalb Minuten in ihrer Bildkraft zu begreifen:

          Das sagt natürlich nichts über seine Inhalte.

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          • Michael B. schreibt:

            Wenn ich mal darf. An mir rauscht die Sprache ja tatsaechlich komplett vorbei. Ich kann mich also auf Tonfall und Mimik konzentrieren. Ich sehe seinen Aerger, ich sehe aber z.B. nichts spezifisch „Maennliches“. Das gebrauchen Sie immer einmal bei Ihren Helden, @seidwalk. Ich weiss gar nicht wo das herkommt, ich muss da immer etwas schmunzeln.

            Ich sehe nur gewoehnlichen Umgang. Moeglicherweise heute nicht mehr normal, gerade wohl in Altmedien. Da sollte wohl wahrscheinlich (keine Ahnung, ich rezipiere die ja kaum noch) tatsaechlich oefter mal jemand aufstehen. Unterhalb dieser Schwelle des Medialen, aber im Vergleich bezueglich der moeglichen Konsequenzen keineswegs weniger Risikobehafteten funktioniert mein Leben allerdings weiterhin so. Bei mir selbst, aber auch dem Umfeld, auch mit Frauen als Beispielen uebrigens.

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            • Sollte der Eindruck entstanden sein, Magyar sei mein Held, dann muß ich dem widersprechen. Er ist ein Phänomen, das man studieren und begreifen sollte, will man die Mechanismen der Politik verstehen. Umso mehr vor dem Hintergrund der Theorie der „kulturellen Hegemonie“ und des „historischen Blocks“, die man als umgewendeten Gramscismus in der Neuen Rechten ventilert. Sein rasanter politischer Erfolg als quasi Einmann-Bewegung rechtfertigt das Interesse.

              Ich versuche mich vollkommen distanziert zu verhalten. Was gegen ihn spricht, ist der Mangel als Konzept. Es gibt ja noch nicht mal ein Programm. Daß er dennoch zu stärksten Opposition gegen Orbán werden konnte, die stärkste, die es jemals gab, stärker als ein Sechsparteienbündnis, deutet auf den prekären Zustand der ungarischen Gesellschaft hin. Daher sehe ich auch Orbán als ambivalent: ich teile viele seiner Analysen und Sichtweisen und hebe sie immer wieder auch als Unikum im europäischen Politikgeschäft hervor, aber ich verabscheue die charakterlichen Defizite und den Versuch, politische Macht durch außerpolitische Methoden zu behalten mit der Tendenz – wie immer in solchen Fällen – zur Diktatorisierung.

              Vergleichscharaktere gibt es ja auch in D und sie machen gerade negative Geschichte.

              Ich hatte übrigens eine Bekannte nach den Inhalten Magyars gefragt. Sie ist selbst konservativ, ebenfalls ehemals Fidesz aber schon früh wegen der Kungeleien ausgetreten und dann zum Gegner geworden. Hat auch Magyar gewählt. Sie schrieb: (einfach durch den Translator jagen, dann wird das Wesentliche verständlich):

              Ezekről beszél általában: képviselőikkel a Néppártba szeretnének bekerülni. Az EP-ben a képviselőiktől elvárják, hogy ne csak a napi zsoldot vegyék fel, hanem dolgozzanak is. Továbbá: olyan szakbizottságokba szeretnének bekerülni, ahol az ország javára tudnak tenni (pl. energetikai/ jogi /mezőgazdasági /egészségügyi /környezetvédelmi szakbizottság). Az Erasmus program visszaszerzése. Környezetvédelem (ne legyenek akkumulátor gyárak). A MÁV infrastruktúrájának fejlesztése, az egészségügy megreformálása (pl. ne legyen 800 betöltetlen háziorvosi praxis), legyenek az iskolákban tanárok, szabad tankönyvválasztás (oktatás fejlesztése). Kis- és középvállalkozások támogatása. Ne ürüljön ki a vidék. Ne hagyják el az országot a fiatalok. Ne legyenek simlis közbeszerzések, ne LOPJANAK a politikusok. Ne legyenek oligarchák, ne legyen korrupció. Független Ügyészség, független legfőbb ügyész. A FiDESZ klán leváltása. Ellenségképek (Brüsszel, Soros) lebontása. Ne legyen gyűlöletkampány és háborús uszítás. Göbbels-i (Flickenstein-i) propaganda kiiktatása, független média. A politikusok ne hazudjanak és ne költsenek értelmetlen projektekbe (MWM dóm). Szatellit pártok kinyírása, stb stb stb (nagy dumás a pali).

              Klingt alles sehr differenziert, aber es sind vorerst nur Worte. Wie er das umsetzen will, bleibt offen.

              Statt „männlich“ hätte man auch „aufrichtig“, „deutlich“, „entschlossen“ etc. sagen können.

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