Terror als Ausweg

Angesichts der Bilder (nur für Hartgesottene!), wie sich fünf junge Männer in Cambrils von der Polizei hinrichten lassen, indem sie sich verweigern, die Arme zu heben und ohne effektiv etwas ausrichten zu können – die Sprengstoffgürtel erweisen sich später als Attrappen –, darf man sich erneut fragen, welche Psycho-Logik hinter solch scheinbar absurden und aller menschlichen Natur widersprechenden Verhaltensweisen steckt. Ein Grund, ein starker, wenn auch nicht der einzige, dürfte sich im Religiösen verbergen. Daher noch einmal der Versuch, den „Terror als Ausweg“ zu beschreiben:

Euthanasie ist heutzutage ein Unwort geworden – die systematische Vernichtung „unwerten Lebens“ durch die Nationalsozialisten hat einen einst ehrenwerten Begriff entwertet.

Der „schöne Tod“ war einst ein Ideal der stoischen Philosophie. Der Weise entschied nach langer Meditation und ohne äußeren Drang den Tod als natürlich und unabänderlich zu akzeptieren und bestimmte selbst den Zeitpunkt. Schon Sokrates machte es vor, als er das Ansinnen seiner Jünger, den Todestrakt zu fliehen, ablehnte und gleichgültig den Schierlingsbecher leerte. Der Stoiker Seneca war einer der großen Sterbemeister – er schnitt sich in aller Seelenruhe die Pulsadern auf. Es gab vor allem zwei Todesarten, die den Stoiker überzeugten: Verhungern und Verbluten – in beiden Fällen war die Irreversibilität aufgehoben, konnte die Entscheidung bis zuletzt freiheitlich bestimmt rückgängig gemacht werden, war Reue nach der Tat also ausgeschlossen. Freitod ist der treffende Begriff dafür.

Aber dieses Ideal wird selten erreicht. Selbstmord ist in den allermeisten Fällen eine Verzweiflungstat, die keiner wohlüberlegten und philosophisch durchdachten freien Entscheidung, sondern meist psychisch determinierten Zwängen folgt. Die moderne Gesellschaft bringt immer mehr Menschen an den Rand dieser Verzweiflung – die Ursachen sind komplex.

Muslimen allerdings – die statistisch gesehen vermutlich unter den gleichen Zwängen, Ängsten, Depressionen, Frustrationen und Sinnentleerungen leiden – steht dieser Weg nicht offen. Koran und Hadithe sind hier eindeutig: „Und tötet euch nicht selbst. Siehe, Allah ist barmherzig gegen euch. Und wer das in Frevelhaftigkeit und Ungerechtigkeit tut, den werden Wir ins Feuer stoßen; und das ist Allah ein leichtes.“ (Sure 4.30f.) oder: „Jemand der sich erdrosselt, erdrosselt sich für die Hölle. Jemand der sich selber ersticht, der ersticht sich für die Hölle.“(Bukhari 2.23.446) u.a. Das Höllenfeuer droht und die meisten Muslime fürchten das Höllenfeuer mehr als irgend etwas, auch mehr als den Tod.

Turkmenistan und Mauretanien liegen als erste islamische Länder mit einer Quote von 8,5 Suiziden auf 100 000 Ew. weit abgeschlagen auf Rang 55 der Weltsuizidliste, andere arabische Länder geben sogar Null Prozent an.

Nur für den Märtyrer gilt das nicht unbedingt – so lehren es die heiligen Bücher und verschiedene Schulen: „Jeder, dessen Füße für die Sache Allahs mit Staub bedeckt werden, wird vom Fegefeuer unberührt bleiben.“ (Bukhari 4.52.66) oder: „‘O Prophet Allahs! Wer ist der Beste unter den Gläubigen?‘ Allahs Prophet antwortete: ‚Ein Gläubiger, welcher sein Äußerstes hergibt für die Sache Allahs mit seinem Leben und seinem Besitz.‘“ (Bukhari 4.52.45)

Wer, so glauben einige – ganz grob verallgemeinert –, für die Sache des Islam sein Leben gibt, kommt direkt ins Paradies. Damit werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Höllenfurcht wird „besiegt“ und eine Abkürzung ins Paradies geboten und die eigene Lebenssattheit kann positiv instrumentalisiert werden.

Was also liegt näher, als immer öfter auf Menschen zu treffen, die diese Verbindung herstellen werden, die glauben und sich einreden – denn natürlich ist es gegen die koranische Urintention – als Märtyrer (sprich Selbstmordattentäter) im Glaubenskampf durchzugehen, wenn sie sich medienwirksam an Flughäfen in die Luft sprengen oder sich in Lastkraftwagen oder Nachtklubs oder an Badestränden erschießen lassen?

Wir werden vielleicht in Zukunft verstärkt mit diesen „Märtyrern“ zu tun zu haben, die weder im Solde des „Islamischen Staates“ stehen, noch durch Geheimdienstarbeit auffindbar sind. Es könnten ganz einfach irregeleitete Irre falsch verstandenen und instrumentalisierten – aber auch ermöglichenden! – muslimischen Glaubens sein.

erstmals veröffentlicht im Juli 2016

5 Gedanken zu “Terror als Ausweg

  1. Leonore schreibt:

    Meiner Ansicht nach liegt weder eine Fehlinterpretation noch ein Mißverstehen des Islams vor und es widerspricht auch nicht der koranischen Urintention, „als Märtyrer (sprich Selbstmordattentäter) im Glaubenskampf“ das Jüngste Gericht zu vermeiden und sozusagen eine Garantie für den Eintritt ins Paradies zu erwerben..

    Das Mißverständnis liegt vielmehr da, wo der Selbstmordattentäter als Selbstmörder angesehen wird. Für den Islam ist er das nicht. Sein eigener Tod wird nämlich lediglich als ein „Kollateralschaden“ in seinem Kampf auf dem Weg Allahs angesehen.. Für ihn gilt die Verheißung
    Allahs in Sure 9, 111.

    (Online zu finden oder bei Minute 30 der unten angegebenen Youtube-Dokumentation).

    Und in der Glorifizierung des Sterbens beim Dschihad durch Mohammed, die u.a. in der Authoritative Traditions of the Prophet Muhammed. The Hadiths of Sahih Al-Bukhari Vol. 4, Bk 52, Hadith 53 überliefert wird:

    „The Prophet said, ‚Nobody who dies and finds good from Allah [in the Hereafter] would wish to come back to this world even if he were given the whole world and whatever is in it …except the martyr who, on seeing the superiority of martyrdom, would like to come back to the world and get killed again [in Allahs cause].“.

    Zitiert nach [Documentary] Islam: What the West Needs Know

    Minute 14:29 / 1:38:41
    Die qualitativ hochwertige Dokumentation sollte man sich in voller Länge anschauen.

    Ob die Beteuerungen von manchen Imamen, die Selbstmordattentäter kämen in die Hölle, weil Selbstmord im Islam verboten sei, auf Unwissenheit beruhen oder ob sie unter Taqiyya zu verbuchen sind, mag von Fall zu Fall verschieden zu beantworten sein.

    Daß die Charite in Berlin vor einigen Jahren eine „Suizidpräventionsinitiative für Frauen mit türkischem Migrationshintergrund“ gegründet hat, sei noch erwähnt. Man wollte in einer mehrjährigen Studie klären, „warum die Selbstmordrate bei ihnen offenbar doppelt so hoch ist wie bei ihren deutschstämmigen Altersgenossinnen“.

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-76121047.html

    Typisch für den SPIEGEL wird in diesem Artikel die Ursache sehr stark auf die angeblich oder tatsächlich vermißten Möglichkeiten des sexuellen Sichauslebens zurückgeführt. Daß hier aufgewachsene Schulmädchen sich jedoch vielleicht lieber das Leben nehmen, als mit 15 oder 16 in die Türkei gebracht und mit irgendeinem Cousin verheiratet zu werden, wäre als Erklärung womöglich nicht politisch korrekt genug gewesen. .

    Vielleicht täuscht mich mein Eindruck, aber dieses Problem scheint zur Zeit nicht mehr so groß zu sein: Vielleicht werden jetzt weniger Mädchen zurückgebracht und mehr Bräutigame nach Deutschland geholt. Es würde ins Gesamtbild passen. Ich weiß aber nichts Genaues darüber, weil ich seit über einem Jahr zu beschäftigt bin, um mich auf dem Laufenden zu halten.

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  2. Konservativer schreibt:

    Terror als Ausweg?

    Selbstaufopferung im Kampf gegen die Ungläubigen unter der Prämisse, im Jenseits dafür belohnt zu werden.

    Diesen Kampf nennt man normalerweise Krieg.

    Ein Blick in das folgende Video beweist das, auch wenn sich die Japaner auf militärische Ziele beschränkten. Beachtenswert das Abwehrfeuer der Amerikaner, insbesondere ab 2:50.

    Wie auch immer, Fjordman präsentierte vor Jahren eine gewaltfreie Lösung für unser (eingewandertes) Problem:

    „…
    Physische Trennung. Der Islam und die, die ihn praktizieren, müssen völlig und dauerhaft aus allen westlichen Staaten entfernt werden.
    …“
    Quelle: https://nixgut.wordpress.com/2015/07/10/fjordman-warum-der-islam-aus-dem-westen-verwiesen-werden-muss/

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    • Vielen Dank, daß sie uns hier mit Fjordmann bekannt machen – ich kenne einige seiner Texte. Dieser hier gehört zu seinen schwächsten, der weder argumentativ bestehen kann (was die Beschreibung des Islam betrifft) noch auch nur eine sinnvolle Lösung anbietet, schon gar keine friedliche. Man kann den Islam nicht einfach nach dem Prinzip „die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ aussortieren. Das ginge nur, wenn man ihn sich wie eine feste Materie vorstellt – aber auch der Islam ist ein Rhizom und hat schon „Rhizom gemacht“ (Deleuze), er ist Teil unseres Gewebes. Wollte man ihn herausoperieren – aber schon diese medizinische Metapher ist Unsinn – dann müßte man ganze Glieder, wenn nicht sogar Herz und Kopf entfernen.

      Da wir schon bei medizinischen Metaphern sind: Man sollte in dieser Frage homöopathisch denken: similia similibus curentur

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      • Ulrich Christoph schreibt:

        Zustimmung zu Ihrer Ablehnung der „Methode Fjordmann“, die auf eine physische Aussortierung von missliebigen Bevölkerungsgruppen hinausläuft.
        Wie so etwas in letzter Konsequenz in die Tat umgesetzt wird, demonstriert derzeit der IS.
        Zur Beschreibung der verwendeten Prozeduren bieten sich anstelle von medizinischen Metaphern konkrete Begriffe an wie aushungern, erschießen, vergewaltigen, versklaven, sprengen und – so subtil wie zielführend – die psychische Vernichtung der Überlebenden, – Begriffe, die vor einigen Tagen in einer TV-Reportage (arte? 3-SAT?) über Mossul, den IS und dessen Techniken des nachhaltigen Aussortierens der christlichen Restbevölkerungen Syriens und des Irak eine anschauliche Verwendung fanden.
        Eine Szene zeigte den Kameramann des Beitrags, einen Syrer christlichen Glaubens; er betrat das zerstörte Kinderzimmer seines gesprengten Elternhauses in einem verwüsteten Dorf und zog nach einigem Suchen unter zertrümmerten Möbeln ein Fotoalbum hervor, aus dem IS-Leute zu allem Überfluss sorgfältig (!) sämtliche Fotografien seiner Familienangehörigen entfernt hatten. Der ihn begleitende Journalist fragte ihn: „Sag’ mir bitte: Was können wir im Westen für euch hier in Syrien tun?“ Die Antwort des Syrers (Gedächtniszitat) kam schnell und mit Nachdruck: „Bisher war der Teufel hier bei uns, jetzt ist er bei euch. Uns braucht ihr nicht zu helfen, ihr müsst euch selber helfen!“
        Similia similibus curentur hilft dem Westen beim sich-selber-helfen aber auch nicht weiter.

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  3. Pérégrinateur schreibt:

    “Suicide by kafir” sozusagen. Die letzteren stehen dabei allerdings oft allzu lange auf der Leitung, was dann vermutlich eine Ungehörigkeit gegenüber den wahren Gläubigen in solcher Bedrängnis ist. Difficile est kynismon non scribere.

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