Die Ehe als historischer Begriff

„Gott ist tot!“ – „Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen?  Stürzen wir nicht fortwährend?  Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts?  Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? “ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra)
„Wenn die ‚Ehe für alle‘ kommt, dann wird vielen etwas gegeben, aber niemandem etwas genommen.“ (Thomas Oppermann, SPD)

Es ist ein trauriger Tag. Für die deutsche Sprache. Denn sie hat gerade ein weiteres Wort verloren, ist ärmer geworden, und ein wichtiges Wort dazu. Das Wort „Ehe“.

Die Ehe wird im „Deutschen Wörterbuch“ wie folgt definiert: „gesetzlich (und kirchlich) anerkannte Lebensgemeinschaft zweier nicht gleichgeschlechtlicher Personen.“ Schon die Klammer deutete eine Säkularisierung des Begriffes an, denn ursächlich war die Ehe allein vor Gott bindend. Bislang ist sie es immerhin noch vor dem Gesetz, aber auch das wird sich, wenn man die Zeichen der Zeit versteht, in absehbarer Zeit ändern – dann wird es der Freundeskreis, der Firmenchef oder das Gewissen oder das persönliche Versprechen oder der Geist der Ahnen oder Nachkommen oder die iWatch, was auch immer, sein.

Tatsächlich aber ist die Ehe – als Begriff – mit der „Ehe für alle“ gestorben.

Es ist wie mit dem Freibier für alle. Wenn alle Freibier bekommen, dann ist es kein Freibier mehr, weil der Begriff der Freiheit sich von einem „Wovon“ oder einem „Wozu“ absetzen können muß. Freiheit gibt es nur vor dem Hintergrund der Unfreiheit und Freibier für alle kann es immer nur für dieses eine Bierzelt, diese eine Gesellschaft, diesen einen Verein geben und weil es da draußen eben keins gibt. Freiheit gibt es nur dort, wo es eine bezügliche Unfreiheit, einen Zwang, ein Verbot gibt. Niemand spendiert Freiluft für alle oder Zeit für alle – der Begriff ist sinnlos, denn Atemluft ist frei verfügbar.

Mit der Verwirklichung der Idee der „Ehe für alle“ ist der Begriff obsolet geworden, er ist in die Historie gerutscht und kann nur noch historisch verstanden werden. In ein paar Generationen wird man ihn nicht mehr entschlüsseln können oder aber er wird eine vollkommen neue Bedeutung angenommen haben, die mit dem Entschluß des Zusammenlebens (nicht gleichgeschlechtlicher Personen) vor einer höheren Macht nichts mehr gemein haben wird.

Dann werden andere Gruppen sich aufgrund von Diskriminierung längst für ihre Gleichstellung stark gemacht haben: inzestuöse Beziehungen, Pädophilie, Sodomie, Nekrophilie, Vielweiberei, Vielmännerei, Polyamorie, Bi-, Tri-, Multi-, Auto- oder eben Asexualität … -philie, -phobie, -phagie … alles gleich, beliebig, der Phantasie ist keine Grenze gesetzt und warum sollte man einen schnellen Gelegenheits(arsch)fick in der Bahnhofstoilette nicht auch irgendwann juristisch sanktionieren? Haben die sich etwa nicht auch für einen Moment geliebt?

Apropos: der Begriff der Liebe wird der nächste sein.

3 Gedanken zu “Die Ehe als historischer Begriff

  1. Leonore schreibt:

    Fair is foul,and foul is fair,
    hover through the fog and filthy air.

    (Macbeth)

    Das ist der Marsch der 68er durch die Institutionen … bzw. seine Folge. Sie haben die Ehe als „spießig“ und „bourgeois“ gehaßt und verachtet.

    Zum großen Verdruß der Linken wollen immer noch mehr als zwei Drittel der Jugendlichen heiraten und Kinder haben (Shell-Studie), immer noch hat immerhin die Hälfte der Ehen tatsächlich „bis daß der Tod euch scheidet“ Bestand. Sie scheint einfach nicht totzukriegen. Fast als ob sowas wie ein Segen drauf liegen würde.

    Nun der Versuch, die Ehe von innen heraus kaputtzumachen, indem man sie für alle öffnet, sodaß ihre Bedeutung bald kaum noch jemand erinnerlich ist.

    Ob dieser Versuch wohl gelingt?

    Sie haben jedenfalls recht, lieber Seidwalk, – der nächste verschwindende Begriff wird „Liebe“ sein. Auch dieses Ziel schien schon im – als einfach nur kess mißverstandenen – Sponti-Spruch „Wer dreimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment“ auf.

    Ob die Welt durch diese Kulturrevolution wohl schöner und lebenswerter wird?.

    Aber denjenigen, die die Umwertung der Werte wollen, die Schönes häßlich und Haßliches schön nennen, erscheint sicher schon die Frage zum Totlachen.

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    • Pérégrinateur schreibt:

      Wenn man sich etwa die vielen Gedichtlein und Lieder von Prévert und Konsorten aus den 1930 Jahren anschaut, dann findet man in ihnen die Erwartung, es müsse nur die Sexualität frei sein, und schon wären die meisten Übel der Gesellschaft beseitigt. Diese Vorstellung wirkt bis heute fort, woher sie auch immer letztlich herrühren mag. Aber sind die Menschen in unseren modernen Zeiten wirklich glücklicher geworden? Man kann etwas zweifeln.

      Die gerühmte Frauenbefreiung hatte etwa zu Folge, dass jetzt viele Mütter ihre Kinder ganz alleine aufziehen, natürlich neben ihrer Berufstätigkeit, deren sie schon allein bedürfen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Und wenn man dann doch als emanzipiertes Paar lebt, muss bei jedem Papierl, das vom Tisch auf den Fußboden fällt, heute gründlich ausdiskutiert werden, ob diesmal gerechtigkeitshalber er oder sie fürs Aufheben zuständig ist. Auch so kann man sein Leben füllen.

      Treten wir etwas zurück. Die Welt ist nicht gerade fürs menschliche Glück eingerichtet, und wenn man ein Unglück zur Vordertür hinausjagt, schleicht das nächste schon durch die Hintertüre herein. Für alles bezahlt man einen Preis, und die höchsten persönlichen Ideale sind meist nur lächerlich.

      « Le premier serment que se firent deux êtres de chair, ce fut au pied d’un rocher qui tombait en poussière ; ils attestèrent de leur constance un ciel qui n’est pas un instant le même ; tout passait en eux et autour d’eux, et ils croyaient leurs cœurs affranchis de vicissitudes. Ô enfants ! toujours enfants !… »

      https://fr.wikisource.org/wiki/Jacques_le_fataliste_et_son_ma%C3%AEtre

      Tja, der alte Schwerenöter Diderot mit seiner Wäschersgattin und seinen gräflichen Musen – der kannte sich gut aus in jeder Art von Arbeitsteilung.

      Den Verlust der Liebe sehe ich deshalb nicht kommen; sie wird seit je kontrafaktisch begehrt, und wieso sollten die Menchen plötzlich auf ein illusionäres Begehren verzichten?

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  2. Pérégrinateur schreibt:

    Anwälte berichten davon, dass immer wieder angefragt werde, wie man sein Haustier als Erben einsetzen kann. Anwort: Es geht nicht, Tiere können legal nicht erben. Stattdessen macht den Dreh, dass ein Tierschutzverein begünstigt wird, der dafür die Verpflichtung übernimmt, das Tier zu versorgen.

    Im Lichte von morgen ist das nach der anstehenden Neuregelung eine unerträgliche Diskriminierung, die irgendwann auch unbedingt abzustellen sein wird. Man sollte in den Gazetten schon einmal die Tragödie der nach dem Tod ihres Besitzers oder ihrer Besitzerin unversorgten Blindenhündinnen und -hunde aufs Tapet bringen.

    Die Neuregelung kann man einstweilen so zusammenfassen, vorsichtshalber auf Französisch: « Le mariage est une union légale entre deux personnes, permise dès qu’il y a baise ou promesse de baise. »

    DIe „“bolschewistische“ Regelung nach der Oktoberrevolution – Abschaffung der Ehe schlechthin unter bloßer Beibehaltung des Melderechts – schiene mir da konsequenter.

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