Multikulti im Sandkasten

„Nicht ‚Rassismus‘ ist ein ‚strukturelles Problem‘, sondern der ‚Multikulturalismus‘. ‚Rassismus‘ ist die Hypothese der Multikulturalisten, warum ihr Projekt nicht funktioniert.“  (Martin Lichtmesz)

Die alltäglichen Schwierigkeiten des Zusammenlebens in einer bunten, multikulturellen Gesellschaft kann man vielleicht am besten auf einem großstädtischen Kinderspielplatz erleben.

Wir hatten gerade das Vergnügen, ein paar Stunden auf mehreren Wiener Spielplätzen herumzustehen. Internationaler geht es dort, im 1. Bezirk, im Zentrum der Stadt, nicht. Von 15 Kindern dürften 13 nichtösterreichischer Herkunft sein und auch die beiden Eingeborenen stammen vermutlich aus Mischehen. So kommt es, daß man scheinbar alle Sprachen der Welt hört.

Das Besondere am Wiener Zentrum: hier gehören die Eltern zur gesellschaftlichen Oberschicht. Das sind keine Migranten oder Asylbewerber, sondern Diplomaten, Wissenschaftler, Geschäftsleute, Banker, Professoren, Künstler … und wohl alle erziehen ihre Kinder im One-World-Sinne. Fast alle haben ein IPhone in der Hand und tun darauf wichtig, während sie ihre Kinder beobachten oder schaukeln. Kein einziges Kind kommt ohne elterlichen Begleitschutz, oft sind es gleich mehrere Beobachter. Ein russischer Junge trägt einen Anorak der US-Army – so weit geht hier das Bekenntnis.

Allein, die Kinder sind – wenn sie nicht schon mit Landsleuten ankommen – alle Einzelkämpfer. Es kommt kaum zu spontanem kindlichem Zusammenspiel. Dabei sollte man doch erwarten, daß gerade die Kleinen, die teilweise noch nicht mal sprechen können, mühelos nationale Hürden nehmen, ja diese sogar vollkommen negieren müßten. Aber die Knirpse mit Kippa spielen zusammen und die Russen bilden einen Haufen und die Asiaten ebenfalls, ohne daß es zu Kontakten käme.

Das liegt zum einen an den Eltern, die den Kontakt selten suchen. Das liegt zum anderen aber auch daran, daß man das andere Kind schwer versteht. Ein kleiner österreichischer Junge schaufelt friedlich seinen Sand, als ein sehr stark dunkel behaartes Bürschchen zu ihm tritt und ihm seine zweite Schaufel ungefragt nimmt. Die Mutter steht daneben und hält das für das Selbstverständlichste der Welt, der kleine Junge aber beginnt sich sofort unwohl zu fühlen und will weinen, da wird er aber von seiner Mutter im schönsten Wienerisch belehrt, daß man doch teilen müsse und er doch auch noch die andere Schaufel habe. Derweil bewirft ihn der Eindringling mit Sand und beide Mütter akzeptieren das – die eine aus Desinteresse oder Überlegenheitsgefühl oder einer anderen Raumvorstellung, die andere aus Toleranzgründen.

Überhaupt sind das Raum- und Besitzgefühl die entscheidenden Differenzen. Während die einen sich ganz nah auf die Pelle rücken, suchen andere den Abstand, doch ihr Ausweichen führt nur zu mehr Annäherung. Ein kleines Mädchen hat einen Ball dabei, der das Interesse vieler Kinder weckt. Die einen nehmen ihn einfach unter den Augen ihrer Eltern, andere werden mit „nein, nein“ (Übersetzung SW) zurückgepfiffen, wieder andere haben ihre Eltern als Hilfe, die entweder – wie die Amerikaner – quasselnd und mit hoher Stimme auf die Eltern des Mädchens einreden und sich hundert Mal entschuldigen oder – wie bei den Russen – belehrt werden, das kleine Mädchen – das im Übrigen viel zu jung ist, die Szene zu verstehen – um Erlaubnis zu fragen. Undsoweiter. Eine Verhaltensnorm ist hier nicht erlernbar, ein „Man“ nicht greifbar.

Ein spanisches Ehepaar kann scheinbar nur – wie Spanier das so tun – im exaltierten Modus lautstark miteinander reden und dementsprechend sind auch die lockenmähnigen Kinder laut und quirlig. Ein blasser weißer Junge von Sonstwoher – vielleicht aus dem Baltikum –  mit schönem Seitenscheitel, steht hingegen erschrocken in der Ecke und beobachtet alles mit ängstlichen Augen – diese Energie ist ihm sichtlich fremd.

Natürlich gibt es auch gelegentliche Annäherungen, meist zwischen den Eltern, sofern es eine gemeinsame Sprache gibt, aber hier in der Innenstadt sprechen fast alle irgendein Englisch. Ich selbst rede ein paar Sätze mit einer ungarischen Mama, die sich freut ihre Landessprache zu hören. Sie spricht ihr Kind im Wechsel Deutsch und Ungarisch an – das ist herzerwärmend zu sehen.

Dennoch bleibt am Ende der Eindruck, daß die nationalen, die kulturellen Unterschiede zu groß sind, um selbst ein spontanes gemeinsames kindliches Spiel zu ermöglichen und auch die Eltern bleiben in der Regel allein oder unter sich.

Mit meinen Kinderzeiten hat das nichts mehr zu tun und auch zu Zeiten meiner Kinder sah die Welt noch ganz anders aus. Auf einem Leipziger Spielplatz saßen die Mütter und Väter am Rand und griffen nur selten in das wechselnde Spiel der Kleinen ein, die sich wunderbar selbst und gemeinsam zu beschäftigen wußten. Es genügte der ferne Blick der Eltern, die notwendige Sicherheit zu verleihen.

Ein Gedanke zu “Multikulti im Sandkasten

  1. Niavis schreibt:

    Mit Szenen wie in Wien könnte ich leben. Nicht harmonisch, aber wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Man tut sich nichts zu Leide. In Nürnberg gestaltete sich die Lage bereits ungemütlicher, als ich vor drei Jahren nach einem Ausflug einen Spielplatz suchte. Ich hatte es meinem Kleinsten versprochen. Mein Handy wurde fündig und lotste mich in eine dichtbesiedelte Wohnsiedlung. Der Spielplatz war schön. Ich fand es ulkig, dass die Jugendlichen und Kinder mit gebrochenem Deutsch untereinander kommunizierten. Sie schienen noch nicht lange in Deutschland zu leben. Man hätte meinen können, Deutsch wäre eine Art Weltsprache. Allerdings ging es dort sehr rau zu und einen kurzen Moment zögerte ich und wollte umkehren. Ich beruhigte mich, da auch Mädchen schaukelten und friedlich Hip-Hop hörten. Ein altes Mütterchen saß mit Kopftuch am Rande des Platzes. Alles gut.
    Zuerst beachteten sie uns gar nicht. Bis sich eine Gruppe bildete und meinen ältesten Sohn schubsten und trätzten. Wir sollten nämlich gehen und es sei nicht unser Spielplatz. Ich versuchte die Situation zu klären und es wurde dann recht schnell laut. Bald stellten sich erwachsene Männer dazu, wortlos, mit verschränkten Armen. Anstatt uns zu helfen und ihre Rabauken zurückzupfeifen, glotzten sie mich einfach nur an. Die Mädchen und das Mütterchen waren weg. Ich war die einzige Frau. Bevor die Situation eskalierte, packte ich die Kids und bin regelrecht geflohen. Sie verfolgten uns bis zum Auto. Ich kenne ja Nürnberg und ging dort in die Schule. Es war ein üblicher Revierkampf. Eine Mutter mit Kleinkindern hätten sie geduldet. Aber einen männlichen Jugendlichen mitzunehmen, das geht in einer Neubürgergesellschaft eben nicht ohne weiteres. Ich hätte es besser wissen müssen.

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