Für einen Euro bei Ebay erwischt und zugeschlagen: Zimmermann: Martin und Fritz Heidegger. Philosophie und Fastnacht. Buch kam pünktlich, guter Zustand, alles bestens.
Aber dann sieht mein Auge eine Handschrift über Heideggers Vornamen. Hat da doch jemand „Nazi!“ – mit Ausrufezeichen – drüber gekritzelt. War in der Artikelbeschreibung natürlich nicht angegeben.
Da mußte ich lachen und es gleich meiner Frau zeigen. Sofort eine Wertsteigerung in meinen Augen, denn das Volk hat wieder einmal gezeigt, wie man es behämmern kann. Wer immer das geschrieben hat, der hat das heutzutage gängige Narrativ wiederholt: Heidegger? Nazi! Mehr muß man nicht wissen und gelesen haben.
Ich schreibe den Verkäufer an, ganz freundlich und zuvorkommend und gespielt naiv, was das denn zu bedeuten und wer das dahin geschrieben habe.
Da habe ich was angestellt! Große Aufregung!
„ …tut mir Leid dass ich das übersehen habe. Aber ich habe das Buch mitgenommen an einer Büchersammelstelle an dem man kostenlose Bücher abgeben kann und auch kostenlos mitnehmen kann. Hätte ich es gesehen bzw. bemerkt hätte ich das Buch nicht in Ebay eingestellt sondern in der Papiertonne entsorgt. Kann ihnen also keine Auskunft darüber geben was das bedeuten soll und wer das geschrieben hat. Muss meine Bücher, die ich bekomme bzw. einstelle in Zukunft genauer anschauen damit sowas nicht wieder passiert. Es hat nichts mit meiner Einstellung zu tun den wie geschrieben ist das Buch nicht von mir selbst.
Hoffe ich konnte ihre Frage wenigstens einigermaßen, wenn auch nicht wirklich beantworten.
Wenn notwendig schick ich ihnen den Kaufpreis zurück und sie vernichten das Buch in der Papiertonne.“
Gütiger Gott! So viel Angst und Schrecken und Reue und Selbstkritik und Entschuldigung und Wiedergutmachung wegen so einer Kleinigkeit. Mußte den guten Mann sogleich beruhigen und hinterließ augenblicklich eine positive Bewertung, um ihn etwas zu erleichtern, denn:
„Worum die Angst sich abängstet, ist nicht eine bestimmte Seinsart und Möglichkeit des Daseins … Worum sich die Angst ängstet, ist das In-der-Welt-Sein selbst.“ (Sein und Zeit, 187)
Nun ist der Nur-Nazi Heidegger in der Welt und die Angst ängstet sich vor dem Kontakt. Das mag der Grund des Vorbesitzers gewesen sein – nachdem dem Buch das Kainsmal „Nazi!“ verpasst worden war –, es hektisch in die Buchstiege zu pressen – man verbrennt in Deutschland schließlich keine Bücher mehr – und sie war auch der Grund der Panik des Weiterverkäufers, vor dem Urteil des Dritten, der Gefahr, sich durch Berührung infiziert zu haben und der nie eingeforderten vorauseilenden Selbstkritik
PS: Stellt sich heraus, daß ich das Buch schon habe – aber das war es wert!
siehe auch: So geht Heidegger!
Immerhin hat der Buchverzierer sein Urteil noch in einem Wort ausgeschrieben, statt ein Emotikon zu benutzen.
Gibt es denn eigentlich schon ein „Nazibäh“-Emotikon? Es dürfte nicht leicht sein, eines zu finden, das zugleich eindeutigen Bezug hat und doch nicht unter das bekannte Symbolverbot fällt.
Aber radieren sie besser schon mal das „z“ in „Nazi!“ aus und ersetzen es mit „ts“; die magische Gefahrenabwehr, mit der uns unser Staat schützt, erstreckt sich ja inzwischen sogar auf Buchstaben, und da will man doch nicht beiseite stehen.
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