Das Paradox der Politischen Korrektheit

Die weitgehende hegemoniale Macht der links-grünen Ideologie – die eine lange Geschichte hat -, ist offensichtlich. Daran ändert auch die seltsame Wahrnehmung vieler linker Meinungsprotagonisten nichts, die exakt das Gegenteilige wahrnehmen wollen: eine Diskursverschiebung nach rechts. Anlaß für solche Bilder sind in der Regel Einzelerscheinungen, mehr oder weniger fragliche Äußerungen von Individuen, die dann unter dem Label „den Raum des Sagbaren ausweiten“ verarbeitet werden.

Tatsache hingegen ist, daß linkes Gedankengut in alle Institutionen, von der Presse über die Politik, die Management-Etagen, die Behörden und nun sogar die höchste Gerichtsbarkeit tief eingesickert ist und dort zu genuiner „Wachsamkeit“, mindestens aber zu Konformismus und vorauseilendem Gehorsam geführt hat. Das ist empirisch bewiesen und das kann jeder sehen, der offenen Auges eine der großen Zeitungen aufschlägt oder einen öffentlich-rechtlichen, bald wohl auch privaten Sender sieht oder der die tagtäglichen Existenzvernichtungen registriert.

Der Opposition zu all dem, in ihrer ganzen Vielfalt, bleiben nur Selbstverlage, selbst auf die Beine gestellte Zeitungen und Zeitschriften – dringt sie doch einmal in die erste Reihe vor, so wird sie in der Regel von einer Übermacht umzingelt, in eine permanente Verteidigungsposition gebracht und letztlich aus den großen Kanonen nachbearbeitend massiv beschossen.

Wie könnte man diese Übermacht brechen?

Nun, eine Antwort geben die neuerlichen Skandale der Empörungsmaschine. Zumindest geben sie uns Hinweise, wie wir kleine Nadelstiche setzen können und sollten. Denn wie alles, was sich absolut geriert, beißt auch die PC sich in den Schwanz und da kann man mitbeißen, das System an einem schwachen Punkt reizen.

Der Fall des Dennis Aogo ist hier besonders bezeichnend – man hätte auch Maaßens „Globalisten“, die angeblich antisemitisch sein sollen, nehmen können -, aber Aogo ist nun mal ein „PoC“, hat den Rassismusvorwurf selbst gegen andere erhoben und war daher eine Woche lang von „der falschen Seite“ (aus unserer Sicht) hochgejubelt worden.

Gestern nun stellte er bei Markus Lanz ein paar vernünftige und relativierende Überlegungen an. Das führte – etwa in der „Frankfurter Rundschau“ – ein furchtbar linkslastiges und aversionsgetriebenes Blatt – zu einem rügenden Artikel: da schert einer aus, da muß er zurück in die Reihe kritisiert werden. Denn Aogo stellte sich partiell hinter Lehmann und Palmer, kritisierte die überheftige Reaktion des Establishments – siehe obige Prämisse.

Die Verunsicherung ist groß: ein „People of Colour“ geht die eigene Festung an? Mit solchen Paradoxen kann die schwarz-weiß denkende rote Journaille nicht umgehen.

Aogo habe – das ist der schwerste Vorwurf – von „Cancel Culture“ gesprochen und das ist natürlich rechts, denn jeder, der die von uns angestrebten und durchgesetzten Zustände auch nur ein wenig durchschaut, muß rechts sein. Wörtlich: „In einer Diktion, die auch gerne in rechten Kreisen genutzt wird, befindet Aogo: ,Wie sagt man heute? Das ist Cancel Culture.‘“

Die Lehre daraus ist folgende: Von Rechten und vermeintlichen Rechten benutzte Begriffe sind für die Linke tabu. Hinzukommt eine große Imaginationsbereitschaft, wie der Begriff des „Globalisten“ zeigt, ein vollkommen unverfänglicher Begriff, der bisher weltanschauungsübergreifend bedenkenlos benutzt wurde, selbst von Antisemitismusjäger Posener, und der nun, da er ein Mal von Maaßen in den Mund genommen wurde, als Codewort der Rechten und Antisemiten herhalten muß.

Das gibt der Opposition eine gewisse Macht zurück. Wenn nämlich alles tabuisiert wird, was Rechte und vermeintliche Rechte kategorial affirmativ benutzen, wenn die Linke in ihrem Säuberungsfuror einen Ekelinstinkt vor diesen Begriffen sich antrainiert hat und bereits habituell und instinktiv darauf reagiert, dann kann man aus oppositioneller Perspektive gezielt traditionelle linke Begriffe und Slogans wählen, umformatieren, fleißig nutzen und sie somit sukzessive dem linken Diskurs entziehen.

Wenn Ellen Kositza beispielsweise linke Theorie positiv bespricht, dann ist diese Taktik schon in Aktion. Bernd Stegemann oder Sarah Wagenknecht – die freilich ob ihrer geistigen Dissidenz längst im Fadenkreuz der Lifestyle-Linken sind – bekamen aus der „eigenen“ Ecke jede Menge Anfeindungen, weil ihre Bücher bei der Neuen Rechten goutiert werden.

Das dürfte mehr als nur einen gewissen Spaßfaktor mit sich bringen, es könnte auch zu allerlei paradoxen Volten führen, die den einen oder anderen – einem Koan vergleichbar – ein plötzliches Licht aufstecken.

3 Gedanken zu “Das Paradox der Politischen Korrektheit

  1. Ich freue mich natürlich, meine Texte an anderer, wenn auch nicht unbedingt prominenter Stelle zu lesen. Dass der oder die „Grand Nix“ mir eine Nähe zu den Grünen unterstellt, zeigt allerdings, dass er oder sie nicht verstanden hat, worum es geht, nämlich um die augenzwinkernde Bereitschaft eines von Abstiegsängsten zerfressenen Kleinbürgertums, die kalkulierten Entgleisungen des herrschenden Personals zu goutieren, wenn sie sich nur gegen Minderheiten wenden.
    Abgesehen davon zeigt Palmer mit seinen Äußerungen gegen ein „Sprachjakobinat“, das ihn „mit jedem Wort am Abgrund“ entlang führe, wie wenig sich die Deutschen um ihre Sprache scheren.

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    • Robert X. Stadler schreibt:

      Gemeinsam mit N. Talebs Diktatur der intransigenten Minderheiten gibt es auch eine Diktatur zugunsten (das heißt vorgeblich zugunsten) der Minderheiten. Die Minderheiten sind heilig; alles, was ihnen nutzt, materiell und identitär, ist gut.

      Der Schaden für die Mehrheiten dagegen ist belanglos, vielleicht gar zu wünschen. Den Mehrheiten wird unterstellt, aus moralisch schlechten und verächtlichen, aus seelisch krankhaften Gründen und Ursachen zu handeln: ihr moralisches Empfinden, ihr Trieb zur Selbsterhaltung, ihr volkliches, religiöses und klassenmäßiges Gemeinschaftsgefühl, ihr Wunsch, im eigenen Lande Herr zu bleiben. Alles ist pathologisch und daher auszumerzen.

      Ich neige nun weniger dazu, die neue Bewegung der Erweckten oder Erleuchteten (wie der Begriff „woke“ am Besten zu übersetzen ist) mit der Hermeneutik eines entarteten Christentums zu fassen (auch wenn es verständlicherweise Merkmale desselben trägt). Vielmehr muss man sie als gnostische Erscheinung begreifen, mit ihrem Elitismus, ihrem moralischen Dualismus, ihrem Hass auf das Gewöhnliche und Natürliche, ihrem immanentistischen Erlösungsglauben. Das lässt sich bei den anti-rassistischen, anti-sexistischen und klimarettenden Bewegungen klar beobachten; auch der gegenwärtige Kampf gegen die „Pandemie“ ist eine Facette dieses Gnostizismus.

      thomasexgotha:

      Die Geschichte liefert nicht wenige Beispiele dafür, wie der „Trieb zur Selbsterhaltung“ der Mehrheiten aussieht, wenn diese „ihr moralisches Empfinden“, resp. “ ihr volkliches, religiöses und klassenmäßiges Gemeinschaftsgefühl“ in Gefahr sehen. Nicht wenig trägt zu ihrem falschen Bewusstsein die ideologische Behauptung bei, es gebe in menschlichen Gesellschaften „das (…) Natürliche“. Da hinkt der Autor der Menschheitsgeschichte einige tausend Jahre hinterher.

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  2. Grand Nix schreibt:

    Ein kleiner Wortwechsel auf Publicomag, verdeutlicht das von Ihnen beleuchtete Problem. Und dieses Krebsgeschwür wird leider weiter wuchern, wenn wir nicht
    klare Worte finden, nicht entschieden darauf reagieren.
    Aber lesen Sie selbst:

    Thomas Schweighäuser
    11. Mai, 2021
    Weiß Ihr Zeichner (gemeint ist Herr Zeller) eigentlich, dass der Herr Palmer, ein Provinzbürgermeister mit dem Drang, der Öffentlichkeit seine Sicht der Wirklichkeit minütlich mitzuteilen, seit einigen Jahren mit rassistischen Entgleisungen auffällig geworden ist, die in der Partei zwar befremden, nicht aber den Wunsch ausgelöst haben, ihn loszuwerden? Nun hat er den Bogen selbst für seine Verhältnisse überspannt, wird aber, so ist zu vermuten, auch damit davonkommen.

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    Grand Nix
    12. Mai, 2021
    Ach, Herr Schweighäuser, Sie schwadronieren von einem “Provinzbürgermeister” und seinen angeblich “rassistischen Entgleisungen” über viele Jahre hinweg – ohne konkrete Belege zu liefern. Schwache Leistungen von Ihnen, ganz schwache Leistung.
    Ich helfe Ihnen ein wenig, wenn sie gestatten.
    1. Definieren Sie, was “rassistische Entgleisungen” konkret für Sie bedeuten.
    2. Belegen Sie diese angeblich “rassistischen Entgleisungen” des Herrn Palmer, und subsumieren Sie diese, anhand Ihrer Definition, an drei nachprüfbaren Beispielen.
    3. Wie würden Sie eine Person bezeichnen, siehe dazu die aktuellen Anschuldigungen von Frau Luisa Neubauer gegen Herrn Hans-Georg Maaßen, welcher anderen Menschen Rassismus und Antisemitismus unterstellt, ohne konkrete Beweise vorzulegen?
    Bitte, seien Sie nicht auch so oberflächlich gönnerhaft, anmaßend und respektlos, wie Frau Luisa Neubauer, die gegen Herrn Maaßen ähnlich haltlose und justiziable Anschuldigungen in die Welt setzte, wie Sie gerade hier gegen Herrn Boris Palmer, ohne diese zu beweisen.

    Also, Butter bei die Fische, Herr Thomas Schweighäuser, Butter bei die Fische.

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    Thomas Schweighäuser
    14. Mai, 2021
    Sehr geehrte*s “Grand Nix”,
    ich meine doch, dass Palmers Meinungen über Bahn- und Radfahrer hinlänglich bekannt sein sollten, haben sie doch zu seiner Beliebtheit in Kreisen, die den Grünen eher distanziert gegenüber stehen, nicht wenig beigetragen. Ich nehme weiterhin an, dass Sie eine erneute Auflistung als ähnlich demütigend empfinden würden wie eine Erklärung, warum Maaßens Raunen über “Globalisten” antisemitisch ist. Sie sind ja doch sicherlich alt genug, sich selbst zu informieren.
    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Schweighäuser

    Auf diesen Kommentar reagieren
    Grand Nix
    14. Mai, 2021
    Danke für die aufschlussreichen Worte, Tomas Schweighäuser. Ein Pressesprecher der Grünen hätte es nicht besser machen können. Chapeau!

    Nachlesen kann man das hier:
    https://www.publicomag.com/2021/05/zeller-der-woche-parteiausschlussverfahren/

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