Die Peitsche zeigen!

Etwas Seltsames war vor einigen Tagen passiert. Unsere Katze hatte sich hinter den Schrank gepreßt und klagte jämmerlich. Zuerst fürchtete ich, sie habe sich verletzt oder ein anderes Tier wäre eingedrungen und sie versteckte sich, oder sie hatte sich eingeklemmt und kam nicht mehr heraus? Nichts von alledem. Es war das Gewitter, vor dem sie erschrocken war.

Doch heute nun das gleiche Drama, nur ohne Gewitter. Es regnete zwar heftig, aber das konnte doch nicht der Grund sein? Sie hatte doch noch nie Angst vor Gewitter oder Regen. Und da fiel es mir ein – für mich ein Kuriosum, für das Tier offenbar ein Trauma.

Vor zwei Wochen etwa hatte es hier mächtig gewittert. Es schüttete wie aus Kannen, schnell war die Terrasse vollgelaufen und dann kam der Hagel, der den grünen Garten in Kürze schneeweiß werden ließ. Ich öffnete die Terrassentür – ich liebe diese Spektakel, ihre Gewalt und den Geruch und alles. Aber die Katze war offensichtlich zu Tode erschrocken, wohl aufgrund des Geräusches, und rannte im heftigsten Hagelschauer hinaus, durch den Garten, überwand den Zaun in einem Satz und war verschwunden und schon nach wenigen Augenblicken komplett durchnäßt.

Ich rief ihr nach, wollte sie zurücklocken, denn hier im Haus war sie doch sicher. Aber zu groß war die Panik. Irgendwo wird sie sich schon verstecken, dachte ich. Als ich vom Fenster ein paar Bilder machen wollte, rannte sie zufällig an mir vorbei. Sie hatte die Pergola erklommen, hörte auf kein Wort, noch immer mit panikweiten Augen und zerzaustem Fell sprang aufs Dach und ward danach viele Stunden nicht mehr gesehen.

nach dem Hagelschauer, durchnäßt, verängstigt, gezeichnet, huscht sie vorbei

Das also war es – dieser Schreck hatte sich tief in ihr Gedächtnis eingegraben: Angst! Angst vor ein paar Regentropfen, eingepflanzt durch ein Schreckerlebnis.

Im Grunde genommen funktioniert es bei uns Menschen nicht anders.

Hans Kirk ließ in seinem Roman „Der Sklave“ den Inquisitor sagen, daß man einen Menschen nur ein einziges Mal auspeitschen müsse, danach genüge das Zeigen der Peitsche. Man müsse ihn nicht unnötig quälen, solle human sein.

Ich sehe in Deutschland, in der gesamten westlichen Welt unzählige Menschen voller Angst. Sie trauen ihren eigenen Worten nicht mehr, sie vollführen die absurdesten Manöver, um sich einer imaginierten Schuld zu entledigen, sie beäugen und verdächtigen sich gegenseitig, sie wägen jedes Wort ab, um den anderen der Sünde zu überführen und um selbst nicht zu sündigen. Sie agieren in vorauseilendem Gehorsam, nehmen Bücher und Serien aus dem Programm, verbieten alles, was auch nur unter dem Ruch des „Rassismus“ stehen könnte, Meinungsabweicher oder auch nur Fehltreter werden entlassen oder öffentlich an den Pranger gestellt …

Nachdem nun auch dieser Begriff – „Rassismus“ – vollkommen sinnlos ausgeweitet wurde, kann es jeden und alles betreffen – es genügt bereits, die Peitsche zu zeigen.

Jeden, den nun die Angst umtreibt, jeder, der über eine demütigende Geste nachdenkt, sollte sich also die folgende Frage stellen: Welches war mein Hagelerlebnis, wann und wo wurde ich zum ersten Mal ausgepeitscht?

Ein Gedanke zu “Die Peitsche zeigen!

  1. Michael B. schreibt:

    > Welches war mein Hagelerlebnis, wann und wo wurde ich zum ersten Mal ausgepeitscht?

    Das Interessante ist – die meisten Leute werden ein solches Erlebnis nicht einmal finden, es ist voellig imaginaer aber bemerkenswert fest verankert. Das Zeigen der Instrumente genuegt vollstaendig. Es faengt schon bei der Frage an, ob man die Inquisition dahinter noch wahrnimmt und ueberhaupt wahrnehmen will. Die Internalisierung, hauptsaechlich als Selbsthass zutage tretend, ist frappierend.

    Auch fehlen ihnen zunehmend schon die Begriffe, dieser Internalisierung kognitiv entgegenzutreten, denn auch die werden schlauerweise unbrauchbar gemacht (*). In gleichzeitiger Umkehrung (durch Bezug auf den weissen Mann selbst) und Ausnutzung von Klonovskys Motto


    Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen.

    wird die westliche Gesellschaft zunehmend geistig unfruchtbar und damit abgehaengt.

    (*) Deswegen habe ich mit jeglichen ‚Dekonstruktions‘-Ideen grosse Probleme. Die Folgen lauern sofort um die Ecke

    JJA: Ich hatte auf einen Fußball-Eintrag gehofft! Oder war Liverpools Meisterschaft unter Jürgen „Integrationsversagen“ Klopp ein zu traumatisches Erlebnis für Sie?

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