Sándor Márai: Das Kräuterbuch LXXVI
Über die befehlenden Aufgaben
Eines Tages spricht eine Stimme. Du beschäftigst dich gerade mit etwas, oder etwas beschäftigt dich: ein Aufgabenbereich, von dem du glaubst, daß er von erstrangiger Bedeutung ist und nur dich etwas angeht, nur deine Aufgabe ist.
Du warst bereits auf die Aufgabe vorbereitet, eifrig erledigst du deine Arbeit. Und plötzlich spricht eine Stimme und sagt dies: „Du hast andere Dinge zu tun.“ Und es blitzt die Möglichkeit einer Aufgabe auf, an die du zuvor nie gedacht hattest. Und du weißt, diese Aufgabe wird ganz und gar nicht ungefährlich für dich sein.
Sie wird dich von der Richtung deiner bisherigen Arbeit ablenken, wird zudem außerordentliche Anstrengungen erfordern, Mißverständnisse, Streitereien, eine Reihe von Gefahren heraufbeschwören. Und dennoch, das alles mußt du nun zulassen.
Deine pragmatischen Interessen sind ernsthaft von deiner neuen Aufgabe bedroht. Und dennoch, du mußt alles beiseitelegen, du mußt dieses Risiko eingehen, diese Anstrengung, dieses Opfer, diesen neuen Arbeitsbereich, diese suggerierte und unverständliche neue Aufgabe. Das Befehlswort der Stimme kann nicht mißverstanden werden.
Wer dann gut zuhört und gehorcht, scheitert vielleicht an den banalen weltlichen Gefahren, die die Aufgabe mit sich bringt, aber er rettet seine Seele. Wer taub, bequem oder ein Feigling ist, spaziert weiter behaglich durchs Leben, aber seine Seele bleibt verwundet, unzufrieden und ruhelos.
Wähle, mein Freund.

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