Die Globalisierung hat uns nicht nur die Fernstenliebe, sondern auch die Fernstensorge beschert. So dürfen wir uns – neben tausend anderen Sorgen – auch über den Zustand der Demokratie in Chile ängstigen, am anderen Ende der Welt.
Dort gibt es gerade einen konservativen Backlash – reacción, wie man dort so treffend sagt –, weil sich die Progressisten zu siegessicher waren und zu schnell alles wollten. Nämlich in der Verfassung all das festzuschreiben, was uns auch zu Hause sorgt: Gendergerechtigkeit, Wokismus, Quoten etc. Laut „Welt“: „Multikulturell, gendergerecht und ökologisch sollte die neue Verfassung sein, weltweit einzigartig. Dazu gehört das Recht auf „nicht-sexistische“ genderneutrale Bildung in Schulen und Universitäten, ein plurinationaler, interkultureller und ökologischer Staatsbegriff und ein sozialistischer Feminismus, der es möglich machen sollte, dass alle staatlichen Organe der Politik paritätisch besetzt sein müssen, theoretisch aber auch einen Frauenanteil von 75 oder 100 Prozent hätten haben können.“
Den Menschen ging das aber zu weit, sie haben den Verfassungsentwurf nicht nur krachend abgelehnt, nein, nun haben die Rechten gleich das Ruder übernommen und versuchen das Gegenmodell. Die „Welt“ – noch immer manchmal irgendwie konservativ – zieht daraus folgenden Schluß: „Das Land zeigt damit beispielhaft, was passieren kann, wenn Idealisten über das Ziel hinausschießen.“
Ja, so kann man das sehen. Das war aber nicht meine reacción – ach, die Schönheiten der Sprache –, sondern ich erschrak über die Tatsache und deren Bewußtwerdung, daß all das Zerstörerische und Absurde des ideologischen Progressismus also nicht nur ein deutsches Phänomen ist, wie wir in unserer Kurzsichtigkeit oft meinen, auch nicht nur eines Europas oder der linken amerikanischen Hälfte, nein, wir sind umzingelt vom Wahnsinn, weltweit, es gibt keinen Ausweg.
Wenn die Erde tatsächlich unser Raumschiff ist, wie Buckminster Filler mit seiner „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“ oder Marshall McLuhan – „Es gibt keine Passagiere auf dem Raumschiff Erde, jeder gehört zur Besatzung.“ – und im Anschluß an beide auch Sloterdijk – „Das Raumschiff Erde hat keinen Notausgang“ – immer wieder behaupteten, dann stellt sich uns die Frage der Koexistenz. Sie ersetzt oder ergänzt die alte Frage nach der Flucht.
Europa und beide Amerika sind also an den kollektiven Wahnsinn verloren. Wir stellen uns Entwicklungen entgegen, die längst stattgefunden haben und auch wenn in Chile nun eine Bremse eingelegt wird, sollten wir uns nicht täuschen lassen: Das Gift ist in der Welt und um die Welt. Vermutlich kam es anders dorthin als hierhin, vielleicht war dort die Befreiungstheologie der Türöffner, das, was hier die Frankfurter Schule gewesen sein mag, aber das beweist nur die Adaptionsfähigkeit des Marxismus einerseits und die hohe Mißbrauchsbereitschaft der akademischen Intelligenz andererseits.
Und wenn wir genau hinschauen, dann werden wir auch im buddhistischen und hinduistischen Asien erste Anzeichen erkennen – sie müssen dort erst nur noch dick werden – und ganz sicher auch in Afrika. Wenn das mit der Eisschmelze so weitergeht wie angekündigt, werden Grönland nebst beider Arktiken bald folgen.
Unter den europäisch zivilisierten Kulturvölkern bleibt nur noch der bange Blick nach Osten, aber ein Grenzwechsel müßte teuer bezahlt werden, man müßte Korruption, Propaganda (anderer Art), Armut, Angst, frei die Meinung zu sagen, Grobheit und Rohheit ganz allgemein als Wechselwährung akzeptieren, von schwer zu lernenden Sprachen ganz zu schweigen.
Selbst das bliebe nur eine Flucht auf Zeit, denn auch diese Gesellschaften verändern sich rasant. Leider nicht, indem sie offener werden, sondern die politische Restriktion geht parallel zur woken Entgrenzung und niemand kann jetzt schon sagen, wie sich das konkret ausbuchstabieren könnte – Blutvergießen ist möglich.
An der großen globalen Tendenz wird das nichts ändern: schon studieren und arbeiten die jungen Leute unter unseren Reihen und sie werden nicht unaffiziert zurückkehren, sie werden Virusträger sein, aktiv oder stille werden sie auch diese Länder verändern.
Wir sind gefangen, zumindest, solange das Raumschiff noch im Überfluß schwebt. Bis dahin müssen wir einerseits versuchen, eine friedliche Koexistenz mit unseren verstrahlten Mitpassagieren zu ermöglichen und uns andererseits – so gut das eben geht – auf den Moment vorbereiten, wenn das Raumschiff aus der Wohlstandsblase ausbricht und sich plötzlich das Binnenklima ändert.
Wir müssen also aus der medial erzwungenen Fernstensorge das Gegenteil erschließen: Die Sorge um uns selbst.
Persönliche Erfahrung: Das begreifen viele Leute immer noch nicht. Dumme Grüne, Verbotspartei, Aufarbeitung, etc. – alles nur oberflächlich und nicht spezifisch deutsch oder auch nur wahr (Dummheit statt Vorsatz mag oft genügen, hier nicht). Diese Reaktionen sind nur Druckminderer auf dem Kessel. Auch die US-Regierung z.B. pusht EV und Elektrofahrzeuge bis zum Exzeß und die Unbezahlbarkeit fuer die Masse wird genauso betrieben. 15-km-Städte kamen glaube ich zuerst im UK. Usw., usf.. Wer das ernst nimmt, muß andere Erklärungen suchen.
Und ja, fürs Auswandern bringt das auch eine andere Situation. Auch für mich ist der am Globalen festgemachte Unterschied zu früheren Alternativen ein ganz springender Punkt.
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Ausnahmsweise einmal ganz kurz:
Sehr gut.
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