Was geht vor sich, wenn Redakteure sich etwa plötzlich weigern, eine Besprechung des grandiosen Romans „Gebt mir meine Berge zurück!“ von Albert Wass zu veröffentlichen, weil es beim „falschen“ Verlag erschienen ist? Diesen Gedanken- und Werdegang zu verfolgen, ist wichtig, um zu erfassen, wo wir stehen. Eine mögliche Formel wäre: im Reich des Kafkaesken.
Zuvor die Frage, die uns bereits in den Teufelskreis eintreten läßt: Hätte überhaupt ein anderer Verlag Albert Wass gedruckt? Wir dürfen davon ausgehen, daß kaum ein deutscher Lektor oder Verlagsangestellter den Namen auch nur kannte, geschweige denn die literarische Bedeutung einzuschätzen gewußt hätte. Also googelt er … und wird das Manuskript ablehnen, quasi ablehnen müssen, weil bei ihm nun jener Prozeß einsetzt, den ich nachfolgend anhand der Ablehnung einer Besprechung durchexerzieren möchte.
Wass‘ Name ist verbrannt, auch wenn nichts, auch wenn keine einzige Anschuldigung und Unterstellung[1], die man auf Wikipedia.de oder auf anderen Webseiten findet, stimmt und keiner der Ankläger auch nur einen einzigen Beleg vortragen kann. Mit diesem Gepäck ist eine Publikation nur in Verlagen möglich, die bereits außerhalb des Feuerringes stehen. Daß Wass einen großen Publikumsverlag verdient hätte, eine hunderttausender Auflage, ein Gewitter im Feuilleton, daran kann kein Literaturkundiger zweifeln, der literarische, qualitative Kriterien anlegt, doch die Welt, in der wir leben, ist eine andere.
Der Zeitungsredakteur, mit dem ich schon viele Male zusammengearbeitet habe, in einem freundlichen Geben und Nehmen, schrieb also, nachdem wir uns schon fast einig waren: „daß die Zeitung den redaktionellen Hinweis auf deine Übersetzung nicht geben wird. Daran ist nicht der Roman schuld, sondern tatsächlich der Verlag. Ich hatte es bislang nicht gecheckt, dass es sich beim Verleger um Götz Kubitschek handelt …“ Das alles einige Tage vor dem Verfassungsschutzbericht.
Was könnte der Grund für diesen Rückzieher sein? Wohl Angst, denn ideologische Verblendung kann ich hier ausschließen. Aber Angst wovor? Mutmaßlich vor einer negativen Reaktion, mutmaßlich von oben. Man kann schnell einen Rüffel bekommen oder gänzlich den Job verlieren, wenn man sich nicht ausreichend gegen „rechts“ immunisiert.
Dabei hatte der Redakteur nichts gegen eine Besprechung und nichts gegen das Buch. So geht es vielleicht auch seinem Vorgesetzten, vor dem er Angst hat. Ob sich diese Angst jemals betätigt hätte, werden wir nie erfahren. Auch der Vorgesetzte agiert aus Angst, und zwar vor seinem Vorgesetzten. Und so geht es weiter hinauf die Pyramide. Dabei ist es durchaus möglich, daß keine dieser Personen de facto etwas gegen Autor, Buch oder gar Verlag und Verleger hat, sie könnten theoretisch sogar Sympathisanten sein oder für Meinungs- und Pressefreiheit eintreten, und dennoch wird nach oben ängstlich eine Reaktion imaginiert. Tatsächlich hätte es den obersten Chef wahrscheinlich nicht gejuckt, was in irgendeiner Spalte im Regionalblatt gestanden hat.
Die gesamte Angst-Pyramide ist Imagination, sie unterstellt eine strafende Macht über dem Einzelnen, die es gar nicht geben muß. Es gleicht der kafkaesken Situation, wie man sie aus „Vor dem Gesetz“ oder „Das Schloß“ kennt oder wie Kafka es in seiner Parabel von den Königen und den Kurieren beschreibt:
„Es wurde ihnen die Wahl gestellt, Könige oder der Könige Kuriere zu werden. Nach Art der Kinder wollten alle Kuriere sein. Deshalb gibt es lauter Kuriere, sie jagen durch die Welt und rufen, da es keine Könige gibt, einander selbst die sinnlos gewordenen Meldungen zu. Gerne würden sie ihrem elenden Leben ein Ende machen, aber sie wagen es nicht wegen des Diensteides.“
In diesen Menschen, den Redakteuren und Oberredakteuren, hat sich eine Instanz eingenistet, die sie regiert, ohne daß sie sich dessen bewußt sein müssen. Sie selbst werden ihre Entscheidung vermutlich mithilfe moralischer Kategorien rationalisieren.
Was ich damit sagen will, ist, daß man, um solch einen Zirkel am Laufen zu halten, keine obere Instanz braucht, kein Weltwirtschaftsforum, keinen Klaus Schwab, keinen Bill Gates oder Soros, keine Freimaurer oder Urlogen etc. Die Angst, der Druck, die Lüge verselbständigen sich, institutionalisieren und perpetuieren sich.
Wie weit wir dabei gekommen sind, dafür gibt es nette Beispiele. So durfte etwa Robert Habeck das Vorwort zur Neuausgabe von „1984“ schreiben, oder so sendet das woke Kapital einen aufwendigen Werbespot, der in Story und Ästhetik Buch und Film zur Kommerzialisierung verwurstet: das kritische Prinzip, das einen treffen soll, wird, einem Speer gleich, aufgefangen und gegen die Urintention zurückgeworfen.
Zurück zu unserer Redakteurspyramide. Müsste sie nicht von oben nach unten zusammenbrechen, wenn der oberste Redakteur keine Angst hätte und dies nach unten auch signalisierte?
Das ist zu idealistisch gedacht, denn nun kommt ein anderer Effekt ins Spiel: die Pyramide funktioniert auch umgekehrt: Der Oberste muß – „nach der Art der Kinder“ – auch den Untersten fürchten. Denn selbst wenn alle den Artikel über das Buch aus dem „falschen“ Verlag abgewunken haben, muß man damit rechnen, daß unter den vielen tausend Lesern wenigstens einer ist, der googelt, der damit nicht mehr aus Angst, sondern aus Macht heraus agiert. Vielleicht veröffentlicht er den „Skandal“ nur auf seinem Twitter, um ein bißchen Aufmerksamkeit zu generieren und Wachsamkeit zu beweisen, dort verbreitet er sich langsam, bis er auf einem relevanten Konto landet und plötzlich viele Leser findet.
Nun gibt es zwei Szenarien: entweder ein sogenannter shitstorm oder aber ein Redakteur eines relevanten Mediums wird aufmerksam darauf, meist ist es ein Gemisch aus beiden. Es entsteht Öffentlichkeit und nun leiden alle Teilnehmer der ersten Pyramide, denn sie müssen sich rechtfertigen, werden zu Dementis und Distanzierungen gezwungen, Köpfe rollen – ganz sicher der ganz unten, aber vielleicht auch alle anderen: wie konnten sie so unaufmerksam sein.
Und selbst, wenn dieses Szenario sich nicht verwirklichen sollte, als Damoklesschwert schwebt es über allen und als solches bestimmt es das Handeln aller Beteiligten, die im Übrigen alle lebhafte Kämpfer für Meinungsvielfalt, Rede- und Pressfreiheit sind.
Niemand von diesen Personen muß das Buch gelesen haben, keiner kennt vermutlich den Autoren, aber alle hängen sich am „falschen“ Verlag auf. Alle haben Angst, alle verbreiten „sinnlos gewordene Meldungen“ und Anschuldigungen, sie verdächtigen sich einander für etwas, von dem sie nicht wissen können, was es ist, ein ES, eine Gefahr, Botschaft ohne Inhalt, ein Teufelskreis ohne Teufel oder doch nur mit einem imaginierten Teufel.
Dies schrieb ich dem Redakteur: „Das wundert mich nicht, du bist nicht der Erste, der so reagiert. Leider ist das ein Teufelskreis, den man kaum noch durchbrechen kann – umso wichtiger wäre es, daß es jemand täte. Ich fürchte, auch du weißt nicht, wer Kubitschek ist … siehe oben, Teufelskreis. Das ist leider die Welt, in der wir leben. Umso stärker werde ich dagegen ankämpfen. Ich nehme es nicht persönlich, glaube mir, ich bin nicht mal mehr traurig darüber – das war ich in früheren Fällen. Jetzt weiß ich ja, wie das funktioniert.“
Wie man den großen Kreis durchbrechen kann, das kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich nur durch Metapolitik, über ausgedehnte Zeitläufte, mit langem Atem, immer wieder auf die Schnauze fallend, immer wieder aufstehend, immer wieder weitermachend, wahrscheinlich umsonst …, solange die Kräfte reichen.
Den kleinen Kreis können wir durchbrechen. Ich bin so frei und nutze an dieser Stelle das „Wir“, eine gewisse geistige Nähe voraussetzend. Sie, Du, Wir können das im Kleinen, indem wir das Buch empfehlen, verschenken, diskutieren, lesen, indem wir das Buch als Buch sprechen lassen. Es ist stark genug, um für sich selbst zu sprechen und wer seine Sprache versteht, der wird auch begreifen, daß redaktionelle Gedanken der angegebenen Art falsch, beschämend und bemitleidenswert sind.
Sollte dennoch jemand ein Medium kennen, das für eine Besprechung, Vorstellung, Interview, was auch immer, offen wäre, dann bitte eine Information an mich.
siehe auch: ein Buch, zwei Meinungen
Sie haben die Macht-Topographie und Abhängigkeits-Spirale sowie generell die kognitiven, ‚moralischen‘ und narzisstisch-ökonomischen Strukturen des Status Quo unseres Landes und dabei v.a. jener im „System“ „Verhafteten“, wie die erwähnten ‚Schurnos‘, sehr treffend dargelegt.
Beim Punkt, betreffend der individuellen (Hinter)Gründe möchte ich jedoch deutlich widersprechen, zumindest wenn ich Sie nicht falsch verstanden habe.
In Ihrem Essay lese und interpretiere ich es so, wie wenn die Meisten – in diesem Falle dieser ‚Schurnos‘ – aus übergroßer Angst mitmachen würden/müssten und ‚doch aber eigentlich, also so ganz tief innen drin, ja da würden sie doch auch gerne zu den ‚Widerständlern‘ gehören‘ [Anm.: habe dies bewußt so schwurbelig geschrieben].
Dies ist mMn eine – vermutlich unbewußte – Verharmlosung dessen, was uns täglich von dieser ‚anti-intellektuellen Ethnie‘ vorgekaut, vorverdaut und ausgeschieden präsentiert wird und was deren wahre Beweg-Gründe für ihr Verhalten sind.
Ich sehe diese Gestalten überwiegend als Überzeugungstäter, kommen doch die Älteren aus Generationen, die sich gerne staatskritisch-rebellisch gaben und nun, da sie (endlich) an den Fleischtöpfen jener, die die Machthebel mittlerweile totalitär in Händen halten, hängen, nicht die erforderlichen Reflektionsfähigkeiten haben, sich einzugestehen, dass sie mit ihrer durchideologisierten ‚Rebellen‘- und Weltverbesserer-Blase der 70er-, 80er- und frühen 90er-Jahren komplett(!) falsch lagen.
Würde doch bei ihnen ein aufrichtiger und ehrlicher Blick in den Spiegel, und ihr Eingeständnis des Versagens des eigenen politisch-gesellschaftlichen Agierens, ihr jämmerliches Schein-Dasein wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen.
Ob sie dies emotional verkraften würden, ist fraglich, wobei sie es – wie schon gesagt – charakterlich nicht umsetzen könn(t)en, weil ihr vollständiges, Jahrezehnte bestehendes soziales, soziologisches, ökonomisches, gesinnungs’ethisches‘ und ‚moralisches‘ Wohlleben (entsprechend einer Made im Speck) und somit ihr ganzes Dasein – bis in jede Pore – von diesem, in früheren und jungen Jahren erfolgten, falschen ‚Ausrichten‘ abhängen.
Über die Jüngeren dieser ‚Riege‘ reicht es zu wissen, dass sie von den zuvor Erwähnten komplett indoktriniert ‚erzogen‘ und ‚abgerichtet‘ wurden und auf Grund dessen weder kognitiv noch intellektuell in die Lage kommen werden, andressierte Programmierung in Frage stellen zu können, geschweige denn umkehren und neu justieren zu können.
Der Film ist sowohl eine Zumutung für klar denkende Menschen wie auch eine bewußte Verhöhnung der Massen durch die Ersteller und doch wird er auf fruchtbaren Boden mit positiver Resonanz, ganz im Sinne der Auftraggeber, fallen, da er den subkulturellen – doch umso unpolitischeren – Zeitgeist der „Jugend“ triggert.
Man kann ihn aber auch als eine Art sportiv ausgerichtetes „Idiocracy“ (zynisch-satirische Filmkomödie von 2006) sehen.
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Gut erkannt, aber solange es gutes Leben auf Kredit gibt, wahrscheinlich leider nicht zu ändern! Ich nenne es Feigheitspyramide, oder Rudelfeigheit, denn als ostdeutscher Selbständiger konnte ich nach 1989 sehr schnell erkennen, dass diese Feigheit dem Westen wesenseigen und systemimmanent ist, ja bei seinem schuldenbasierten Wirtschaftsmodell sein muß!
Die Mechanik hinter diesem feigen Verhalten ist nach meiner Beobachtung eigentlich ganz einfach: Im Gegensatz zum „Ossi“*, der gegen das „System“ rebelliert hat, weil er nichts (mehr) zu verlieren, sondern etwas zu gewinnen hatte, hat der „Wessi“* nichts zu gewinnen, sondern etwas zu verlieren: Einkommen, Status, Ansehen, Herdenzugehörigkeit, letztendlich seine gesamte mühsam aufgebaute Existenz, die ironischerweise in vielen Fällen auch nur eine Imagination ist. Merkt man immer, wenn ein Stock in die Speichen kommt, z.B. durch eine Scheidung.
Außerdem ist der „Wessi“* meist sowohl korrumpier- als auch erpressbar und das gleichzeitig: das passable Einkommen, zu dem man sich durch jahrelange Konformität brav emporgearbeitet hat, ermöglicht das Darlehen für das schöne Haus und das gute Auto und muß auch abgezahlt werden! Da muckt man nicht! Schon gar nicht in Zeiten drohenden Zinsanstiegs!
Wie gesagt, eigentlich ganz einfach! Deswegen ist ja auch jeder, der sich dem entzieht, selbständig, schuldenfrei und damit weitgehend unabhängig ist, suspekt und ein Dorn im Auge. Die Konformisten riechen das förmlich und man wird gemieden. Gottseidank! Nur der Abhängige ist Herrschers Liebling!
* „Ossi“ meint hier die Bewohner der ehemaligen DDR, „Wessi“ meint hier alle BRD-Bürger, auch die „neuen“ nach 1989
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„Was geht vor sich?“ Eine inzwischen bundespräsidiale Verblödung im „Kampf gegen Rechts“, ungeistreich wie etwa das Gerede zum Beispiel über „Klimaleugner“. Oder, dass Russen neuerdings Feinde aller Friedliebenden sind. Kubitschek u.v.a.m. „sind auf dem Index“; so etwas in der Weltgeschichte ist nichts Neues… Totalitarismus halt und bei weitem nicht nur deutschlandweit, machen wir uns nichts vor, eine Schreckensherrschaft.
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