… das kann ich natürlich nicht beantworten. Nur hatte ich dieser Tage ein Gespräch, das ein paar Hinweise liefern könnte. Nicht in Lehrsätzen, vielmehr in Absenzen, die es zu füllen gälte.
Mein Gesprächspartner war Sachse, Rentner und ein „einfacher Mann“. Soll heißen, einer von der Sorte, die es nie gelernt haben, sich einem komplexem Problem denkerisch, lesend, abwägend zu nähern. Diese Menschen sind daher oft umso meinungsstärker.
Der Mann ließ seinem Ärger freien Lauf, schimpfte auf Land und Politik und buchstabierte im Grunde genommen das gesamte AfD-ABC herunter: Migration, Europäische Union, Wirtschaft, Corona, Korruption, Medien, Krieg, Umwelt, Klimawandel, erneuerbare Energien, Grüne, Linke, Merkel, Kolonialismus, Genderei … alles war dabei und im allem vertrat er de facto die Positionen der AfD. Ich hörte zu und sagte nichts, gab durch Nicken und Brummen nur meine Aufmerksamkeit kund. Am Ende seiner Litanei sagte ich ihm in vorsichtigem Ton, daß er gerade eine Bewerbungsrede für die Alternative gehalten hatte und fragte ihn, ob er sie auch wähle.
Aber da! Empört atmete er auf. Die AfD? Im Ernst? Aber das sind doch Nazis! Rechtsradikale! Die kann man doch nicht wählen. Er wählt CDU, was sonst. Sicher, er wisse, daß da wenig konservatives Gedankengut zu finden sei, aber eine Alternative gebe es nicht. Auch dieser Maaßen etwa. Gut, daß der jetzt rausfliegt. Was der alles von sich gibt, das geht nun wirklich nicht. Wenn man das umsetzen würde, dann hätten wir ja …
Was ist es denn, was der Maaßen so Unsägliches von sich gegeben habe und wieso sind die AfDler Nazis?
Eine Antwort habe ich darauf nicht bekommen, nur Gestotter, wie das eben bei Leuten ist, die es nicht gelernt haben, komplexe Fragen denkerisch zu durchdringen. Allein, das Urteil wurde wiederholt, immer und immer wieder.
Es war ganz offensichtlich, die Szene ließ keine andere Schlußfolgerung zu: der Mann war komplett durchdoktriniert. Politisch durchaus interessiert – wenn ich an seinem Fenster vorbeigehe, dann sehe ich den riesigen Flachbildschirm meist mit Nachrichten oder Talksendungen –, aber am Mainstreamtropf. Da ihm eigenes Denken fremd ist, muß er die vorgefertigten Meinungen ungefiltert aufsaugen und übernehmen. Würde er nicht medial tagtäglich vergiftet, müßte ihn seine natürliche Affinität, sein gesundes Empfinden in die Arme der AfD treiben, zumindest als Wähler.
Wie viele solcher falschen Wähler mag es geben? In Sachsen sicher sehr viele. Die Konsequenz scheint klar und kennt nur zwei mögliche Antworten. Entweder man erhofft eine andere Berichterstattung, die von der Verteufelung der Partei absieht – dann kann man auch auf wahre Wunder hoffen – oder aber der Partei gelingt es, sich derart darzustellen, daß mediale Verunglimpfung unmöglich wird oder an der Realität abprallen muß. Dann könnte dieses Wählerpotential abgeschöpft werden.
Freilich, diese meine Konklusion aus dem Gespräch stellt nur die eine Seite der Medaille dar. Diejenigen, die das Anbiedern an die „bürgerliche Mitte“ ablehnen, die für eine noch stärkere Konturierung plädieren, für noch mehr Deutlichkeit und echte Alternative haben ebenso schlagende Gründe. Dies ist und bleibt ein Dilemma der Partei. Ob es einen Kompromiß geben könnte, überhaupt einen geben sollte, will ich hier und jetzt nicht thematisieren. Dennoch scheint es mir aus Sicht der AfD einleuchtend zu sein, den Verlust solcher Stimmen zu beklagen und politische Verantwortung läßt sich nun mal nur einfordern, wenn man die entsprechenden Wählerstimmen sammeln kann. Im Moment klagen diese Menschen nur über die Zustände, haben sogar genuine Wut – aber sie wählen weiterhin das Übel, weil sie nicht anders können.
Egal wie viel jemand liest oder denkt, wenn einer glaubt es gäbe Wahlen oder es gab je welche, hat es offensichtlich nichts gebracht. Genauso wenig wie Talkshows. Was anderes als das ist es eh auch nicht. Ob man sich jetzt in den Gedanken eines längst schon verroteten vor hunderten von Jahren verstorbenen suhlt oder aber in dem Gefasel von Moderatoren….wenn dabei rauskommt das man an Wahlen glaubt, hat man keinen Blick für die schlichte Realität. Für die braucht man kein Buch und keinen TV. Die ist direkt da wo ich bin. Die ist auf meinen Rechnungen die ich bezahle, bei den Nachbarn deren Sprachen ich nicht verstehe und auf meiner Gehaltsabrechnung. Die ist bei der Mentalität meiner Mitmenschen und deren Veränderung zu finden, sie ist überall….ich brauche kein Buch, das mir sagt was ich zu denken habe und auch keinen Moderator….ich kann selber sehen, dass es scheisse ist :))
Ich als alte Verschwörungstheoretikerin, allerdings sind meine selbstgekocht, und weder abgelesen noch moderiert habe zwei Sätze gefunden die ich sehr lustig fand und auch sehr treffend. Von wem die sind erachte ich nicht als wichtig ich weiss es auch nicht, hauptsache sie sind da:
1. Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber
2. Demokratie ist die Diktatur der Dummen
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Der Beitrag spiegelt fast 1:1 vieles wieder, das ich oft erlebe. Ähnliche Diskussionen mit CDU- oder Nichtwählern kenne ich zur Genüge. Das Grundproblem ist aber nicht die AFD, sondern zum einen die Person, die Sie schildern, zum anderen die Gründe, weshalb er nicht die AFD wählt. Wie Sie selbst geschrieben haben: Diese Gründe sind von den Medien gemacht. Die AFD wird aber von den Medien NIE fair beurteilt werden, solange Zeitungen, Radio und Fernsehen derart linksdominiert sind, wie es der Fall ist. Die AFD kann sich NIE so sehr verbiegen, daß sie von dieser Art Medien nicht als „Nazis“ gebrandmarkt wird, denn dann wäre sie nicht mehr die AFD. Wie Sie sicher selbst wissen, ist es eine grundlegende und jahrzehntealte Taktik der Linken, ihre Gegner als Nazis zu betiteln. Die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen, ist aufzugeben. Die AFD kann also, wenn sie letzteres nicht tun möchte, grundlegend nichts machen. Sie kann aber die Wirklichkeit walten lassen und diese drängt sowohl den Mann als auch andere Parteien immer weiter auf eine Art Klippe zu. Irgendwann wird es sich selbst in Deutschland nicht mehr verhindern lassen, daß sich die politische Landschaft verändert.
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Sie haben sicher recht. Wie ich geschrieben habe, bedeutet es, auf ein Wunder zu hoffen, wenn man auf ein Einlenken der Medien setzt. Das kann erst nach einem Paradigmenwechsel einsetzen, dann, wenn zu steiles Vorpreschen die eigene Karriere oder Existenz in neuer Stimmungslage gefährden würde.
Dennoch spielt sich hier eine Dialektik ab und die AfD sollte sich um den Teil des Wechselspiels kümmern, den sie unmittelbar beeinflußen kann. Man sollte es den feindlich eingestellten Medien zumindest nicht leicht machen. Zugegeben, es hat sich in dieser Richtung auch einiges getan. Neben Vermeidung der üblichen Aussetzer einiger – es genügt leider ein subalterner Fehltritt, um das ganze Projekt zu diskreditieren – sollte vor allem auf allgemeine Qualitätssteigerung auf allen Ebenen geachtet werden, auf Professionalität und Seriosität ohne abgehoben, zu aristokratisch oder elitär zu wirken. Auch da gibt es bereits Fortschritte, doch darf man an dieser Front nicht nachlassen.
Gerade habe ich den Film „Eine deutsche Partei“ gesehen: https://www.3sat.de/film/dokumentarfilm/eine-deutsche-partei-100.html
Sehr sehenswert. Meine Gefühlslage schwankte ununterbrochen zwischen großer Bewunderung (vor allem für den Einsatz und den Mut) über inhaltliches Kopfschütteln bis hin zu Fremdschämen, vor allem, wenn man den Film mit den Augen der anderen sieht, sich also vorstellt, wie das ein Linker oder auch nur ein CDUler des geschilderten Schlages oder ein Nichtwähler sieht, auch unter den propagandainduzierten Vorbedingungen.
Es ist ein Dilemma, aus dem es keinen sofortigen Ausweg gibt; es ist ein langer Weg, ein ununterbrochenes Arbeiten an sich selbst, eine sehr lange Übung … wenn man so viel Zeit haben sollte.
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Ihr Rentner im Beispiel hätte natürlich die Zeit, sich selbständig zu informieren, ist aber andererseits als alter Mensch weniger leicht umstimmbar. Doch die noch im Berufsleben stehen und dann vielleicht noch Kinder aufziehen, haben diese nicht, obwohl sie ja gerade deren Schicksal mehr kümmern sollte. Also übernehmen sie meist osmotisch die ambiente Einstellung zu allem und jedem. Auszunehmen sind dabei allenfalls Missstände in ihrem direkten Umfeld, die sie direkt und persönlich wahrnehmen können, am besten durch Vergleich mit einem besseren und noch erinnerten Vorgängerzustand, wie etwa Lehrer den Bildungsmangel der jüngeren Generationen.
Bei einem Kollegen, bei und mit dem zusammen ich längere Zeit arbeitete, war wenigstens den halben Tag der Fernseher an, so dass ich für die nötige Arbeitskonzentration mir ausbedingte, dass die Kiste bitte ausgeschaltet wird, wozu er selbständig wohl nie fähig war. Er ließ meist Nachrichten und vor allem diese halbstunden- oder stundenlangen wiederholten CNN-Blöcke laufen, bei denen dann unten durchs Bild auch noch teilweise zwei Textbänder in unterschiedlicher Geschwindigkeit liefen. Bei fast jedem laufenden Konflikt ergriff er Partei für diejenige Seite, deren Tote er zuerst gesehen hatte. Solche „informierten“ Zeitgenossen gibt es viele. Die heute ganz unverschämt emotionalisierend agierenden Leitmedien haken sich in die limbischen Nasenringe der Herde ein. Sind die ersten besonders Dummen und Emotionalen gewonnen, dann tut, auch weil diese besonders laut schreien, der Konformismus sein Werk. Die herrschenden Ideen sind die Ideen der Herrschenden.
Ein halber oder ganzer Monat Blackout mit Ausfall des Fernsehens könnte Wunder tun, weil die Menschen dann mehr auf das erfahrene Wissen aus ihrem persönliche Umwelt achten würden und nebenbei auch der Unterschied zwischen dem, was gut klingt, und dem, was funktioniert, lebenweltlich deutlich würde. In jedem Falle aber dürfte ein massiver Stimmungsumschwung in der Öffentlichkeit wohl abrupt wie ein Phasenübergang stattfinden. Wonach dann alle „eigentlich schon immer …“
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„politische Verantwortung läßt sich nun mal nur einfordern, wenn man die entsprechenden Wählerstimmen sammeln kann.“
Die Wähler hätten Sie weder zum Ende der DDR mit kurz vorher 99,xyz Zustimmung zur erfolgreichen Politik der Partei- und Staatsführung erhalten, wie auch nicht in der Französischen Revolution. Das legt eher Überlegungen zur immer wieder einmal aufkommenden Beurteilung als prinzipiell systemerhaltende Kraft von Parteien des Typs AfD nahe.
Viel interessanter sind die Nichtwähler, und zwar in allen relevanten Aspekten: Sie haben sich qualitativ deutlich – einfach nach ihrer definierenden Eigenschaft – schon vom System abgewandt, könnten aber ironischerweise parallel dazu locker dessen formale Mehrheitsanforderungen erfüllen. Sie haben aber auch kein identifizierbares konkretes target. Das Ganze verharrt weiterhin auf einer unbestimmten Ebene. Dieser Zustand ist aber m.E. nicht dauerhaft stabil zu halten. Er wird sich aber wohl eher außerhalb – die Nichtwahl ist ein erster Schritt – der demokratischen Regeln auf die eine oder andere Art Bahn brechen. Denn reversibel ist daran nichts, die Minimalerkenntnis haben wir – OK, zumindest ich – schon.
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