Sándor Márai: Das Kräuterbuch LXXV
Über die Faulheit
Es gibt zwei Arten von Faulheit: die waagerechte und die senkrechte. Es gibt den Menschen, der nur in der langen Perspektive seines Lebens faul ist; in Plänen; darin, seine Entscheidungen, seine Entschlüsse hinauszuzögern; träge baut er sein Lebenswerk auf, alles baut er in die Zeit, in die weite Ferne hinein.
Dann gibt es noch die andere, die vertikale Faulheit, wenn wir vor dem Augenblick faul verharren, wenn wir nicht denken, sagen oder tun, was wir in diesem Moment tun könnten.
Wir greifen nicht nach etwas, das wir ohne größere Anstrengungen erlangen könnten und später vielleicht nur unter großen Opfern erreichen, wir gehen nicht zum Telefon, wir schreiben diesen Brief nicht, oder notieren diesen Gedanken nicht, umgehend, sofort, in diesem Augenblick.
Diese letztere Form der Faulheit ist die gefährlichste. Das Leben hängt von solchen verpassten, faul vernachlässigten Momenten ab.