Herzen brechen

Sándor Márai: Das Kräuterbuch LXXII

Darüber, wie Herzen brechen

Genau so wie in den Liedern, welche die Chansonetten in den Kaffeehäusern singen. Und die Lehre aus diesen Liedern ist immer die, daß man die zerbrochenen Herzen nicht mehr zusammenkleben kann. So lautet auch im Leben die Lehre.

Wenn sich ein Mensch einmal jemandem mit Vertrauen, bedingungslosem Gefühl genähert hat und seine Gefühle verletzt wurden, das Herz gebrochen ist, dann kann er nie wieder volles Vertrauen, bedingungslose Hingabe einem anderen Menschen entgegenbringen.

Es gibt kein empfindlicheres Material[1] auf Erden als das menschliche Material. Es ist nicht in der Lage, eine Verletzung zu vergessen, die seiner Seele oder seinen Gefühlen zugefügt wurde. Und ganz gleich welche Freundschaften oder Liebesbeziehungen ihm das Leben bringen wird, es bleibt mißtrauisch, jede Beziehung wird ihm eine verzerrte und bösartige Spielwiese[2], es will ewige Rache. So ist der Mensch.

Sei vorsichtig, wenn du solchen mit verletzten Herzen gegenüberstehst: Du kannst sie nicht besänftigen. Und die Geduld, Weisheit, Großzügigkeit, Leidenschaft gibt es nicht, die solch enttäuschte Herzen beschwichtigen könnte.

Iza színházban járt - Márai Sándor: A gyertyák csonkig égnek

[1] anyag – Stoff, Materie, Substanz, Material
[2] játékalkalom – wörtlich: Spielgelegenheit

Ein Gedanke zu “Herzen brechen

  1. Nevem van schreibt:

    … játék-alkalom – wörtlich: Spiel-Gelegenheit …
    … Spielwiese ist sinngemäß schon richtig. In meinem gedruckten Márai-Buch steht das Doppelwort mit Bindestrich. Ob mit oder ohne, eine seltene Formulierung laut Internet-Suchmaschinen; der Autor wird wohl etwas dabei gedacht haben. Oder auch nicht.

    … anyag – Stoff, Materie, Substanz, Material
    … hier hätte ich das Wort Materie statt Material gewählt. Im XX. Jahrhundert war die Aufregung groß, dass Materie und Energie ineinander überführbar sind. Da war (ist) aber noch etwas. Lebewesen, der Mensch als IVS, informationsverarbeitendes System, die Bezeichnung dürfte Márai Anfang der vierziger Jahre noch nicht geläufig sein. J.v.Neumann: Information ist Information, weder Materie noch Energie. Man versteht, worauf Márai hinaus wollte; wir stehen ja auf Schultern von Riesen, sehen weiter…

    Seidwalk: Die einzige anderssprachige Übersetzung, die mir bekannt ist, die Polnische, nutzt ebenfalls das Wort „Material“: Nie ma na ziemi wrażliwszego materiału nad materiał ludzki. Es scheint mir schon deswegen gerechtfertigt, weil in „anyag“ ja ebenfalls die Mutter (anya) steckt, so wie in „Material“ und „Materie“ die „Mater“. Beide Wörter sind alt, so alt wie die lateinische Sprache.

    Da es das Wort „Spielwiese“ im Ungarischen nicht gibt, kann Márai es nicht verwenden. Mein sprachlicher, zeitlicher und inhaltlicher Einfühlungsversuch hat mich dazu verführt, aus der Spielgelegenheit – in meinen Buch wird „játékalkalom“ zusammen geschrieben – die poetischere Spielwiese zu machen. Das sind die Freiheiten und Entscheidungen des Übersetzens.

    Selbiges gilt für die „Fessel“ in „Darüber, daß die Körperertüchtigung nicht immer gesund ist“

    Willanders: „Nie ma na ziemi wrażliwszego materiału nad materiał ludzki.“ Das ist ein falsches Polnisch. Der Klugscheisser muss kurz dazwischenfunken. Korrekt muss es statt „nad“ – „niż“ bzw. „aniżeli“ heißen. Und wenn schon „nad“, dann aber „nad materiałem ludzkim“.
    Bin wieder weg.

    Seidwalk: Bitte an die Übersetzerin Beata Netz weiterreichen: https://www.amazon.de/-/en/Sandor-Marai/dp/8307035104

    Willanders: Und wenn der Klugscheisser sich schon mal warmgelaufen hat: Das Herz ist ein Muskel und kann somit nicht brechen. Sage ich meinen jugendlichen Töchtern immer wieder.

    Seidwalk: Na, jetzt übertreiben Sie aber. Die Sprache ist keine Rechenmaschine, in ihr kann auch ein Muskel brechen – sofern er ein Herz ist.

    Seidwalk: Ich habe noch einmal einen polnischen Muttersprachler kontaktiert, der schrieb dies: „Eigentlich ist der Satz richtig formuliert. Ich würde zwar eher „niż“ (als) anstatt „nad“ (über) sagen, wobei so wie es jetzt ist, mit „nad“, scheint die Aussage erhabener zu sein. …Ich würde doch auch „nad materiał ludzki“ als korrekt ansehen. Solche Anwendung von „nad“ passt zu einem Prediger. Man könnte zum Beispiel sagen „Nie ma nic piękniejszego nad czyste sumienie“. „Czyste sumienie“ ist dann auch im Nominativ wie „materiał ludzki“ und ehrlich gesagt „nad czystym sumieniem“ inkorrekt wäre.“

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