Blauer Planet in grünen Fesseln

Orbáns Leseliste III

„Auch von Václav Klaus habe ich etliche Bücher gelesen. Gott sei Dank befindet er sich noch in guter Konstitution. Ich konnte mich vor einigen Tagen bei meinem Besuch in Prag persönlich davon überzeugen. Er hat gute Bücher über die Freiheit geschrieben, jetzt ist von ihm ein Buch über die Inflation erschienen. Auf Klaus lohnt es sich zu achten. Er ist einer der letzten Antikommunisten der Wendezeit, die heute noch schriftstellerisch tätig sind.“

Mit diesen Worten nahm Viktor Orbán gleich zwei Bücher des ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten in seine Leseempfehlungen auf; sie enthalten fast alles, was Orbán an Klaus fasziniert. Da ist zum einen die persönliche Freundschaft, da ist zum anderen das Primat der Freiheit und da ist zum dritten die gemeinsame Grunderfahrung des realen Kommunismus, den in jeglicher Form zu überwinden und zu verhindern, eine der Hauptmotivationen des Politikers Orbán sein dürfte. Klaus‘ Buch: „Blauer Planet in grünen Fesseln. Was ist bedroht: Klima oder Freiheit?“ ist im Grunde nichts anderes als eine Warnschrift vor neuem Dirigismus in der Politik am Leitfaden der Klima-Ideologie.

Blauer Planet in grünen Fesseln. Was ist bedroht: Klima oder Freiheit? :  Klaus, Václav, Reichel, Walter, Reichel, Simin: Amazon.de: Bücher

Den auf den ersten Blick befremdlichen Kontrast von Klima versus Freiheit löst Klaus auf, indem er den Nachweis zu führen versucht, daß nur eine freie Gesellschaft, in der Forschung und Lehre frei, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt gewährleistet sind, die ökologischen Probleme lösen könne. Dem steht die Agenda der „Enviromentalisten“ entgegen, die zwar Wissenschaft für sich in Anspruch nimmt, tatsächlich aber eine „metaphysische Ideologie“ und letztlich „antihuman“ sei. Marxistischer Volkswirtschaftslehre ähnlich wird dirigistisch und zentralistisch und global versucht, ein natürliches Gleichgewicht herzustellen, doch ein solches gibt es gar nicht – so Klaus – denn Natur oder Klima seien in permanenter Entwicklung begriffen, viel stärker von exogenen Faktoren (Sonne etwa) determiniert als endogenen (menschlich verursachtes CO2). Demnach existiert eine „real existierende ökologische Krise“ gar nicht.

Klaus distanziert sich übrigens sowohl von linken als auch von rechten ökologischen Alternativen, Environmentalismus ist vielmehr die negative Summe aus Kommunismus und Rechtsradikalismus. Von alldem will der Autor nichts wissen, er ist Ökonom und will das Problem unvoreingenommen mit ökonomischen Kategorien beschreiben. Es verwundert daher nicht, daß seine Hauptzeugen zum einen Hayek und Mises sind und zum anderen Björn Lomborg.

So beginnt er die Begriffe zu dekonstruieren, etwa den der „Ressource“. Die Rede von der Ressourcenknappheit lehnt Klaus ab. Ressourcen gibt es immer nur relativ, ihr „Vorrat wächst mit unserem Vorrat an Wissen“. So drohten einst die Wale auszusterben, deren Tran man brauchte, aber menschliche Ingeniosität konnte den Blubber bald ersetzen und umgekehrt mag es in Zukunft „Ressourcen“ geben, von denen wir heute noch gar nicht träumen, die Wellen des Meeres etwa. Die entscheidende Ressource „Erfindungsgeist“ kann aber nur in Freiheit abgeschöpft werden. Solange dies gewährleistet ist, steht eine Ressourcenerschöpfung nicht bevor.

Aber auch der Markt müsse so frei als möglich sein, um Lösungen in ihrer Vielfalt anbieten zu können, weshalb „die Existenz eines funktionierenden Preissystems die Grundvoraussetzung für eine ungestörte und gesunde Entwicklung der Menschheit (und der Natur) ist.“ Diese führt zu wachsendem Reichtum, der wiederum schafft die Bedingungen für wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Wohin dieser führt, können wir nicht wissen, ebenso wenig wie frühere Panikmacher von all den zahlreichen Entwicklungen und Entdeckungen wußten, die für uns heute Alltag sind und mit deren Hilfe wir die ökologischen Probleme lösen können. Ökonomisches Wachstum, Reichtum und technischer Fortschritt sind in ihrer letzten Konsequenz also günstig für die Umwelt. Die menschliche Anpassungsfähigkeit leistet ein Übriges.

Im Mittelteil seines Buches taucht Václav Klaus tiefer in die ökonomische Theorie ein, handelt von Diskontierung und Zeitpräferenz, von „Gerechtigkeit zwischen den Generationen“, von der Unsinnigkeit Zukunft nach heutigen Kriterien bewerten zu wollen, vom falsch verstandenen Vorsorgeprinzip, der „präventiven Vorsicht“ und anderem und entpuppt sich dabei immer wieder als Libertärer reinsten Wassers, als Anhänger der Österreichischen Schule.

Im abschließenden Kapitel wagt Klaus sich in die Diskussion um die menschengemachte Erderwärmung. Er beklagt die unausgewogene Forschung und Berichterstattung, zitiert namhafte Autoren, die einen 1500-jährigen Sonnenzyklus beschreiben und nur wer in diesen Zeitdimensionen denke, könne überhaupt die derzeitigen Klimaeffekte verstehen. Diese seien primär solar bedingt, der Beitrag des Menschen falle allenfalls sehr gering aus, so gering, daß selbst größte Restriktionen nur minimale Resultate zeitigen würden, es sich also nicht lohne, Fortschritt, Technik und Freiheit, die Errungenschaften der westlichen Gesellschaft aufs Spiel zu setzen, um das Unabänderliche doch nicht ändern zu können. Sinnvoller wäre es, mit den Veränderungen intelligent leben zu lernen, also den Markt agieren zu lassen und auf die vielen kleinen Innovationen zu bauen, statt auf großangelegte Umbauten von Staat und Gesellschaft.

Was also zu tun sei? Nichts. Nichts Besonderes zumindest. Wichtiger als alles, sei die freie Entwicklung von Wirtschaft und Forschung zu garantieren. Komplexe Systeme suchen sich selbst ihre Entwicklungswege, ihnen Richtungen vorschreiben zu wollen, habe immer in die Katastrophe geführt und wird es auch diesmal tun. Man müsse vielmehr demütig auf die „spontane Evolution der menschlichen Gesellschaft“ vertrauen. „Ein kompliziertes System darf und kann nicht durch einen menschlichen Plan, ein Projekt, eine Konstruktion wirksam organisiert werden, aber es kann einzig und allein durch die freie menschliche Tätigkeit wahrhaftig geschaffen werden.“ Es gehe nicht um die Natur, es geht um die Freiheit. Natürliche Bescheidenheit und Demut, der common sense im Kleinen, der individuelle Verzicht auf überflüssige gadgets oder „zerstreuende Elektrogeräte“ etc. leiste mehr für die Natur: „Umweltschutz ja, Environmentalismus nein.“ Tatsächlich sei der Streit um die Klimaänderungen kein naturwissenschaftlicher, sondern einer um die Freiheit. Je reicher und je freier eine Gesellschaft sei, umso besser auch die Qualität der Umwelt.

Gerade der Kommunismus habe das bewiesen. Mit ihm vergleicht Klaus den Environmentalismus und man darf vermuten, daß Orbán ihm beistimmt. Ob ein auf Utopie basiertes System mit einem auf Dystopie basiertem tatsächlich vergleichbar ist, die Frage stellt sich Klaus nicht.

Daß Viktor Orbán dieses Buch empfiehlt – das im Übrigen ob seiner Thesenhaftigkeit qualitativ abfällt und zudem unter einer zähen Übersetzung leidet –, gestattet uns eine wichtige Einsicht. Orbán ist im Herzen ein Liberaler, er gehört wesenhaft jener dritten und hybriden Form des Konservatismus an, sicher mit Anlehnungen an den Nationalismus. Daran ändert auch die Rede von der „illiberalen Demokratie“ nichts.

In der Theorie dürfte Orbán Klaus zustimmen, wenn dieser schreibt: „Es ist nötig, ein gesellschaftliches System zu schaffen, das fähig sein muß: 1. mit seinen demokratischen politischen Mechanismen die menschliche Freiheit zu garantieren und 2. mit seinen wichtigsten ökonomischen Mechanismen, das heißt mit dem Markt, mit funktionierenden Preisen und mit klar definierten Eigentumsverhältnissen die ökonomische Rationalität zu sichern, die mit der ökologischen Rationalität identisch ist und den einzigen Weg zur Prosperität (und zu Reichtum) darstellt.“

In der Praxis ist das schwer zu verwirklichen – davon weiß Orbán ein Lied zu singen. Ich stelle ihn mir leidend vor, wenn er sich gezwungen sieht, dirigistisch etwa Benzin- und Mineralölpreise zu deckeln und wenn dies dann auch noch schief geht oder wenn er bzw. das von ihm geschaffene System beginnt, unliebsame Stimmen zu bekämpfen oder das Land mit Propaganda zu fluten. Die Jahresendpressekonferenz bietet für diese These genügend Belege.

Ob sie bezüglich seines heimlichen Libertarismus stimmt, kann vielleicht schon die Lektüre einer weiteren Empfehlung aufzeigen …

Václav Klaus: „Blauer Planet in grünen Fesseln. Was ist bedroht: Klima oder Freiheit?“ Wien 2007. 126 Seiten

siehe auch: Klimawandel neu gedacht

Ein Gedanke zu “Blauer Planet in grünen Fesseln

  1. Nordlicht schreibt:

    Zu: Lomborg und den ökonomischen Kategorien.

    Natürlich erschreckt es Nicht-Ökonomen, wenn der Wert der Natur in Geld ausgedrückt wird; man ist automatisch empört und sagt, daß die Natur an sich und Wälder, Vögel etc doch einen über Geld hinaus gehenden Wert hätten.

    Dem wird kein Ökonom widersprechen, er würde Sie freundlich Fragen auf der Basis welcher Kriterien denn dieser Wert ausgedrückt werden solle. Die Ökonomie befasst sich mit der Bewertung von Alernativen, und selbstverständlich gehört dazu auch die Gewichtung des Nicht-Marktförmigen.

    Den Wert der Schönheit einer Landschaft versucht man zB mit der Frage beizukommen, welchen preis ein mensch dafür zahlen würde, daß dieser Blick erhalten bleibe. Denn es geht immer um Alternativen: Soll man einen hohen Deich bauen, der die Landschaft verschandelt, oder soll man Überschwemmungen riskieren? Soll man die Schönheit einer Landschaft durch breitere Straßen mit Leitplanken stören?

    Ökonomisierung bedeutet nicht, daß Ökonomen der Natur und ihrer Schönheit keinen Wert bemessen oder behaupten, sie wüssten diesen Wert. Sie rechnen Alternativn mit denjenigen Bewertungskriterien, welche ihnen von den Menschen genannt werden.

    Ich kenne jedenfalls keine Verfahren, zu Entscheidungen über Alternativen zu kommen. Wer der Natur keinen ökomosichen Wert gibt läuft Gefahr, daß der Wert bei politischen Entscheidungen überhaupt nicht berücksichtigt wird.

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