Sándor Márai: Das Kräuterbuch LXXI
Über den Sexus und die Traurigkeit
Am Grund der Dinge liegt der Sexus. Vielleicht sogar im Leben der Kristalle. Aber alle Geschlechtlichkeit ist traurig.
Die Angelegenheit des Körpers wie ein Urteil betrachten. Nur die Zärtlichkeit ist menschlich. Die Leidenschaft ist unmenschlich[1] und hoffnungslos.
Aber das Urteil, das alles Lebendige[2] zur Leidenschaft verdammte, kennt keine Gnade. Zwischen Begehren und Befriedigung wird die lebendige Welt erbaut, mit solch unmenschlichem Willen, wie die Pharaonen ihre Pyramiden von nackten Menschenmassen bauen ließen.
Was erhoffst du dir, armer, nackter Sklave, wenn die Stachelpeitsche der Wollust auf deinen Rücken knallt? Glück? Befriedigung?
Du erbaust das Weltgebäude, mit deinem Blut und deinem Samen als Bindemittel, verrichtest Zwangsarbeit. Nur der Takt und die Zärtlichkeit kann für einen Moment den traurigen Zwang der grausamen Knechtschaft der Geschlechtlichkeit vergessen machen.
Sie übersetzen „elevent“ mit „das Lebendige“ richtig. Warum die Anmerkung 2? Lexikalisch ist das eleven. Das t ist der Akkusativ. Warum die Vokalkürzung im Stamm él eintritt, ist mir nicht deutlich, aber es konnte mir auch noch niemand sagen. Es ist aber eine grammatische Erscheinung, da die Semantik nicht betroffen ist.
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Ich glaube, als der Schreiber das geschrieben hat, hat er sich vielleicht hoffnungslos nach jemandem gesehnt, sonst kann ich seine Worte nicht akzeptieren, weil ich sie nicht verstehe.
Das Gefühl von Lust und Verlangen, das die Wirbelsäule hinunterläuft, ist eine unfassbare, wunderbare Kraft.
Wie ein Tanz. Die Kultur der lateinamerikanischen Tänze ist für mich vorbildlich. Die Augen sind ein spannendes Zusammenspiel von Händen und Hüften. Blockieren Sie den Lärm der Welt vollständig. Nur die beiden Menschen sind einander wichtig, die gemeinsame Schwingung der beiden Körper und Geister. Gleichzeitig verloren und erfüllt in den Armen des anderen zu sein. Die Liebessprache des anderen zu kennen und zu wissen, wie die Existenz des anderen funktioniert, ist das Sahnehäubchen. Es erzeugt ein besonders erhebendes Gefühl. Anerkennende Worte, Quality Time … wessen Liebessprache was ist.
(Ich hoffe, die Übersetzung vermittelt, was ich sagen wollte)
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„Am Grund der Dinge liegt der Sexus. Vielleicht sogar im Leben der Kristalle.“ ― Das erinnert an Schopenhauers Behauptung, sein bekannter Wille beherrsche sogar die mineralische Welt. Solche Ideen kann man wohl unter Primitiver Animismus abbuchen.
„Aber alle Geschlechtlichkeit ist traurig.“ ― Das erinnert an die Anfangszeile von Mallarmés Brise marine[1] :
« La chair est triste, hélas ! et j’ai lu tous les livres. »
Wer dem entrinnen will, braucht ja nur nicht sexuell zu praktizieren. Bei einem Mann bürgerlichen Zuschnitts und der sich überdies in der Lebensregel- und Tugendpredigerei übt, genügte es dazu vermutlich, schlichtweg die Heirat zu meiden.
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[1[ Siehe Stéphane Mallarmé, Brise marine . Mit allzu freier Übersetzung hier.
(Ohne Reim und Füße, möglichst linear:)
Ach, das Fleisch ist traurig und ich habe alle Bücher ausgelesen!
Wenn man doch flöhe, dorthin flöhe! Ich spüre, dass die Vögel trunken sind,
Weil sie zwischen dem unbekanntem Schaum und dem Himmel schweben!
Nichts wird dieses Herz zurückhalten, das schon seine Zehen ins Meer taucht,
Weder die alten Gärten, die sich in den Augen widerspiegeln,
Ihr Nächte, noch die öde Helle meiner Lampe
Auf dem leeren Papier, das von seiner Weiße verteidigt wird,
Und auch nicht die junge Frau, die ihr Kind säugt.
Ich fahre fort! Du dein Mastwerk wiegender Dampfer,
Hebe deinen Anker hin zu einer exotischen Natur!
Ein Verdruss, trostlos geworden durch grausame Hoffnungen,
Glaubt noch an den erhabenen Abschied der Taschentücher!
Und vielleicht gehören die Maste, die die Stürme anlocken,
Zu jenen, die dann ein Wind über Wracks beugt,
Die verloren sind, mastlos, mastlos und ohne fruchtbare Inselchen …
Aber mein Herz, höre doch nur auf den Gesang der Matrosen!
Eskapismus eines Gymnasiallehrers mit höchst geregelten Lebenswandel, der schon deshalb nicht fort kann, weil er doch jeden Dienstag seine Freunde zum Jour fixe empfangen muss. Immerhin hat er vermutlich dank dieser Ausbruchsträumereien sein am wenigsten hermetisches Gedicht verfasst, das deshalb alle Anthologien und Schulbücher schmückt.
„“
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