Sándor Márai: Das Kräuterbuch LXX
Über das Glück
Glück gibt es natürlich nicht in dem destillierbaren, verpackbaren, etikettierbaren Sinn, wie sich das die meisten Menschen vorstellen. Als ob man nur in eine Apotheke gehen müsse, wo sie einem – für Dreisechzig – eine Medizin geben, und danach tut nichts mehr weh.
Als würde irgendwo ein Mann für eine Frau oder eine Frau für einen Mann leben und wenn sie sich eines Tages begegnen, dann gibt es keine Mißverständnisse mehr, keinen Egoismus, keinen Ärger, nur ewige Heiterkeit, ununterbrochene Zufriedenheit, gute Laune und Gesundheit. Als ob Glück etwas anderes wäre als das Verlangen nach dem Unerreichbaren!
Die meisten Menschen verbringen ihr ganzes Leben damit, sich methodisch, schwitzend, fleißig und unermüdlich auf das Glück vorzubereiten. Sie arbeiten Pläne aus, um glücklich zu werden, sie reisen und arbeiten zu diesem Zweck, sammeln die Requisiten[1] des Glücks mit dem Fleiß der Ameise und der Raubgier des Tigers. Und wenn das Leben zu Ende geht, dann begreifen sie, daß es nicht genügt, alle Requisiten des Glückes zusammen zu haben.
Man muß auch währenddessen glücklich sein. Und das haben sie vergessen.
Requisiten[1] des Glücks, Requisiten des Glückes;
bei Márai: boldogság kellékei(t)
würde ich als „Bestandteile von Glück“ übersetzen.
LikeLike
Jeder Tag ist ein Geschenk.
Das ist das Geheimnis des Glücks.
🙂
LikeLike