Solomon Aschs legendäres Konformitätsexperiment hat nun mehr als sieben Jahrzehnte auf dem Buckel. Asch konnte in einer außergewöhnlich einfachen und seither in tausendfach wiederholter oder variierter Versuchsanordnung einen grundlegenden menschlichen Drang zur Gruppenkonformität nachweisen. So wurden den Versuchspersonen etwa Striche gezeigt und sie sollten aus einer Vergleichsgruppe den gleichlangen benennen. Was die Leute sahen, war objektiv eindeutig. Was sie freilich subjektiv wahrnahmen, hing signifikant von der Gruppenwahrnehmung ab. Wenn also alle Mitglieder einer Gruppe eine kurze Schnur lang nannten oder eine lange kurz, dann tendierte die Versuchsperson dazu, sich dem unsinnigen Urteil anzupassen. Aus Angst, in der Gruppe isoliert zu stehen, änderte sich zuerst das Urteil und dann sogar die Wahrnehmung.
Fünf Jahre nach Kriegsende und noch immer die valente Frage sinnierend: „Wie konnte das geschehen?“, war das Experiment ein Schock. Seither wird es immer wieder angeführt, um uns den inneren Nazi, den Rassisten, Kolonialisten zu verdeutlichen, der in uns allen lebe. Das Experiment gehört zur linken Grundausrüstung. Stolz auf sich kann sein, wer der Versuchung in solch einer Situation widerstehen kann – er lebt freilich auch gefährlich.
Gerade wurde das Experiment in Sachsen während eines Faschingsumzuges mustergültig wiederholt. Dort fuhr ein Leiterwagen im Narrenzug mit, auf dem sich eine Gruppe Menschen als „amerikanische Ureinwohner“ (Spiegel) verkleidet hat. Schon die Vermeidung des Wortes „Indianer“ bestätigt Aschs Experiment.
Das Amateurvideo machte gestern noch die interne Runde in den sozialen Medien, es ging viral, wie man sagt, und ist heute auf den Titelseiten der großen Gazetten. Ein Mitarbeiter des „Tagesspiegel“ hat es seinen dreißigtausend Followern nahegebracht – der Mann ist natürlich Spezialist für „extremismus // antisemitismus // proteste“. Das Urteil der Gleichmeinenden ist so verheerend wie uniform: das blanke Entsetzen über so viel Rassismus und natürlich die Bestätigung aller Vorurteile über Sachsen.
Exakt das gleiche kann man heute in den Blättern lesen. Es gibt dazu keine zweite Meinung. Sie alle sind Versuchsperson in einem grandiosen Asch-Experiment und können nur das sehen, was alle anderen sehen oder vorgeben zu sehen. „Fasching kommt halt von Faschismus“, in den halboriginellen Worten eines der Lämmer.
Was tatsächlich zu sehen ist, ist ein wunderbar geglückter Faschingsscherz. Man müßte, um das zu verstehen, begreifen, was Fasching ist und welche soziale Funktion er hat. Dazu gibt es eine ausufernde anthropologische und ethnologische Bibliothek, die sich in einem Konsens bündeln läßt: Es ist der Ort der Umkehrung und der Bloßstellung der Macht und seine Funktion ist exakt der Erhalt dieser Macht, die sich diesen einen kurzen und streng geregelten Moment der Infragestellung als Trieb- und Aggressionsabfuhr leistet, um danach weiter funktionieren zu können. Was Fasching passiert – von der politischen Aufmüpfigkeit bis zur schnellen Kopulation hinter der Toilettentür – ist, als ob es nicht passiert sei.
Wenn man das weiß und wenn man dem Gruppendruck widersteht, dann kann man in jenem Wagen voller Indianer, die einen in Regenbogen-Farben gekleideten Häftling am Marterpfahl fesseln, einen phantastisch gut gelungenen Witz sehen, der exakt die Idee des Faschings bedient. Der Wagen ist lustig wie selten einer. Auf jeden Fall vielfach lustiger als die woken und politisch korrekten Wagen in den Narrenmetropolen Köln oder Mainz. Man kann den Prossener Narren nur zu diesem genialen Einfall gratulieren und viel Kraft wünschen, den Shitstorm lächelnden Auges zu überstehen.
In solchen Situationen liebe ich die Sachsen!
Ja die fünfte Jahreszeit wirft viele Fragen auf:
1. Ist die Pfählung eines Regenbogenmannes Diskriminierung?
2. Wo sind all die Indianer hin? Wann verlor das große Ziel den Sinn…
Waren die Rothäute bzw. Indigenen nicht gleich nach den Proletariern DIE Projektionsfigur der Linken?
3. Wozu braucht es noch Karneval, wenn die Narren längst die Macht ergriffen haben? – Man sehe und staune, wie die Annalena sich in der Bütt in Brüssel geschlagen hat! Selten war mehr Tschingdarrassabumm.
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Ich weiß nicht, zu welchem Zeitpunkt Sie den Artikel des Tagesspiegels gelesen haben. Jetzt steht jedenfalls an dessen Ende:
Anmerkung der Redaktion: Nach Hinweisen von Lesern haben wir die allgemeine Beschreibung des Marterpfahls aktualisiert.
Was sich wohl auf diesen Artikelabschnitt bezieht:
„Für Kopfschütteln sorgt bei Twitter-Usern vor allem der festgebundene Mann im Regenbogen-Kostüm, der offenbar den Kampf gegen das „woke Establishment“ symbolisieren soll. Bei einigen Indigenen im Nordosten der heutigen USA wurde der Marterpfahl in der Vergangenheit für Feinde eines Stammes genutzt, um sie schmerzvoller Folter auszusetzen.“
Vielleicht hatte man vorher ja „Ind…“ Nein, oh, oh, ich wag‘ es nicht!
Was für Lackaffen!
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Vor wenigen Tagen gab es einen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung über eine Amerikanerin aus dem Antidiskriminierungsgewerbe (oder auf Stellungssuche darin), die verkündete, eine Weiße, die sich die Haare blond färbe, zeige damit, dass sie die white supremacy vertrete, weil … aber die Begründung erspare ich allen Lesern besser.
Ich sprach selben Tags darüber telefonisch mit einer Verwandten (brünett), die mich gleich zurückfragte, wie es denn dann mit Dauerwellen sei? Und siehe, der Antidiskriminierungsgeist kam über mich und ich sprach gleich die unbezweifelbar inspirierten Worte: „Das ist ein klarer Ausdruck einer rassistischen Einstellung, weil die Wellen im Haar eine affirmative Anspielung auf das Meer sind, das von den Schiffen der Europäern beherrscht wurde, auf welchen die schwarzen Sklaven nach Amerika verfrachtet wurden.“
Es ist ganz einfach: Nur immer jammern und Anstoß nehmen, ein Grund dafür findet sich immer. (Frauen sind übrigens im Antidiskriminierungswesen überrepräsentiert.)
Vor einiger Zeit habe ich ein Cartoon in vier Zeilen gesehen, auf jeder wird in einem Filmklischee von einem Mann eine Handfeuerwaffe auf einen Mann mit erhobenen Händen gerichtet, daneben kommentiert mit giftigem Blick eine offenbar woke Dame die Szene.
Zeile: Schwarzer zielt auf Weißen
Kommentar: Das ist rassistisch, warum ist der Schwarze der Bösewicht?
Zeile: Weißer zielt auf Schwarzen
Kommentar: Das ist rassistisch, warum muß der Schwarze erschossen werden?
Zeile: Schwarzer zielt auf Schwarzen
Kommentar: Das ist rassistisch, warum bringen sich nur Schwarze gegenseitig um?
Zeile: Weißer zielt auf Weißen
Kommentar: Das ist rassistisch, warum gibt es keine Schwarzen im Film?
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