Sándor Márai: Das Kräuterbuch LIX
Über die Freundschaft
Es gibt keine menschliche Beziehung, die ergreifender, tiefer wäre als die Freundschaft. Bei den Verliebten, ja selbst in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern gibt es so viel Egoismus und Eitelkeit! Nur der Freund ist nicht egoistisch; sonst ist er kein Freund. Nur der Freund ist nicht eitel, denn er will dem Freund nur Gutes und Schönes, nicht für sich selbst.
Der Verliebte will immer etwas; der Freund will nichts für sich selbst. Das Kind will immer etwas von seinen Eltern, will den Vater überflügeln; der Freund will weder etwas bekommen noch will er überflügeln. Es gibt kein geheimnisvolleres und edleres Geschenk im Leben als eine wortkarge, verstehende, geduldige und opferbereite Freundschaft. Und es gibt nichts Selteneres.
Montaigne, als er über das Gefühl nachsann, das ihn mit La Boétie verband, sagte dies: „Wir waren Freunde … Weil er er und ich ich war.“ Das trifft es genau. Und Seneca schreibt irgendwo an Lucilius: „Wer ein Freund ist, der liebt, aber wer liebt, ist nicht immer ein Freund“. Diese Feststellung ist mehr als nur treffend: das ist bereits die Wahrheit.
Jede Liebe ist verdächtig, denn in ihrer Asche schwelen Egoismus und Habgier. Nur die Zuneigung des Freundes ist selbstlos, darin gibt es weder Interesse noch das Spiel der Sinne. Die Freundschaft ist ein Dienst, ein machtvoller und ernsthafter Dienst, die größte menschliche Prüfung und Aufgabe[1].
deswegen heisst er auch amicus….
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Mehr zur Freundschaft bei Montaigne:
Montaigne, Essais III, Chapitre III. De trois commerces
Deutsch etwa: „Von dreierlei Umgang“ (Gemeint sind Freundschaft, Frauen, Bücher)
Text in Mittelfranzösisch in dessen ältlicher Typographie (i=j, u=v, nur Gravis-Akzente, teilweise wohl auch bei der Texterfassung eingepflanzte Schreibfehler usw.) und leider auch ohne Übersetzung der lateinischen Zitate.
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Meiner Erinnerung nach wird bei Doderer die Liebe zwischen Leonhard Kakabsa und Mary K. ganz „freundschaftsförmig“ geschildert – das Verhältnis der beiden kommt in voller Selbstverständlichkeit beider und ihres Milieus zustande, auch da haben sich also zwei füreinander Bestimmte ohne Pathos und ohne Drama des Begehrens und der Werbung gefunden.
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