Die menschliche Substanz

Sándor Márai: Das Kräuterbuch LV

Über die menschliche Substanz

Seit fünftausend Jahren, seit zehntausend Jahren hat sich die menschliche Substanz nicht verändert. Nur die Kostüme änderten sich, die Ordnungen und Bedingungen des Zusammenlebens. Das, was der Mensch ist – die Seele und der Charakter –, hat sich nicht verändert. In der Stadt Ur, in Babylon, lebten die gleichen Menschen wie im heutigen Budapest: und in ihren Seelen nahmen sie die Welt auf die gleiche Weise wahr und sie reagierten genauso auf die Welt.

Nur waren sie – ohne Instrumente – näher an den Geheimnissen der Welt, an der Zeit, an den Sternen, an der Zeichensprache der Natur. Ihr Gehör war feiner, ihr Sehvermögen – auch ohne Fernglas – schärfer, einfühlsamer, intuitiver, ergreifender.

Die menschliche Substanz hat sich nicht verändert, aber der Mensch ist – dank mancher Genies und Instrumente – blinder und tauber in der Zivilisation als zu Beginn der Menschheitszeiten. Träger und blöder. Unterrichteter und zugleich unwissender. Er glaubt, er könne das Universum per Knopfdruck regieren.

Diese enorme Struktur, die Zivilisation, hat den Menschen aus der großen, geheimnisvollen und innigen Gemeinschaft der Welt verbannt.

Márai Sándor: Füves könyv - gondolatok - A Turulmadár nyomán

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