Die Frage ist noch nicht endgültig entschieden: Schadet es einer Sache mehr, wenn sie aktiv bekämpft wird oder wenn man sie mit falschen Mitteln verteidigt? Ist also der Gegner der eigentliche Feind oder ist es doch eher der in der Sache Verbündete, der diese aber schlecht vorträgt und falsch begründet?
Man kann David Richard Prechts und Harald Welzers Mut, sich gegen die Fehlentwicklungen in der „Vierten Gewalt“ – und damit, wie die gestrige Sendung bei Lanz zeigt gegen diese selbst – zu stellen, begrüßen, man kann aber auch über die viel zu kurzen Sprünge der beiden entsetzt sein.
Vorab: das nun skandalisierte Buch habe ich nicht gelesen. Auch gehöre ich nicht zu den Precht-Verächtern, die es links und rechts und überall zu geben scheint. Sein Buch über die Liebe fand ich originell, seinen Mut, auch gegen den Mehrheitsmeinungen aufzustehen – denken wir an sein Plädoyer „Freiheit für alle“ oder seine tierethischen Überlegungen – beachtenswert.
Es ist vor allem in Twitteria längst zum Sport geworden, sich über Precht lustig zu machen. Bereits vor Erscheinen des jetzigen Buches lief vor allem die linke Twitter-Blase heiß und produzierte wohl zehntausende Tweets, von denen jeder einzelne eine schwache Seele in den Suizid hätte treiben können. Nach der gestrigen Sendung bei Lanz gab es substantiellen Zuwachs.
Es saßen sich Precht/Welzer und Melanie Ammann/Robin Alexander gegenüber. Lanz verdächtig still, vielleicht aus Rücksicht auf seinen Freund Precht, vielleicht auch aus Einsicht, diese eine Sendung wenigstens nicht einseitig zu gestalten, vielleicht aber auch wissend, daß es hier keiner Moderation bedarf, um die Parteien in den Kampfmodus zu versetzen.
Wie meist erwies sich auch diesmal das Format als wenig ergiebig. Am Ende kommt fast immer heraus, mehr oder weniger deutlich: „Mit Ihnen kann man nicht reden“. Precht sprach es wortwörtlich so aus. Und er hatte recht. Die beiden Medienvertreter erwiesen sich als vollkommen aufnahmeresistent – aus selbstverschuldeter Unmündigkeit – auch nur das Grundproblem der Diskussion und wohl des Buches wahrzunehmen oder anzuerkennen. Sie verharrten in der Sicht: Diversität und Pluralität seien bei Spiegel und Welt garantiert, unsere Medienlandschaft blüht und gedeiht und wenn es hier und da Probleme gibt, dann sind es individuelle Aussetzer (Relotius etwa).
Umgekehrt waren Precht und Welzer fast ausschließlich damit beschäftigt, Aussagen, Zitate, Sachverhalte richtigzustellen, die so in ihrem Buch nicht stehen würden, von den beiden Berufsjournalisten jedoch behauptet wurden. Allein die Art und Weise, wie man mit den Kritikern umgeht – in der Sendung, auf Twitter, in den Redaktionen – ist der beste empirische Beweis ihres Standpunkts.
Am Ende arbeitete man sich an der These ab, ob es eine „Selbstangleichung“ von Medien und Staat gibt und wie diese funktionieren könnte. Eine befriedigende Antwort darauf gab es nicht. Man kann „geheime Treffen“, Absprachen oder Befehle und Anordnungen weitestgehend ausschließen und so blieb der Prozeß, die Ursache dieser Synchronisation im Geheimen. Die beiden Autoren scheinen bis zu diesem Punkt nicht vorgedrungen zu sein. Sie scheinen zu glauben, daß es an einer zu großen Nähe der beiden Sphären liege, daß Journalisten und Politiker also zu oft gemeinsam „an der Würstchenbude“ stehen.
So kann man das Phänomen, das mittlerweile statistisch vielfach aufgearbeitet wurde, natürlich nicht angehen und hier wird die Eingangsfrage virulent: Schaden Precht und Welzer ihrer Sache mehr als das sie ihr nutzen? Dabei stellt die Beantwortung der Frage keine großen denkerischen Anforderungen.
Warum Politik und Medienwelt weitgehend, d.h. in den Grundfragen, synchron laufen, läßt sich nicht in der direkten Konkurrenz erkennen, sondern im Blick auf ein gemeinsames Drittes und dies ist die Ideologie. Beide entstammen den selben geistigen Sphären und diese wiederum haben sich über sieben Jahrzehnte und länger systemisch herausgebildet und verfestigt, sie sind hegemonial geworden.
Will man es an einem Datum festmachen, so muß das Jahr 1968, vielleicht auch 1945 oder gar 1848 in den Blick geraten. Das soll jetzt hier nicht aufgefächert werden, aber daß der Sieg der postmarxistischen Ideologien in allen Institutionen, Akademien, Redaktionen, Regierungen die Grundlage der allgemeinen „Gleichschaltung“ ist, hat eine überwältigende Evidenz. Das ist der Grundsound der letzten Jahrzehnte, in ihn stimmen alle anderen mit ihren jeweiligen Einzelstimmen ein. Man singt in einem Chor, vielstimmig zwar und sicher auch im Kanon, aber man treibt das ganze Projekt voran.
Das ist auch der Grund, weshalb Stimmen, die einer ganz anderen Melodie und Harmonievorstellung folgen – etwa genuin rechte oder auch spirituelle – so gut wie nie Medienpräsenz erhalten und wenn doch, dann im Hochsicherheitstrakt gegen eine ganze Reihe an Orgelpfeifen.
Die Rechte nämlich ist nicht aufgrund ihres „Extremismus“ gefährlich, sondern weil sie sich gänzlich anderer, nichtmarxistischer Quellen, Narrative, Sprachspiele, Anthropologien und Epistemologien bedient, die zum einen auf der linken Seite gar nicht rezipiert und verstanden, zum anderen als gefährlich begriffen werden, ganz im Sinne Marxens: „Radikal sein ist die Sachen an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalismus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie, ist ihr Ausgang von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion.“ – Religion kann man in unserem Zusammenhang mit „Ideologie“ ersetzen.
Precht und Welzer können das nicht sehen, weil sie selbst bis zum Hals in der linken Suppe schwimmen.
An dieser Stelle offenbart sich – ganz nebenbei – auch ein Grund, warum rechts und links keine wirklich sinnvollen Distinktionen mehr sind: Links ist nämlich alles, fast alles: in der Politik von Linke bis CSU, in der Medienwelt von „Welt“ bis „TAZ“. Die Begriffe hätten nur dann einen Sinn, wenn es eine Parität gäbe.
Diese muß das strategische Ziel sein!
siehe auch: Das System Relotius
Dank an Nordlicht. Das haben Sie trefflich auf den Punkt gebracht!
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Seit die WELT sich Journalisten von der taz holt, die mit vielfach höherem Honorar dann das Gleiche weiter schreiben, gehört diese „konservative“ Zeitung sichtbar zu der woken Zeitgeist-Blase. Dass Herr Alexander gelegentlich gegen die Regierung aufmüpft und DonAlphonso das Biedermeier und Vermieter preist, ändert nichts daran.
Der Spiegel ist ein noch traurigererFall, weil zu seiner Historie das Querdenkertum und die Aufsässigkeit gegen Obrigkeit und US-Militarismus gehörten. Heutzutage nehmen sie Geld vom Impfmogul Gates und hetzen gegen Impfskeptiker, da ist jedes Kleinstadt-Wochenblättchen ehrlicher. Spiegel: Ein Parteiblatt der Olivgrünen.
Dass Precht und Welzer in dieser Suppe mitschwimmen und ergo zur Kritik aus unabhängiger Warte unfähig sind, ist treffend benannt.
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