Ein altes Soldatenlied

Soldatenlied

Ungarische Rock-Kultur Teil II

Dieses Lied berührt mich immer wieder aufs Neue. Vielleicht, weil die Geschichte auch Teil meiner Familienhistorie ist. Mein Großvater war sechs Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft und kam erst fünf Jahre nach Kriegsende nach Hause. Und auch das stimmt nicht, denn seine Heimat gehörte nun nicht mehr zu Deutschland. Die Großmutter mußte 1944 allein mit drei Kindern fliehen, sie landete schließlich – wohl zufällig – in einem vogtländischen Dorf … das später meine Heimat werden sollte. Als der Großvater zurückkam, betrat er also eine fremde Gegend, die nun Heimat sein mußte. Meine Mutter lernte ihren Vater erst mit neun Jahren bewußt kennen …

Niemand sprach später über diese Zeit, aber man darf annehmen, daß es trotz aller Ungewißheiten und schrecklicher Erlebnisse jene Treue gab zwischen den Eheleuten, die im vorliegenden Lied besungen wird. Auch dort kommen Krieg, Gefangenschaft und Heimatverlust zusammen.

Freilich liegen die Umstände anders. Die junge Frau kann in ihrem Dorf zwar leben bleiben, dieses jedoch wird einem anderen Staat zugeschlagen. Die angeordnete Änderung ihres Nachnamens verrät uns den historischen Hintergrund. Die Rede ist hier vom ersten Weltkrieg, die beiden Personen leben in Felvidék, lebten in Nordungarn, in jenem Teil, der durch den Trianon-Vertrag der Slowakei zugeschlagen wurde.

Sie wissen noch nicht, daß sie in 20 Jahren erneut leiden werden, daß sie vielleicht zu jenen gehören werden, die man nach dem zweiten Weltkrieg in die Bacska verpflanzen wird, nach Hajós vielleicht, wo sie zwar unter Ungarn sind, aber eben unter ganz anderen Ungarn, wo sie in Häuser einquartiert werden, die andere Vertriebene erbaut, die anderen gehört hatten, anderen Ungarn, wahrscheinlicher noch aber Ungarndeutschen. Diese wiederum wurden nach Deutschland vertrieben – sofern sie überleben durften –, just in jene vogtländische Gegend, in der auch meine Großmutter mit ihren Kindern im Handwagen gerade als Fremde ankam – siehe: Ungarndeutsche Tragödien und Ein Flüchtling kreuzt seine Spur.

Das Lied, das Kárpátia hier einfühlsam wiedergibt, ist auf der Platte „Istenért, hazáért – Katona Dalok“ („Für Gott und Vaterland – Soldatenlieder“) erschienen. Es dürfte sich also um einen historischen Text handeln, hier neu bearbeitet. Sein Thema sind – so hätte man noch vor wenigen Jahren gesagt – die ewigen Werte der Liebe und der Treue, der Aufrichtigkeit und der Würde. Aber diese Werte, die die Zivilisation viele Jahrhunderte getragen haben, erweisen sich nun als vergänglich. Sie werden von einer emotionalen Beliebigkeit, Identitätswahn und Opferkultur angegriffen und mit ihnen die gesamte Zivilisation. Vielleicht werden diese Zeilen kommenden Generationen unverständlich bleiben.

Kárpátia – Feldpost

Hol a magas hegyek júniusban fehér kucsmát hordanak
És pisztrángrajok úsznak el a korhadozó híd alatt
Hol lenn a völgyben kétszáz kémény füstfelhőket ereget
Élt egy asszony magányosan, férjéről várt híreket.

Wo die hohen Berge im Juni noch weiße Mützen tragen
Und Schwärme von Forellen unter der verfallenen Brücke schwimmen,
Wo unten im Tal zweihundert Schornsteine Rauchwolken emporsteigen lassen,
Lebte einsam eine Frau und wartete auf Nachrichten ihres Mannes.

Két éve már, hogy tábori lap nem oldotta magányát
Reménykedve várta mégis minden nap a postáját
A kertkapuhoz kisétálva leste meg a hírhozót
És könnyes szemmel sétált vissza, ma sem kapott semmi jót.

Zwei Jahre ist’s schon her, daß eine Feldpost ihre Einsamkeit erleichterte,
Voller Hoffnung wartete sie dennoch jeden Tag auf Post,
Zum Gartentor spazierend, erspähte sich schon den Postboten,
Und mit Tränen in den Augen ging sie zurück, auch heute kam nichts Gutes.

Egy nap aztán furcsa levél érkezett a címére
Csináltasson igazolványt megváltozott nevére
Megírták, hogy mikor menjen, melyik házba és hova
Így lett Kovács Máriából Maria Kovácsova.

Eines Tages kam ein seltsamer Brief an ihre Anschrift:
Lassen Sie sich einen Ausweis für Ihren neuen Namen ausstellen.
Sie schrieben, wohin sie zu gehen habe, in welches Haus und wohin,
So wurde aus Kovács Mária Maria Kovácsova[1].

Ki tudja már, mennyi hosszú év repült el azóta
Hogy utoljára levelet hozott ki neki a posta
Esténként férje fényképét fekteti párnájára
Beszél hozzá, simogatja és hűségesen várja.

Wer weiß schon, wie viele Jahre seither vergangen sind,
seitdem sie den letzten Brief vom Postboten bekommen hatte,
Nachts legt sie das Foto ihres Mannes auf ihr Kopfkissen,
Spricht zu ihm, streichelt es und wartet treu auf ihn.

Egyszer aztán nyílt az ajtó és ott állt a vén baka
Mankójára támaszkodva a fogságból tért haza
Nem szóltak, csak nézték egymást, mint szerelmük hajnalán
Nézte egymást némán az az ifjú és a szép leány.

Eines Tages öffnete sich dann die Tür und da stand der alte Landser[2]
Auf seine Krücke gestützt kam er aus der Gefangenschaft wieder,
Sie sagten nichts, sie sahen sich nur an, wie in der Morgendämmerung ihrer Liebe,
Sahen sich schweigend an, dieser Jüngling und dieses schöne Mädchen.

[1] Das alles spielt sich demnach in Felvidék ab, den ungarischen Gebieten, die in Trianon der Slowakei zugeschlagen wurden.
[2] baka

siehe auch: Ungarische Rockmusik

Ungarn in Rock

PS: Man kann Kárpátia nun auch auf Englisch hören: Europica. Sehr hörenswert, weil sie nicht den Fehler begehen, die englischen Texte selbst zu singen; ein Fehler, den ungarische Bands leider immer wieder begangen haben.

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