Sándor Márai: Das Kräuterbuch XXXVI
Über den Feind
Es gibt die Gleichgültigen, die Freunde, die Gegner, die auf das Befehlswort einer Idee, einer Überzeugung oder eines Interesses hin gegen dich kämpfen. Das ist die Ordnung des menschlichen Lebens, nur so gibt es im Leben eine schöne Spannung: zwischen Freunden und Gegnern, in der großen Menge der Gleichgültigen.
Und dann gibt es da den Feind. Er ist kein Gegner, er ist mehr als das. Als ob euch beide das Schicksal für ein Duell auserwählt hat, für das es keinen Grund gibt, das keinen Sinn hat. Du weißt von ihm, wie er auch von dir weiß, obwohl dein Lebensweg sich nirgendwo mit seinem gekreuzt hat. Er haßt dich, er will dein Brot, er will dein Leben: du hast nie gegen ihn gesündigt. Ein Leben lang geht ihr euch aus dem Weg und sucht einander..
Was kannst du dagegen tun? Vor allem bemühe dich, zu verstehen. Er ist das Gegengewicht in deinem Leben. Andernfalls wäre dein Lebenskampf linkisch und unbeholfen. Du brauchst ihn. Du mußt dich überwinden, um ihn besiegen zu können. Du mußt die Wahrheit kennen, um ihm gegenüber recht zu haben. Du mußt der Bessere sein, denn er glaubt dich böse und verkündet dies.
Gott hat ihn zu deinem Gefährten auf der Erde ausgewählt. Ihr habt ein gemeinsames Unterfangen, wie die Fehdekämpfer (bajvívók). Stich ihn nicht vor der Zeit nieder; stich ihn überhaupt nicht nieder. Er lehrt dich leben, kämpfen, verteidigen. Du sollst wissen, daß du ihn brauchst.