Das Monster wächst

Martin Wagener – Politikwissenschaftler an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung – hatte es auf 500 ausladenden, aber sehr rationalen Seiten einer Untersuchung unterzogen. Das Buch wurde ein szeneinterner Bestseller, verdient aber eine weitere Lektüre; darin zeigt er u.a. die Kompetenzüberschreitungen des Verfassungsschutzes unter Haldenwang und zeichnet die inneren Denunziationsmechanismen nach. Der Versuch, damit eine sachbezogene und offene Diskussion anzufachen, wurde mit weiteren Restriktionen beantwortet. Darüber berichtet Wagener – noch immer sachlich-trocken –  in diesem Podcast: Haldenwangs Rache

Wer sich der herrschenden Ideologie, die zudem in mancherlei Fragen de facto verfassungswidrig zu sein scheint[1], entzieht, gerät in den Fokus des Überwachungsapparates. Das sind beängstigende Zustände für alle Selbstdenker, sie sollten gerade bei den selbsternannten Demokraten die Alarmglocken klingeln lassen.

Noch beängstigender finde ich aber, daß die Schnüffelmentalität tief ins gesellschaftliche Unterbewußtsein eingesickert ist und sich die Fälle freiwilliger und vorauseilender Denunziation mehren. Dabei wird noch nicht mal ausschließlich auf die individuelle Überzeugung rekurriert, sondern die noch vagere Kontaktschuld bemüht. Wer also schon jemanden kennt oder mit jemandem zusammenarbeitet, der sich einen kritischen Geist bewahrt oder einer anderen Weitsicht anhangt, kann schon ostraziert werden, sofern er nach „Aufdeckung“ nicht öffentlich Buße tut und sich distanziert. Zwei aktuelle prominente Fälle zeigen den Mechanismus auf – die Dunkelziffer dürfte gigantisch sein.

So ist der durch Spendengelder gelungene Wiederaufbau des Berliner Schlosses durch Denunziation beschmutzt worden. Linke Ideologen – wie die „Preußische Allgemeine“ berichtet – wollten den „revanchistischen“ Bau verhindern, scheiterten aber am gesunden historischen und ästhetischen Verstand der Initiatoren und vieler Berliner und nun wird versucht, das Projekt zu diskreditieren, indem man unter den Geldgebern nach „rechten Spendern“ fahndet. Die meint man etwa in der „Jungen Freiheit“ oder in Burschenschaften ausfindig gemacht zu haben. Der Förderverein gibt sich empört – das ist gut so! –, aber allein die Tatsache, daß Einzelsubjekte diese Masche versuchen können, ist signifikant. Das aufgepappte Etikett „rechts“ genügt als Legitimation, eine inhaltliche Begründung erachtet man gar nicht mehr für notwendig.

Auch der Fußballer Martin Hinteregger sah sich plötzlich massiven Anschuldigungen gegenüber, die seine berufliche Laufbahn massiv beeinflussen dürften – sicher nicht zum Vorteil. In Kürze: Hinteregger – Kult-Profi beim Bundesliga-Verein Eintracht Frankfurt, einem Flaggschiff der unsäglichen Vermischung von Profisport und linker Propaganda – wollte in seinem Heimatort ein Sommerfußballturnier veranstalten, Gutes tun, Gemeinschaft stärken, Heimat leben und hatte sich dabei eines Sponsors bedient, den ein linker Schnüffeljournalist als „rechts“ einordnet. Dem Unternehmer wird vorgeworfen, Mitglied der FPÖ zu sein – für den Ohrenbläser schon Sünde genug –, sowie Verbindungen zur Identitären Bewegung und nach Schnellroda zu haben, die – da beißt die Schlange sich in den Schwanz – laut Verfassungschutzbericht als „rechtsextrem“ gelten und also zu den Unberührbaren zählen.

Daß Hinteregger davon nichts gewußt hat, ist glaubhaft, aber irrelevant. Der Skandal ist, daß Heinrich Sickls politische Überzeugungen überhaupt ein Skandal sein können und daß ausgerechnet ein linker Petzer und Hetzer mit Sympathien für radikale Kreise diese Überzeugung als Waffe benutzen kann, um alles zu denunzieren: den Fußballer, den Unternehmer und das Projekt. Auch hier wird eine sachliche Auseinandersetzung nicht mehr angestrebt, die Denunziation selbst beweist die Schuld der Denunzierten.

Die Presse nimmt das Narrativ unhinterfragt auf und dient sich als Stimmungsverstärker an. Selbst der „Kicker“, dessen Expertise allein der Sport sein sollte, produziert eine infame Überschrift: „Überheblichkeit statt Demut: Hinteregger hat wenig verstanden“ – und das, obwohl der Verteidiger bereits den unsäglichen Kotau geleistet hatte. Man will ihn aber im Sand kriechend. Nun rächt sich das linke Establishment dafür, daß einer zumindest zu Beginn bockig war. „Man stelle sich nur mal einen Moment lang vor, ein deutscher Nationalspieler des FC Bayern hätte in seinem Heimatdorf zusammen mit einem AfD-Politiker und Unterstützer rechter Kameradschaften eine solche Veranstaltung organisiert“ – Ja und? Wo ist das Problem? Warum sollte ein deutscher Nationalspieler nicht mit einem AfD-Politiker zusammenarbeiten dürfen? Die „rechte Kameradschaft“ ist hingegen eine ebensolche Verdrehung, wie sie der Kicker-Diener dem Sportler vorwirft. Es ist unerträglich!

Im Frankfurter Milieu dürfte Hinteregger keine Zukunft mehr haben, schon wird ein Transfer des bisher Unantastbaren diskutiert. Da wird eine Karriere zerstört, ein Lebensweg umgebogen, weil einer Kontakt zu einem hatte, der mit einem Kontakte pflegte. Niemand gab diesem Zubläser den Auftrag, diese Verbindungen „aufzudecken“, der Impuls kam aus ihm selbst, er tat es in dem Bewußtsein, wichtige und richtige Arbeit zu leisten. Und die Gesellschaft, vor allem in Form der Medien, honoriert dies durch Aufmerksamkeit und Lob. Niemand wagt, das Vorgehen zu problematisieren.

Prof. Wagener hatte den Mechanismus aus Verblendung, Überzeugung und Angst aufgezeigt. Am Ende steht ein System, das sich selbst immunisiert, denn der einzelne bürokratische Mitarbeiter kann es sich gar nicht mehr leisten oder auch nur daran denken, die fatale Kette zu durchbrechen, ohne selbst in den fürchterlichsten Verdacht zu gelangen. Wer diesen Mechanismus studieren will, der braucht keine dunklen Nazi- oder Stasi-Archive mehr durchwühlen, der muß nur noch die Zeitung aufschlagen.

Wenn aber selbst die strukturelle Analyse solcher Denunziationskaskaden bereits zur Denunziation führt – schon unabhängig vom eigentlichen Sachgehalt –, dann darf man von einem alles verschlingenden Monster sprechen.

Martin Wagener: Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen. Reinbek 2021
 
[1] Oder aber die Verfassung ist verfassungswidrig.

siehe auch: Im Fußball sterben

Ein Gedanke zu “Das Monster wächst

  1. Nordlicht schreibt:

    „Kontaktschuld“ ist eine dypisch deutsche Erfindung: Einmal mit dem Falschen gesehen werden …

    Familienhaft betrieben die Nazis, die Kommunisten nahmen die Kinder weg. Die Neueste Berliner Republik hat eine ganz eigene Art des Totalitarismus entwickelt. Wären die Verwaltungen etwas besser „digitalisiert“, könnte Überwachung und Fernsteuerung effizienter sein.

    China ist da weiter.

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