Die Galerie des Hasses

Wer nach dieser Meldung sein Vertrauen in die Presse nicht verliert, dem ist nicht mehr zu helfen. Ich bin sprachlos. Ich will auch gar nicht versuchen, mein Entsetzen – und meine Abscheu – in Worte zu fassen – es übersteigt meine Ausdrucksmöglichkeiten.

The Sun“, Englands auflagenstärkste und niveauloseste – kann das als Entschuldigung gelten? – Zeitung hat vor wenigen Tagen eine Liste der „gefährlichsten Männer und Frauen der Welt“, der ganzen Welt, veröffentlicht, „A ROGUES’ gallery of hate”. Sie repliziert ein Ranking einer NGO namens  The Counter Extremism Project. Wie diese Organisation sich finanziert, kann ich nicht sagen und es interessiert mich auch nicht. Sie hat für mich jede Legitimität mit der erwähnten Liste verloren.

Auf ihr steht, an achter Stelle, Martin Sellner! Man stelle sich das vor: Martin Sellner!

Vor ihm und nach ihm Massenmörder, Terroristen, Verbrecher und mittendrin Martin Sellner. Ich fasse es nicht!

Alles, was man ihm vorwerfen kann, ist dies: „DESCRIBED as Europe’s far-right “poster boy”, the 31-year-old used social media to promote his extremist agenda.

His Generation Identity group believes whites are being “replaced” by non-Europeans.”

Der “Glaube” daran, daß “die Weißen” von „nicht-Europäern“ ersetzt werden – ein simpler demographischer Fakt –, wiegt in dieser unfaßbar demagogischen Agenda wie das Morden, Martern und Metzeln des IS, Al-Qaidas und anderer vornehmlich islamistischer Terrororganisationen.

Ich muß Martin Sellners Sichtweise nicht verteidigen – das hat er unzählige Male selbst getan und immer und immer wieder, bis zum Erbrechen, die Gewaltlosigkeit betont, den metapolitischen Anspruch, die wissenschaftlich-demographische Herangehensweise und all das; wer es wissen will, kann das auf seinem Kanal – bei Youtube, Twitter und Facebook ist er schon lange gesperrt – in jedem x-beliebigen Video oder Text überprüfen.

Ich lese und sehe Sellner seit Jahren. Nichts, aber auch gar nichts berechtigt, ihn auch nur in die Nähe von Terroristen zu rücken, ihn auf diese infame Liste zu setzen.

Ja mehr noch, ich hatte das Glück, mich einmal mit ihm sehr intensiv – wenn auch leider viel zu kurz – über Heidegger und Bahro unterhalten zu können. Ich meine zu wissen, auch aus Erzählungen einiger Bekannter und Freunde, die ihn besser kennen, daß es kaum einen ehrlicheren, offeneren, freundlicheren, direkteren, friedlicheren und intelligenteren, aufgeweckteren Menschen gibt. Mutig ist er und vollkommen integer. Wollte man eine solche Liste erstellen, Sellner wäre ein Kandidat.

Mehr kann ich nicht sagen: mir fehlen die Worte! Alles Vertrauen ist verloren. Ich bin innerlich erstarrt. Ich könnte kotzen ob derartiger … ich finde kein Wort für diese Niedertracht. Nur Ohnmacht …

Aber das Ganze hat natürlich Methode und das Spiel geht wie folgt – der Fall Verfassungsschutzbeobachtung hat dies mehrfach bestätigt. Irgendeine Organisation mit wichtig klingendem Titel entwirft die „Gefahr von Rechts“, nennt Namen (IB, Sellner, Antaios, Ein Prozent, Kubitschek …), beschuldigt diese der „Haßverbrechen“, ohne handfeste Beweise vorzulegen oder auch nur vorlegen zu können, lanciert dies in der Presse, womit das Etikett vergeben ist und von nun an wird jede Erwähnung in der Presse mit dem Anhängsel versehen: „der vom Verfassungsschutz als Überwachungsfall eingestufte“, der vom „The Counter Extremism Project“ als einer der gefährlichsten Menschen der Welt eingeordnete usw., und das Zirkelargument ist abgeschlossen und kann in Endloswiederholungen abgespielt werden, auf daß es die Hirne ordentlich durchwasche. Denn natürlich kennen die meisten Menschen einen Sellner gar nicht, haben sich nie mit ihm auseinandergesetzt, kein Video gesehen, keinen Artikel, kein Buch gelesen … aber der Konnex bleibt unbewußt doch hängen.     

Wie sehr muß man hassen, um sich zu solchen Niederträchtigkeiten hinreißen zu lassen?

8 Gedanken zu “Die Galerie des Hasses

  1. Michael B. schreibt:

    Das Überdrehen des Rades, das bewußte Auslösen der Gegenreaktion könnte allerdings die Strategie sein

    Ich meine etwas andere Zeitraeume der Reaktion, nicht das gegenwaertige Geplaenkel. Die angenommene Laenge allein zeigt auf die Groessenordnung des Problems. Damit verbunden der sich immer deutlicher abzeichnende inhaltliche Umfang der Aenderungen. Fuer mich ist hier im Wortsinn Zeitenwende, das ist nicht heute und auch nicht morgen geloest und auch nicht im Rahmen dieses oder eines anderen betroffenen Landes. Alle Substanz, auf der ich und zahlenmaessig signifikante Teile der westlichen Gesellschaften zumindest Hunderte Jahre gewachsen sind, wird zersetzt. Jeder Bereich an dort teuer gewonnener Erkenntnis, Massenhafter Rueckfall in erkenntnisunwillige, wissensfeindliche, irrationale Formen der Weltbetrachtung. Mein ungarischer Diskussionskontrahent von gestern wuerde wahrscheinlich Glaubensfeindlichkeit wittern 🙂 Aber das ist komplexer. Waehrend es den bekannten reaktionaeren Teil von Religion als Regressionsrisiko schon meint und ich dort auch fruchtbare Vermehrung deutlich sehe, hat die eben auch andere, positiv resiliente Seiten. Hauptsaechlich liegt diese fuer mich in ihrer woertlichen Bedeutung als Rueckbindung. Ein sehr schoenes Wort mit ebensolchem Inhalt. Etwas, was direkt durch digitale Demenz angegriffen wird. Letztere ist ein wesentlicher Baustein der gegenwaertigen Formen von Manipulation. Darauf bauen sich die anderen auf, wie die inzwischen bestehende Moeglichkeit, nahezu taeglich Realitaet auch der jeungsten Vergangenheit durch Umschreibung, Weglassung, monopolartige Wichtungen, Wiederholung, Lautheit usw. immer wieder neu aus den Koepfen zu entfernen mit dem Ziel, diese dauerhaft und umfassend zu kontrollieren. Das wird eine Weile gehen aber nicht ewig, wie ich woanders gerade zu begruenden versucht habe. Realitaet laesst sich nicht endlos aussperren. Wenn der Hintern richtig kalt wird, MUSS der Verstand sich letztlich den wesentlichen Dingen zuwenden. Aber moeglicherweise dauert das, das erwarte ich auch. Und er wird ein paar sehr ungute Wege dabei beschreiten.

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  2. Otto schreibt:

    Es ist Zeit für die Incantationes …. weit in vorchristlichen Zeiten gingen die Betroffenen auf’s Feld und sangen ihr Schicksal in den Wind …. Hass und Fluch sind schon bösartig. Es geht nur darum, das Leid herauszusingen. Es sind die Worte selbst, die sich in der Reihe anstellen und wenn die Konstellation (ihre Zeit) kommt, wirksam werden. Eines ist wichtig: Es muß laut gesagt werden! Auch der Gesalbte hat zu seinem Vater gebetet.

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  3. Michael B. schreibt:

    Noch etwas zur Ergaenzung, @seidwalk:

    Mehr kann ich nicht sagen: mir fehlen die Worte! Alles Vertrauen ist verloren.

    Hatten Sie das wirklich noch? Sie sehen doch selbst schon lange, wie es laeuft. Ihre Schwaeche ist – als ‚Kopfmensch‘, wuerde die Mutter meiner Frau sagen – dass sie m.E. zu stark auf dieser Ebene leben. Das fuehrt zu Ueberreizungen, wie obige Wortwahl. In der Realitaet ist es graduell. Nicht durch ein singulaeres Ereignis ist doch ‚das Vertrauen verloren‘, das gilt auch fuer das Deplatforming von Trump, in dem Sie schon aehnliche verzweifelte Absolutformulierungen verwendeten, wenn ich das noch richtig im Kopf habe. Auch Folgendes ist ein Beispiel:

    Wie sehr muß man hassen, um sich zu solchen Niederträchtigkeiten hinreißen zu lassen?

    Ganz abgekuehlt wuerde ich sagen – Gar nicht :-). Mich hat immer die uebersteigerte Verwendung gerade dieses Wortes Hass durch den Zeitgeist sehr gestoert. Gerade weil ich weiss, was es wirklich bedeutet. Voellige Entwertung und Verdrehung einer starken Vokabel. Man sollte nicht in dieselbe Missinterpretation hineinfallen. Diese Ueber(!)emotionalitaet ist Werkzeug des politischen und sonstigen Gegners.

    Generell gibt Leben unter diesen ganzen medialen Aufgeregtheiten, und da gibt es nicht nur stumpfes Volk am Smartphone. Die Wahrheiten dort werden sich mit der Zeit durchsetzen – aber es wird dauern.

    Sehen Sie, ich bin ja selbstaendig. Ich habe schon (ich wuerde eher sagen: erst) vor zwei Jahren mein erstes Projekt verloren, weil ich einen ‚Code of Conduct‘ meines Auftraggebers nicht unterschrieben habe. Abgesehen davon, dass die Ueberstrapazierung des Wirkungskreises (er war fuer seine Mitarbeiter bestimmt) auf externe Geschaeftspartner allein schon eine Frechheit war: Mit diesen ideologischen Disziplinierungsmassnahmen werden viele (1) Leute ganz unter jedem oeffentlichen Radar schon laenger und auf kontinuierlicher Basis zu domestizieren versucht . Das merken die schon, auch wenn sie still bleiben. Fuer mich persoenlich waren die Reaktionen der ‚einfachen Leute‘ mir gegenueber auf meinen Rausschmiss mehr an Bezahlung als das, was ich in anderer Form je haette aus dem Auftrag mitnehmen koennen. In so etwas habe ich Vertrauen. Das traegt.

    (1) auch ein Vorteil meiner Art von Selbstaendigkeit – ich komme in viele ‚Laeden‘, von mittelgrossen Mittelstaendlern bis zu Weltkonzernen. Da sieht man viel.\

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    • @ Michael B.
      „Die Wahrheiten dort werden sich mit der Zeit durchsetzen – aber es wird dauern.“

      Noch mal zu diesem Punkt. Ich halte diese „Die-Wahrheit-siegt“-Platte längst für ausgespielt – sie klang wahrscheinlich noch nie sonderlich gut. In heutigen Zeiten ist sie jedoch fast schon gefährlich, denn Wahrheit braucht Medien. Wenn die Medien nun nicht mehr an der Wahrheit interessiert sind, wenn sie einfach verschwinden, wenn sie kontrolliert und zensiert werden, dann steht es schlecht für „die Wahrheit“. Wie und wo soll sie sich artikulieren?

      Das ist der Grund, weshalb wir uns heute an einem historischen Wendepunkt befinden. Jetzt gerade werden die Weichen gestellt. Es ist (wieder) eine Situation denkbar, in der „Wahrheiten“ nur noch am Mittagstisch und im Flüsterton ausgesprochen werden können, ohne daß sie die Gelegenheit bekommen, mit anderen geteilt zu werden. Czesław Miłosz hatte im „Verführten Denken“ die Frage aufgeworfen, ob es in solchen Situation strategisch sinnvoll und moralisch vertretbar sei, das Ketman zu praktizieren. Diese Frage muß man jetzt wieder neu diskutieren.

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      • Michael B. schreibt:

        Diese Platte ist nie ausgespielt. Ich meine das auch etwas anders, deswegen steht dort nicht ‚Wahrheit‘ wie aus dem Binsenspruch. Der richtigere Begriff ist wohl eher an den der Realitaet angelehnt. Und die braucht nicht Medien. Die Umstaende die sie bestimmen sind auch so da. Und wenn man meinetwegen jemand den Bewegungsradius einschraenkt oder er das Geld zum Wohnen nicht mehr hat, dann braucht er keine Medien um das zu spueren. Das Dumme ist wie immer nur, dass es die meisten Leute erst dann tun.

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  4. Michael B. schreibt:

    Passend dazu:

    https://sezession.de/63825/kapitol-sturm-immunisierung-der-wahrheitssysteme-1

    Sie koennen jederman in jederman umschreiben, und das tun sie auch. Auch vollstaendige Jesusattribute schuetzen davor nicht. Man ist erst einmal hilflos, aber man muss es nicht bleiben, auf Ausdauer sollte man sich aber einstellen. Zu starkes Ueberdrehen des Rades fuehrt zu Gegenreaktionen. Dauert und jetzt kommt wohl erst einmal das vorhersehbare Traenental im real life.

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    • @ Michael B.

      Das Überdrehen des Rades, das bewußte Auslösen der Gegenreaktion könnte allerdings die Strategie sein – Michael Kohlhaas als Blueprint. Sellner ist ja nun ein Musterexemplar an Gelassenheit, Friedfertigkeit und an Quecksilbrigkeit. Jeden neuen Schlag versucht er wegzustecken, in einer Art Aikido die Angriffsenergie abzufangen und gegen den Gegner – der zudem oft unsichtbar bleibt – zu wenden. Allein, das können nur wenige Menschen. Viele werden, wenn sie in die Ecke getrieben werden oder sich so fühlen, den animalischen Reflexen folgen und zum Angriff übergehen. Mit Aggression und mit Gewalt – und exakt diese Aggression spielt dem Gegner, der über die ganze Breite der Exekutive verfügt, in die Hände. Man will sie provozieren, um sich dann der selbsterfüllenden Prophezeiung zu rühmen und die „Notwendigkeit“ der Repressionsmaßnahmen zu beweisen. Der „Sturm auf das Kapitol“ dürfte nicht unwesentlich durch solche Energien angetrieben gewesen sein. Trump jetzt auch noch vollständig zu sperren oder Parler vom Netz zu nehmen, heizt die Situation noch einmal an. An Jack Buckbys These, daß die Linke die radikale Rechte kreiert, ist durchaus was dran.

      Was nun meine psychische Verfassung betrifft: da machen Sie sie sich mal keine Sorgen. Ich hatte doch schon mehrmals erwähnt, daß öffentliche Texte Theaterbühnen sind, auf denen man Rollen spielt. Auch wenn die Empörung groß ist und in diesem Falle an Fassungslosigkeit grenzt, kann das meine Substanz nicht berühren. Dazu gehört auch ein gewissen Spiel mit Vokabeln. „Vertrauen“ etwa – meine Ressourcen sind noch nicht aufgebraucht und werden es auch nie, weil mir natürlich die Vielfalt auch in den Reihen der politischen Opponenten bewußt ist; zu manchen kann man mehr, zu anderen weniger Vertrauen finden. Mein Wille, dies zu verstehen und ins Gespräch zu kommen, ist noch immer ungebrochen – Sie werden das wieder meiner Naivität zurechnen -, auch wenn die bisherigen Erfahrungen eher enttäuschend waren. Ich bin mit Leuten in Kontakt, die würden Sellner blankweg als Terrorist und Rassist und alle denkbaren Isten betrachten und wären entsetzt, wenn sie wüßten, daß man sich geistig auch in diesen Kreisen umhertreibt (Kontaktschuld). Dennoch wird es Momente geben, in denen man diese Bekanntschaft offenlegen kann und dann werden diese Menschen vor der Wahl stehen, mir – den sie schätzen – zu glauben oder in schwere kognitive Dissonanzen abzugleiten oder aber die Trennung herbeizuführen und mit dieser Entscheidung zu leben.

      Noch mal zur Liste. Daß Sellner da drausteht, ist wohl dem Berliner Zweig dieser NGO zu danken. Man wird vermuten dürfen, daß dieser Beitrag im Dunstkreis der Amadeu-Stiftung und/oder einem der zahlreichen Lehrstühle für Extremismusforschung entstammt. Dort hat man sich Sellner als zentrales Ziel auserwählt. Die geile Freude, die ein „Robert Wagner“ oder ein Andreas Kemper gerade ob der Cancelwelle und am Deplatforming empfinden, ist verräterisch. Die Liste ist ja in sich vollkommen sinnfrei. Was hat eine Zschäpe dort zu suchen? Wie kann die jemals gefährlich werden? Vermutlich ist sie dort nur die Quotenfrau. Die tatsächliche Botschaft der Liste ist ja, wenn man mal hinter die Steckbriefe schaut, daß die Gefahr vom Islamismus kommt, nach wie vor. Die „Rechtsextremen“ sind Feigenblätter, die das eigene Narrativ – von dem man ja lebt! – am Leben zu erhalten.

      Es ist ja auch ganz objektiv gar nicht zu sehen, wo Sellner gefährlich sein könnte. Die IB hat 400 Mann, seine Videos sehen ein paar Tausend, sein tatsächlicher Einfluß ist so gering, daß der Leviathan in gar nicht bemerken würde, verhielte er sich normal.

      Insofern könnte man – wie mir gerade empfohlen wurde – auch darüber lachen.

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