Gesetz des Konservatismus

Ein Gedanke

Menschen sind von Natur aus konservativ – werden sie progressiv, spielt ihnen der Kopf einen Streich.

Es gibt ein natürliches Verlangen nach Sicherheit und die stellt sich dann ein, wenn das Gewohnte sich hält, wenn Erwartungen bestätigt werden, wenn heute und morgen sich gleichen.

Dieses Grundgesetz wird nur aus zwei Gründen außer Kraft gesetzt: das Heute ist wahrlich unerträglich, alles andere ist besser als das Gegenwärtige oder aber der Verstand wurde mit Ideologien benebelt, die das Bessere immer in die Zukunft verlegen und das Seiende somit zum Unerträglichen erklären.

Das Gefährliche am natürlichen Konservatismus ist, daß er auch die Progressisten beherrscht.

Eine Generation, die mit WLAN, Dönerbuden und kultureller Vielfalt auf engstem Raum aufgewachsen ist, sich in dieser Welt zu orientieren lernte, hat ebensolche Angst davor, den Seinszustand zu verändern, wie der Konservative, der noch in einer homogenen Welt aufwuchs und nun diese vor jener bewahren möchte.

Seine Vision einer friedlichen Gesellschaft muß letztlich am biologischen Faktor scheitern. Auch das ist ein Gesetz.

17 Gedanken zu “Gesetz des Konservatismus

  1. Jochen Thurm schreibt:

    @ lynx
    Definieren Sie „Rechten“.Gilt die aktuelle Definition=Alles was nicht Links ist?
    Definieren Sie ihr ganz subjektives „Zukunftsbild“ aka Vision ,und
    begründen(am besten mit Letztbegründung)warum ihre Vision objektiv positiv ist,die der Rechten aber nicht?
    Haben Sie dabei auch ein wenig Empirie auf ihrer Seite?

    Haben sich die linken Zukunftsbilder in der Vergangenheit objektiv als positiv gezeigt oder
    glauben Sie dabei lieber den Expertisen von Robespierre,Lenin,Stalin ,Pol Pot,Kim Jong Un usw.

    Sollte zweifelndes Lamentieren an diesen positiven,nicht rechten Visionen noch erlaubt sein oder
    die nörgelnden Bedenkenträger gleich ins Lager verschwinden oder mit den Reichen
    erschossen werden,wie die SED gerade wieder als positives Zukunftsbild vorschlägt?

    Hier noch ein positives Zukunftsbild vorgetragen von einer Ikone der Linken:

    Che Guevara 1964 vor der UN-Vollversammlung:

    Yes,we have executed people,we are executing people and shall execute people as long it is
    necessary…. for a just society.

    Warum lag Altkanzler Schmidt richtig mit seinem Rat,Leute mit solchen positiven
    Zukunftsbildern sollten besser einen Arzt aufsuchen?

    Lynx: @ J T : Schwachsinn. Und beim Che muss ich seit Längerem immer an Sellner denken. https://lynxblox.wordpress.com/2019/02/14/dschungeldampf_und_gipfellinie/

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  2. Der Konflikt zwischen „bewahren“ und „verändern“ – zwischen aristotelischer Vernunft und platonischem Idealismus/Eifer ist nicht neu. Man kann jeden missverstehen, wenn man ihn missverstehen will und natürlich bietet der Artikel Spielraum für Polemik. Man könnte zum Beispiel sich froh darüber zeigen, dass sich irgendwann in der Steinzeit die Progressiven durchgesetzt haben, welche die Erfindung des Feuers für eine nützliche und großartige Erfindung hielten und nicht jene, die sich besorgt über mögliche Konsequenzen zeigten. Da das menschliche Gehirn sich vor allem aufgrund des Verzehrs von gegrilltem/gegarten Speisen weiterentwickelte, kann man ausschließen, dass die „Antifeuer“-Fraktion die nötige Eloquenz und den Intellekt besaß, ihre Bedenken ansprechend zu äußern. Aber es gibt ja heute durchaus Denker, die die Einführung des Weizenbaus als Beginn eines Holzweges ansehen, indem die Kehrseite der menschliche Entwicklung (Ökologie, Religion als Ursache für Intoleranz) aufgezeigt wird. Anders gefragt: Wäre der Mensch beim Rohfleisch und Nomadentum geblieben, wäre er gar nicht erst auf den Gedanken gekommen, zu glauben, diese Welt sei ihm von einer höheren Macht dienstbar gemacht worden. (siehe Dawkins „Blinder Uhrmacher“) Andererseits können bekenennede Atheisten unter den Anthropologen nicht ausschließen, ob die Menschen nicht auf schon vorher Religion kannten (siehe dazu Studien zu primitiven Stammesgesellschaften, die es heute noch – wenn auch immer weniger – gibt).

    Aber vielleicht ist das Problem ein anderes als der Konflikt zwischen „Bewahrung“ und „Aufbruch“.

    Was heute vlt. neu ist, ist, dass es nicht so sehr darum geht, wie in der Antike (und in der Aufklärung wiederholt)„sich selbst zu erkennen“, sondern sich selbst zu verwirklichen. Und möglicherweise haben wir heute vergessen, wer wir eigentlich sind. Konservative oder Neu-Rechte mögen darin übereinstimmen, dass die Postmoderne das Selbsturteil erschwert (durch Relativismus und Dekonstruktion möglichst aller Narrative und Wahrheiten – die es ja ohnehin nicht gebe). Michel Houllebecq bsp. lässt einen Charakter in seinem Bestseller „Unterwerfung“ lang und breit erklären, dass das Christentum über 1.000 Jahre lang identitätsstiftend wirken konnte – die „Nation“ jedoch nur vergleichsweise über kurze Zeit (aus Gründen) In jüngerer Zeit scheint sich der Autor nach dem Katholizismus zu sehnen, nur hindert ihn sein scharfer Intellekt daran, sich einer Illusion hinzugeben, so nützlich sie auch sein mag. Was er jedoch – genauso wie John Gray in seinem „Abschied vom Humanismus“ erkennt, ist, dass Dinge wie „Selbstprüfung“ und „Selbstbeherrschung“ das Metier der abrahamitischen Religionen sind, während die Aufklärung letztlich zu einem mehr oder weniger idealistischen Hedonismus geführt hat, nämlich zur Selbstverwirklichung statt der Selbsterkenntnis (die durch Selbstprüfung und Selbstbeherrschung erreicht wird).

    Der Idealismus der Philosophes bzgl. der Fähigkeit der Vernunft, Tugend zu vermitteln, erhebt das menschliche Bewusstsein in einer Weise, die für künstlerisch und menschlich unentbehrlich gehalten wird. Der „Glaube“ hingegen wird mit einem unliebsamen augustinischen Pessismus gleichgesetzt. Im Geiste dieser Art von Humanismus rühmt Michelangelos David – zufrieden in seiner prometheischen Freiheit vom Himmel – dessen Muskulatur als ein prachtvolles Gegenstück zu seinen prophetischen Gewändern. Er ist die perfekte Ikone der wohlwollenden Unabhängigkeit des Menschen von der Erbsünde.

    Doch Davids Erbe hat im vergangenen Jahrhundert unvorhergesehene Wendungen genommen. . Seine offensichtlichsten Erben sind wohl im Sozialistischen Realismus oder unter den arischen Aktdarstellungen der Nazi-Kunst zu finden; heute sucht man in der Kunst der liberalen Demokratien – die neben dem Islamismus und dem chinesischen Kommunismus die einzige Version der Aufklärung darstellen, die das zwanzigste Jahrhundert überlebt hat – vergeblich nach einer entsprechenden Verherrlichung des Menschen. (Lucian Freuds Leigh Bowery (https://www.deviantart.com/benushko/art/Fat-man-Leigh-Bowery-Lucian-freud-316942802) zeigt – neben anderen menschlichen Verunstaltungen in der modernen Kunst -, wie weit wir uns von David entfernt haben.)
    Der Roman an sich, ein noch stolzeres Medium der aufklärerischen Ideale von Freiheit (dank verstärkter Subjektivität), wurde von den Erben des Literaturtheoretikers Bachtin als Feind der „Vielstimmigkeit“ kritisiert, ebenso von Feministinnen (Hélène Cixous und andere) als alberner Versuch, lineare und „phallozentrische“ Bedeutung zu schaffen, Die Gegensätze, auf denen sich der Roman gewöhnlich begründet (Ost/West, religiös/säkular, hetero/schwul, bürgerlich/proletarisch), liegen nun inmitten der literarischen Trümmer, und der neue Roman hat, obwohl er weitgehend humanistisch und sogar forensisch in seine Innenschau ist, nichts Offensichtliches mehr gemein mit der Vision der einstigen Philosophes. Die einzige noch interessante Dichotomie in der Literatur finden wir noch bei Salman Rushdie und Michel Houllebecq.

    Da Bilder mehr bewirken als Texte, sehen wir eine ähnliche Entwicklung, mit größere Betonung von Bedeutungslosigkeit im Film. Während „Star Wars“, wie der Regisseur Lucas selbst einst äußerste, dazu diente, bei jungen Menschen ein spirituelles Bewusstsein zu wecken (eine alles durchdringende Macht, die Yedi-Orden – die sowohl vom ihrem Habitus wie auch ihrer Kleidung nordafrikanischen Sufis ähnelten -, die lehrten, dass man das eigene Ego beherrschen müsse) und sich der klassischen antiken Heldengeschichte bemühte, (junger Held wird angeleitet durch älteren Mentor) wird heute auf 3-Effekte der Fokus gesetzt, marginalisierte Gruppen (Frauen, Schwarze) erhalten Hauptrollen und die bisherige klassische Lernprozess des Helden wird komplett entfernt: Eine junge Frau beherrscht bereits sämtliche Kniffe, ohne dafür von einer seltsamen, 800 jährige alten GEstalt in einem gottverlassenen Dschungel angeleitet werden zu müssen. Hier kommt noch die Krise der Männlichkeit in der Moderne zum Tragen – in der jüngsten Arte-Ausgabe von „Philosophie“ wurde ein gewisser Clément Lescat vorgestellt, einem Mitgründer des Vereins „Au Cœur des Hommes“, der Identitätsfindungsworkshops für Männer anbietet.

    Auch moderne Bibelverfilmungen der jüngeren Zeit wie Noah oder Moses werden von jeglicher höheren Bedeutung oder Eschatologie entkernt. Der Verlust von „Bedeutung“ (siehe Zygmunt Bauman – Flüchtige Moderne) kann durchaus Kreativität freisetzen und ist eine ziemlich große energetische Leere, die Fortschritt ohne höheres Ziel zur Folge hat.

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  3. Michael B. schreibt:

    War der Beitrag ein Test? Wenn nicht, wie sagt man so schoen: „Es gilt mit Feinheit zu unterscheiden“. So wie es dasteht, ist das Ausdruck einer geschlossenen Blase, hier mal nicht bei den ‚Gruen-Linken‘.


    Dieses Grundgesetz wird nur [!] aus zwei Gründen außer Kraft gesetzt: das Heute ist wahrlich unerträglich, alles [!] andere ist besser als das Gegenwärtige oder aber der Verstand wurde mit Ideologien benebelt

    Ausrufezeichen von mir.

    Ehrlich seidwalk – die bewusste Betonung einer vorgeblich vollstaendig antagonistischen Dichotomie ist doch bluehender Unsinn. Das haette ich von Ihnen nicht erwartet.

    Jeder Mensch hat ja schon verschiedenste Bestrebungen in sich selbst. Es gibt es ganz konservativ und ganz progressiv bewertete Themengebiete in einer einzelnen Person. Und dann gibt es v.a.D. (es sind die meisten) noch diejenigen, wo das sowohl im Grad als auch im Attribut (gibt ja noch mehr als konservativ/progressiv) nicht einfach oder unmoeglich zu zwei mageren Begriffen zuordenbar waere.

    In meinen professionellen Interessen an z.B. Naturwissenschaften und Mathematik bin ich fuer jede Entwicklung zu haben und treibe die auch im Rahmen meiner Kraefte voran, ganz ohne dass das Heute mir „wahrlich unerträglich“ vorkommt. Die einzige Unertraeglichkeit ist hier die Neugier. Weder muss und will ich dabei verwerfen was da ist, noch schneide ich mir meine Entwuerfe ab, um nur noch alte Altaere zu schmuecken. Schon in diesem singulaeren persoenlichen Beispiel ist die ganze Dynamik voellig nicht-trivial.

    In anderen Dingen wie z.B. Familie bin ich sicher eher konservativ. Aber das sind nur angetackerte Marken, die bilden ueberhaupt nicht das komplizierte Wechselspiel ab – das, was eigentlich interessant ist.

    Gesellschaftlich ist es aehnlich. Es gibt Erhaltenswertes, dass mir wie aus meinen Beitraegen hier leicht zu erkennen, viel zu umfassend ueber Bord geht. Veraenderungen dieses Landes brennen mir aber seit ich vor 30 Jahren in es hineingefallen bin ganz unabhaengig davon immer wieder einmal doch recht stark auf den Naegeln. Sonst ware ich z.B. sicher nicht vor 10 Jahren fast entgueltig hier verschwunden.

    Es ist halt nur so, dass das eben weder inhaltlich noch/oder in Art und Weise die Aenderungen sind, die hier im Land mittels einer schon verbrecherisch zu nennenden Agenda vorangetrieben werden. Dort sollte man konsequent werden, nicht in Scheingegensaetzen wie progressiv/konservativ.

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    • Verzeihung, wenn ich mich dazu melde, denn ausnahmsweise kann ich Ihren Ausführungen weitgehend zustimmen. Bis auf die letzten beiden Absätze, wie sie sich denken können. Besonders ärgerlich finde ich die Aussage, Sie seien in dieses Land „gefallen“: es jährt sich in diesen Tagen die historische Volkskammerwahl vor 30 Jahren, die von Historikern als „Plebiszit für den Beitritt“ gewertet wird. 93,4 % Wahlbeteiligung, eine klare Mehrheit für die sog. „Allianz für Deutschland“. Nur wenn Sie tatsächlich nicht gewählt haben bzw. sich für den damaligen Status quo ausgesprochen haben, gehen Sie als „gefallen“ durch. Meine persönlichen Eindrücke aus diesen Tagen: https://lynxblox.wordpress.com/2020/03/07/kurze-reise-in-die-kleine-republik-glucklicher-menschen/

      Die Kritik an der von Seidwalk gern gepflegten Dichotomie ist berechtigt und Ihrerseits wohlbegründet. Vielleicht werden wir nur Zeuge davon, wie ein geschlossenes Weltbild an sein vorhersehbares Ende gerät? Vielleicht ist das ja sogar, persönlich, tragisch? Das wollen wir nicht hoffen.

      Seidwalk: Mit der persönlichen Tragik werden Sie auf jeden Fall recht gehabt haben.

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      • Michael B. schreibt:

        Als Antwort auf lynx.

        > Besonders ärgerlich finde ich die Aussage, Sie seien in dieses Land „gefallen“

        Sie wuerden sich wundern, was hinter den SED-verdaechtigen 93% an Spannweiten stehen. Es ist wie mit dem Intervall [konservativ,progressiv] – dazwischen ist viel. Kommen Sie als Wessi erstmal an eine ploetzliche Schwelle dieses Ausmasses an grundlegenden Aenderungen ihrer gewohnten Gesellschaft, dann reden wir weiter. Besonders wenn man Ihnen zeitlichen und anderen Druck auferlegt der eine Entscheidung zu Folgen die Sie ueberhaupt nicht absehen koennen als unausweichlich ’nahelegt‘. Das noch dazu nach einer Domestikation, die Nichtwahl fuer die allermeisten Leute ganz grundsaetzlich nicht enthielt.

        Tatsaechlich ist es so, dass ich viele Jahre nicht gewaehlt habe – in der DDR ganz bewusst mit direkten Folgen fuer die Person, in der Bundesrepublik aus dem Gegenteil heraus, einem voelligen Desinteresse an der schon frueh durchschauten Demokratiesimulation. Allerdings hatte ich dabei die Mechanik von Wahlen und damit auch uebersehen, dass ich nur denen diene, die ich nicht oben schwimmen sehen mag. Man sollte das also schon deswegen tun, um den Unterschied zwischen Mechanik und Realitaet ins Licht und zu stellen und dieses unverantwortliche Pack dazu zu zwingen, sein Gesicht zu zeigen.

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        • Michael B. schreibt:

          Zur Deutlichmachung noch einmal zum ersten Teil meines letzten Beitrages und seiner Verbindung zum Begriff ‚hineingefallen‘. Sie unterschaetzen die Groessenordnung (im Sinn der Anzahl der Leute) einer Entscheidung aus dem Gefuehl eines Bewegtwerdens statt eines Bewegens heraus, lynx. Tatsaechlich sehe und sah ich dahingehend keinen aktiven Anteil meinerseits, weil die gebotenen Alternativen ALLE nicht meine Intentionen abbildeten. Zumindest betrifft das den Komplex Wahlen deren gewuenschter Ausgang schon lange als Weiche gestellt worden war, dahingehend hatte ich keine Illusionen. Und da waren wir wieder bei der Rolle von Konservatismus und Sicherheit. Da waehlt man dann halt auch unbekannte Chimaeren vom fremden Stern, so stark ist das.

          Deswegen bin auch ich als Person hineingefallen (allerdings nicht reingefallen) und nicht eingetreten.

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          • Wir hatten in den wenigen Gesprächen, die wir vor der VK-Wahl führten, einerseits auch den Eindruck des „Bewegtwerdens“, wie das so ist bei großen Gefühlsausbrüchen. Noch dominanter war aber einerseits die übergroße Lust und Neugier auf Rauskommen und Weite, andererseits die kleine Gier nach dem Geld. Letztere vor allem machte viele blind. Wir hatten uns erlaubt damals, dazu kritische Anmerkungen zu machen, aber das klang verdächtig „links“, die Kritik am Geld, und mit links war man fertig. Umso irrationaler, jetzt das, was man bekommen hat, wiederum als „links“ zu diffamieren. Oder eben doch rational, als in sich logisch als ewige Ausflucht vor Zeitumständen, die einem nicht passen. Erst vor diesem ganzen Hintergrund ist mir im Nachhinein aufgegangen, welch hellsichtige Botschaft der Naumburger Meister in seine Stifterfiguren gelegt hat, insbesondere in die junge Polin Reglindis.

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            • Michael B. schreibt:

              @lynx

              > Eindruck des „Bewegtwerdens“, wie das so ist bei großen Gefühlsausbrüchen.

              Nur um hier vorsorglich keine Zweifel zu lassen – hier ging es um die Bedeutung von passiv (Bewegtwerden) gegenueber aktiv ([sich selbst] bewegen). Meine Gefuehlsregungen hielten sich in Grenzen.

              > Oder eben doch rational, als in sich logisch als ewige Ausflucht vor Zeitumständen

              Das hatten wir ja schon ad nauseam hier – diese Aufwertung zur Unvermeidlichkeit teilen die meisten Leute hier nicht. Sie haben nebenbei auch immer wieder Belege fuer aktives Wirken von Interessengruppen gebracht, statt nur geradezu naturgesetzliche ‚Zeitumstaende‘ zu postulieren.

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    • @ Michael B.

      Alle hier veröffentlichten Texte sind Tests: Wie fühlt es sich an, wenn ich so etwas sage, ist es stimmig, paßt das zu mir etc. Wie es sich anfühlt, es auf der anderen Seite, den vielen anderen Seiten, zu lesen, kann ich nicht beeinflussen. Ich hätte auch „Hypothese“ schreiben können oder Ähnliches. Allerdings nehme ich natürlich das Bild der anderen wahr und es ist umso beeindruckender, je öfter man sich verständigt hat, weswegen Lynx Beiträge in der Regel vollkommen abperlen – hier wird nur rein rational nach Brauchbarem abgescannt.

      Es gab vor kurzem einen Tweet Norbert Bolz‘, der viel Aufsehen erregt hat:

      Der Grundtenor im Kommentariat war negativ, den sprachlichen Gepflogenheiten dieses Mediums entsprechend in etwa so wie Ihr Verdikt. Dennoch ließ Bolz diesen Tweet stehen, obwohl es doch ein Leichtes ist, ihn zu widerlegen. Mehr noch, Martin Lichtmesz – einer der hellsten Geister der Neuen Rechten – beantwortete ihn wie folgt:

      https://twitter.com/lichtmesz/status/1233913329011347456

      Und so, denke ich, sollte man auch diesen kleinen Beitrag lesen. Ich habe mir ihn nach Ihren Worten noch einmal auf der Zunge zergehen lassen und finde keinen Grund ihn zu ändern. Sicher, man könnte statt des „nur“ ein „unter anderem“ oder dergleichen einfügen, aber das nähme ihm die Dringlichkeit. Außerdem habe ich die Worte „wohl“, „vermutlich“, „u.a.“, „scheinbar“ etc. auf diesem Blog fast totgeritten.

      Die Dichotomie ist nicht per se schlecht oder falsch, es gibt welche, die man nicht über Bord werfen sollte, wenn ein sinnvolles Gespräch noch möglich sein soll. Natürlich kann man jede einzelne davon trotzdem zerreden. Der Satz „Hier muß man stärker differenzieren“ ist ein übliches Kampfmittel in Talkrunden geworden, dem anderen das Wort abzuschneiden und zugleich blöde aussehen zu lassen. Ich meine, man muß bei dem Satz „Hier muß man stärker differenzieren“ stärker differenzieren in sinnvolle und weniger sinnvolle Anwendungen. Das alles und immer zu differenzieren sei, ist ein Fehlschluß den man besonders gern unter den Linken – auch wieder so eine Dichotomie, die man zerreden kann – verbreitet ist und letztlich in der Auflösung der Kategorien endet: Mann und Frau, Links und Rechts, Konservativ und Progressiv, Moralisch und Unmoralisch, Neu und Alt und andere dekonstruierte Begriffe. Das Ende des „Man“. Aber natürlich gibt es Übergänge und Grauzonen – das ist so offensichtlich, daß man es nicht dauernd betonen muß. Dennoch sind diese Dichotomien sinnvoll …

      Mir scheint, der Gedanke, die Hypothese ist eher an der Prämisse angreifbar. Es gibt natürlich evolutionäre langsame Progressionen, die sich auch in gut funktionierenden System allmählich durchsetzen – daß hier nicht von diesen die Rede ist, war innenlogische Voraussetzung. Letztlich sollte die innere Dialektik – also gerade das in sich Widersprüchliche und Vielfältige des Konservatismus – aufgezeigt werden. Bewahren (Trägheit) wird als Grundkonstante vorgestellt, die aus sich heraus die Bewegung gebiert – und umgekehrt ist es natürlich ähnlich.

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      • Pérégrinateur schreibt:

        Die angeführte Äußerung von Bolz war – auch in Ansehung der aphoristischen Form, um die er sich gewöhnlich recht erfolgreich bemüht – allzu ungegründet-geschichtsmetaphysisch und schlimmer noch, sie passt zu sehr in ein hierzulande von allen konformen Nachschwätzern geschätztes Narrativ. Man sollte aber die Prêt-à-porter-Kleider nie anziehen, sondern immer zerreißen. Der Spruch ist genauso platt, als wenn man das mephistophelische Aus-einem-Punkte-Kurieren auf jeden weiblichen Unsinn münzte, der einem begegnete.

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  4. Interessant zu erfahren, dass es „Neugier“ als menschlichen Antrieb in ihrem Universum nicht gibt. Ist eigentlich widersprüchlich, denn sie erkunden doch so Einiges. Exploration ist eine der Haupttriebfedern des Menschen, seit eh und je, auch ohne Not. Einfach aus Neugier. Und Spieltrieb. Nehmen wir das vom Menschsein weg, dann haben wir vielleicht noch Anstaltsinsassen vor uns.
    Aber es stimmt: auch Neugierige mögen ihre Sicherheit. Aber warum Sicherheit ohne Neugier?
    Dass nur eine zwangsbefriedetete „homogene“ Gesellschaft der DDR als friedlich angesehen wird, lässt tief blicken.
    Aber es stimmt schon: die eigene Zeit zählt und prägt. Meine Großmuitter aus dem 19. Jh. hat sich schon in der „homogenen“ Gesellschaft der 1960/70er Jahre nicht mehr zurecht gefunden.
    Also braucht es überzeitliche Regeln, die das Zusammenleben so gestalten können, dass alle Zeitebenen friedlich parallel koexistieren können. Und die haben wir ja zum Glück: Toleranz, bürgerlicher Anstand, Rechtsstaatlichkeit, Mitgefühl, Solidarität. Und ein Ort für jede/n für einen friedlichen ungestörten Feierabend, ob im Stehausschank am Eck oder in der Shisha-Bar. (Satirealarm!)
    Eigentlich muss man nur akzeptieren, dass es diese Zeit-Schichtungen gibt und dass man schon aus rein biologischen Gründen es nie schaffen wird, sie zu homogenisieren. Homogenisierung ist eigentlich ein Schreckenswort, den da werden die Dinge zerhäckselt und in einen Einheitsbrei verwandelt. (Milchtechnisch könnte man jetzt argumentieren: homogenisierte Milch hält aber länger. Die Rohmilch ist aber natürlicher und gesünder, hat oben feinen Rahm. Aber das führt auf Abwege.)

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    • Pérégrinateur schreibt:

      https://www.mouv.fr/musique/rap-fr/sneazzy-et-nekfeu-font-zero-detail-dans-leur-nouveau-clip-358505 ab etwa 1:00

      «. Les collabos,{…] Les journalistes salissent l’islam, sont amateurs comme Pascal Praud. Ça mérite une balle dans le cervelet, le canon au fond de la bouche. »

      Sneazzy/Nekfeu

      ――――――――

      Hier dagegen schon richtet eingeordnet ein Vorkommnis des vergangenen Jahrs:

      https://rap.de/news/140373-rassismus-gegen-weisse-frankreich-will-nick-conrad-mundtot-machen/

      Leider ist der originale Clip nicht mehr bei youtube zu finden, «. Je rentre dans les crèches, je tue les bébés blancs. » etc.

      ――――――――

      Wenn die Schlange aus dem so niedlichen Ei schlüpft … Zwangs-multilulturalisierte Gesellschaften haben so manche „Verwerfung“, weshalb sie von manchen uneinsichtigerweise verworfen werden.

      Ihre Forderung nach überzeitlichen Regeln ist übrigens äußerst naiv. Es gibt synchron nicht interkulturellee, siehe die zeitweiligen Zierden der Baukräne im Iran. Und wenn Sie diachron nur eine Kultur wie etwa die okzidentale allein betrachten, dann werden sie schon finden, dass einst das Massakrieren Homosexueller mit den Höchsten Werten gerechtfertigt wurde, während umgekehrt heute der absonderlichste Antidiskriminierungsunfug in sexualibus christlich-theologisch gerechtfertigt wird.

      Heute muss man in unserem Staate doch schon froh sein, wenn das positive Recht und speziell die Verfassung nicht von der Regierung auf Schritt und Tritt gebrochen wird.

      Die Träumer werden im Elend aufwachen; das sei ihnen ja gegönnt. Aber warum nur müssen sie die anderen mit in den Taumel der zukunftsgewissen Bestandsvernichtung hineinziehen?

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    • Michael B. schreibt:

      > aber das nähme ihm die Dringlichkeit.

      Das ist aber gerade Teil meiner Kritik. In dieser Form wird man eng, das uebermittelt in diesem Fall etwas Fatalistisches. Genau aus dem Punkt heraus, den Sie weiter ansprechen. Einer, angekraenkelt von der Blaesse des Geistes (Sie, seidwalk 🙂 aergert sich darueber, ueber seine vermeintliche Schwaeche, und will entschiedener werden. Ich habe das bei Intellektuellen so oft gesehen, die versuchte Konsequenzmacherei.
      Das ist dann oft uebereilt und nicht wirkliche Konsequenz, sondern mutiert zum sich an die extremen Waende druecken lassen mit allen Nachteilen fuer einen selbst. Das aendert nichts fuer Sie und nichts fuer Ihre Anliegen, wenn diese so geartet sind, dass man sie anderen nahebringen will. Wie schon gesagt, sollte man das Ziel fuer Konsequenz klug waehlen.

      Ich habe das einmal in anderem Zusammenhang erlebt. Vor ueber 20 Jahren habe ich eine ganz boese Scheidung durchlaufen. Das zog sich viele Jahre und man kommt irgendwann im Netz und Leben zu anderen Betroffenen. Nach einer Weile kommt die Frage auf, warum man immer so negativ ‚rueberkommt‘, gerade Unbetroffenen gegenueber. Aber auch die Compatrioten suchten sich im praktischen Leben, ob als Freunde oder auch in Kopfueberbeziehungen (die krachend vorhersehbar scheiterten), irgendwie immer ganz andere Bezugspunkte, sobald sich eine Moeglichkeit bot. Fast egal zu welchem Preis. Hauptsache Leben, welches man so schmerzlich vermisste. Man muss dazu sagen, dass man speziell als Mann in direkter Auseinandersetzung damals so gut wie keine Chance hatte, wenn die Frau sich nicht voellig behindert angestellt hat. Und was man verlor, waren die wesentlichen Dinge des Leben. Geld gehoert auch dazu, das war aber gegebenenfalls nur der Anfang. Fuer mich war es ein Kind und ein Beruf.

      Genauso stellt sich oft die ‚rechte Szene‘ dar. Und nicht nur als Anschein. Sie haben – als Grundtenor – keinen Zukunftsentwurf. Sie wissen nur, was sie nicht wollen. Einige wuerden jetzt aufschreien, aber mit oder ohne Nachbohren kommen ausschliesslich Loesungsvorschlage OHNE JEDEN Zukunftsanteil ausser als Menge von Korrektur- oder genauer Rueckstellmassnahmen, ja nicht einmal Kenntnis oder Akzeptanz gegenwaertiger Dinge. Und ich meine ueberhaupt nicht politische Zustaende.

      Der Punkt ist, dieser loop ist selbstverstaerkend. Die Vaeterbewegten sitzen zum Teil noch heute so da wie vor ueber 10 Jahren als mich davon entgueltig abgewandt habe und lieber mit Risiko (aber nicht kopflos) eine neue Familie gegruendet habe. Man muss das Problem grundlegender aufheben. Wer heute bei ‚rechts‘ stehenbleibt, dem wird es genauso ergehen wie den familiaer Duepierten, darauf moechte ich wetten. Zu ‚links‘ und meiner Meinung muss ich nichts sagen, aber solange ihnen seltsamerweise und irrational ein Bonus an Virilitaet und ganzen Wagenladungen weiterer positiver Eigenschaften geradezu automatisch zugeschrieben wird, da haben sie ihren Vorteil. Das Falsche ist, die Begriffe selbst dann anzugreifen – auch Progressivitaet gehoert dazu – statt sie selbst inhaltlich zu besetzen und diese Kasperkaiser aus ihren Kleidern zu holen und als das dastehen zu lassen, was sie sind. Ein jaemmerlicher geistig impotenter Haufen.
      Das passiert m.E. letztlich nicht medial in direkter Konfrontation, aber wenn die Leute weg sind die leisten, dann faellt der Parasit ab.

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      • Schön analysiert. Wann hat die Rechte jemals ein positives Zukunftsbild, einen tragfähigen Zukunftsentwurf für eine friedliche Gesellschaft hervorgebracht? Ich glaube, das geht grundsätzlich nicht, aus systemischen Gründen. Die Vision einer fortdauernden Bürgerkriegsgesellschaft: Wer will so etwas, außer Sellner, Lichtmesz und andere Chaoten?

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        • Pérégrinateur schreibt:

          Es ist schon schwierig, eine bestehende Gesellschaft umfassend zu verstehen, wie ist das dann erst bei den Folgen einer „visionär“ angetriebenen Änderung? Wieso soll man unbedingt glaubensgewiss ins Leere springen? Wieso immer die Schiffe hinter sich verbrennen, so wie man es etwa in der EU gerne macht? Erst eine gemeinsame Währung schaffen, um angeblich zum dynamischsten WIrtschaftsraum der Welt zu werden, und wenn es dann erbärmlich schief geht, den Euro religiös verklären und ihn zum Selbstzweck erklären. Diese Große-Wurf-Macher können gewöhnlich nicht zugeben, dann sie es verhauen haben. Man muss noch froh sein, wenn die Visionäre keine Tscheka einrichten, um das nicht funktionierende Modell zu retten, das angeblich nur durch die böse Obstruktion der höllischen Ungläubigen nicht funktioniert.

          Zudem wollen die Visionäre gewöhnlich immer gleich die gesamte Gesellschaft auf einen Schlag nach ihrem einheitlichen Hirngespinst ummodeln. Wieso nicht viele Akteure unabhängig experimentieren lassen und aus dem übelsten und besten Ausgang lernen? DIese Abneigung gegen das adiabatischen Vorgehen und diese Zuneigung zum wilden Bruch sind meinem EIndruck nach gewöhnlich die Folge einer Heilssehnsucht von Menschen, denen es gar nicht um die konkrete Verbesserung der Welt, sondern um die persönliche Hoffnung auf die ἀποκατάστασις πάντων religiöser oder weltlicher Ausprägung geht.

          Ich hatte zu Studienzeiten oft Diskussionen mit den damals verbreiteten K-Gruppen-Sektierern. Wandte man ihnen gegenüber ein, dass allgemeiner Wohlstand nicht ohne hohe Produktivität, diese nicht ohne hohe Arbeitsdisziplin und diese wiederum nicht ohne Hierarchie zu haben sei; dass niemals der Löwe friedlich neben dem Lamm liegen wird; dass der gesellschaftliche Frieden nicht ohne einen Staat zu haben ist, wo problematisch sich der auch zuweilen gerieren mag; dann kam meistens ein verzweifelter Ausruf der Art, „Aber dann wäre ja gar keine Hoffnung!“ Doch es war nur die ihre überspannt.

          Man kann gewöhnlich einen Glauben oder eine Ideologie nicht entziehen, wenn der Träger ein Bedürfnis danach hat. Von solchen laufen leider zu allen Zeiten zu viele herum, und sie sind rücksichtslos bereit, den Spatz in der Hand für die Taube auf dem Dach wegzuwerfen; vor allem, wenn ein Nachbar von ihnen empörenderweise zwei Spatzen hat.

          Lynx: Von alldem war doch gar nicht die Rede. Sondern von der Unfähigkeit der Rechten, ein attrahierendes positives Zukunftsbild zu entwerfen. Eigentlich haben Sie diese Unfähigkeit und das narzisstische ewige Lamentieren schön bestätigt. Mit so einem Bedenkenträger kann man kein Haus bauen und keinen Staat machen
          .

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          • Pérégrinateur schreibt:

            Man sollte einen Abbruch nicht Hausbau nennen. Das Attrahierende, das SIe offenbar meinen, kann mir gestohlen bleiben, ich brauche keine gretazistische Erweckungsbewegung mit anschließendem Kinderkreuzzug, sondern die sachliche Wägung der Entwicklungsalternativen. Fürs Enthusiasmierende und Mitreißenden daran gibt es null Punkte.

            Lynx: Und wo sind sie denn, die „Entwicklungsalternativen“?

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