Jugendgewalt – einst und jetzt

Vor 20 Jahren hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, in einer Leipziger Straßenbahn von sechs Skinheads erbarmungslos zusammengeschlagen zu werden.

Ostdeutschland hatte ein Skinheadproblem. Das war ein historischer Überhang aus der DDR, der durch die komplexen Nachwendeschwierigkeiten multipliziert wurde. Sie waren in  allen Städten präsent, aber sie wurden – wie wir aus Forschungen wissen – um die Jahrtausendwende allmählicher weniger.

Man bemängelte meinen Haarschnitt. Alles ging in Sekundenschnelle vor sich. Wie aus dem Nichts standen die Herren vor mir und konnten in Nullkommanix ohne jegliche aktive Provokation eine unerklärliche Wut generieren. Das blieb für mich das größte Wunder.

Alle Sitzplätze der Straßenbahn waren nach einem kleinen Straßenfest besetzt, darunter ein Schwarzer und ein Transsexueller, aber es traf den Linken. Ich stand hinten am Rückfenster, wie es seit je meine Art ist. Im abgetragenen Jägerrucksack hatte ich einen Band Karl Marx – ich kam aus der Deutschen Bücherei.

Zwei Dinge, so scheint mir, retteten mich: die sofort blutende Nase, die ein gewisses Bedürfnis befriedigte, und die Geistesgegenwart, mich wie ein Sack auf den Boden plumpsen zu lassen und trotz mehrerer Springerstiefeltritte in Leib und Kopf, reglos liegen zu bleiben. Man nannte mich „Zecke“ und auch der Name „Auschwitz“ fiel, und man ließ erst ab, als einer mich tot wähnte und ein anderer bereits am Rucksack riß, um mich auch noch zu berauben. Ich betete zum heiligen Karl, sich gut zu verstecken, und wurde erhört.

Als die sechs den Waggon fluchtartig verlassen hatten, kamen drei weinende Studentinnen auf mich zu und halfen mir auf. Dutzende Augenpaare schauten mich an, keinem ist es auch nur in den Sinn gekommen, helfend beizuspringen. Wer eine solche Szene erlebt hat, weiß, daß all diese moralistischen Aufschreie nach „unterlassener Hilfe“ oder Selbstverteidigungsphantasien Schwachsinn im Quadrat sind: Man kann in diesen Situationen nicht helfen, sofern man nicht akribisch auf sie vorbereitet ist! Die vielleicht 40 Menschen haben sich verhalten wie – Menschen! Kein Vorwurf!

Dann stand ein Krankenwagen da, mit Blaulicht und in rasender Fahrt und in Sirenengeheul eingetaucht, fuhr man mich in ein Krankenhaus zur Untersuchung und Tomographie. Ich kam ohne schwerere Verletzungen davon, nur dauerte es ein paar Jahre, bevor ich eine Glatze wieder ohne erhöhten Puls sehen konnte. Man nennt das wohl „Trauma“.

Ich bekam einen Blick für diese Leute, überall sah ich sie schon aus der Ferne, studierte ihre Gesichter, ihre Kleidung, ihre Bewegungen – ich begann, über sie zu lesen. Doch nach und nach wurden sie weniger sichtbar und verschwanden nahezu.

In Leipzig, am Morgen danach, als ich nach Hause fahren wollte, wurde ich – keine 12 Stunden später – erneut Zeuge einer Gewalttat. Am Perron gegenüber stritten sich vier Männer lautstark. Was sie sagten, konnte ich nicht verstehen. Plötzlich zog einer ein Messer mit fester Klinge aus der Tasche und stach seinem Gegenüber, mit blanker Wut in den Augen, in den Kopf. Zum Glück rutschte die Klinge am Schädelknochen ab und zog, am Ohr vorbei, nur eine blutige Scharte. Die zwei anderen rissen dem Mann das Messer aus der Hand – und umarmten ihn. Danach besah man sich sie Wunde, befand, daß es nichts Gefährliches war, hielt ein Taschentuch darauf, verbrüderte sich gegenseitig und ging, Arm in Arm, davon.

Zurück blieb ein Dutzend geschockter, kopfschüttelnder Leipziger, die einmal mehr nur Zuschauer blieben, die das Geschehen aber nicht verstehen konnten, weil sie diese Menschen nicht verstehen konnten. Woher jene kamen, weiß ich nicht, aber ich nannte sie für mich selber: die Albaner.

Auch nach diesen schaute ich nun aus, wenn auch weit weniger intensiv.

Heute weiß ich, daß ich in kurzer Reihenfolge einen intensiven Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft Deutschlands machen durfte.

Sie mögen noch da sein, die baseballschwingenden Skinheads, aber ich sehe sie nicht mehr, mögen die Medien das alte Lied auch wieder und wieder singen. Junge intelligente Aktivisten mit ihnen zu vergleichen, spottet jeder Beschreibung.

Wenn sie tatsächlich wiederauferstehen, dann als Reaktion auf gewisse Ereignisse. Stattdessen lungern auch in meiner Stadt linke Antifa-Typen zusammen mit Punkern herum und werfen den Bürgern ihre Bürgerlichkeit vor und kontrollieren wohl auch nach Gesinnung. Kein Rechtsextremer geht heutzutage mit Glatze, Springerstiefeln und hängenden Hosenträgern dort vorbei.

Mehr noch aber fallen die Gruppen junger dunkelhäutiger Männer im Stadtzentrum auf, meist sauber getrennt zwischen Arabern, Afghanen, Nordafrikanern, Eritreern, Schwarzafrikanern und Osteuropäern. Die Spannung liegt in der Luft.

Diese Erinnerungen steigen wieder auf, wenn ich heute in der Zeitung zusammenfassend – an einem Beispiel: Berlin – lesen muß, was ich seit zwei Jahren tagtäglich in Form sogenannter „Einzelfälle“ lese:

Focus: Aktuelle Studie zur Jugendkriminalität – Zahl der Straftaten steigt

Die Zahl der jugendlichen Gewalttäter steigt wieder, nachdem sie über viele Jahre gesunken war. Der Zusammenhang ist evident und selbsterklärend und kann selbst von jenen Medien nicht negiert werden, die seit zwei Jahren dominant ins Pro-Einwanderungshorn blasen: In Berlin etwa gab es im letzten Jahr ca. 7000 jugendliche Straftäter – das sind tausende Straßenbahnerlebnisse! – 2506 davon waren Deutsche! 2446 Nichtdeutsche. 1638 „Deutsche mit Migrationshintergrund“ und 323 „Verdächtige mit unklarer Herkunft“.

PS: Ein Jahr nach dem Vorfall erreichte mich die beruhigende Reaktion der Staatsanwaltschaft auf meine Anzeige – Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan:

 

 

7 Gedanken zu “Jugendgewalt – einst und jetzt

  1. Kurt Droffe schreibt:

    Ich habe im Sommer dieses sehr kurzweilige Buch (https://www.amazon.de/89-90-Roman-Peter-Richter/dp/3442714656/) gelesen und darin enorm viel über die Wendezeit in der DDR, aber auch über die heutigen Frontlinien (die mir aus dem Westen so gar nicht bekannt waren) gelernt; die Bildung der Neonazi-Szene, der DDR-lastige Antifaschismus, die relative Austauschbarkeit oder zumindest Zufälligkeit der Parteiungen. Ihr schauderhaftes Erlebnis (auch wenn es etwas später war) kann ich vor diesem Hintergrund gleich besser „einordnen“, die ganze Atmosphäre wird von Richter gut beschrieben. Im „Westen“ gab es das in der Form aus verschiedenen Gründen nicht.

    Aber zu Ihrem Thema: Ich habe den Eindruck, daß die „Neonazigewalt“ der Linken gegenwärtig eben recht, naja, willkommen ist, um über das Thema „Migrantengewalt“ nicht reden zu müssen. Um nicht mißverstanden zu werden: Jede Neonaziattacke ist übel, doch dafür gibt es Polizei, Staatsanwalt und Strafrecht. Und ich habe auch Respekt vor jedem Pfarrer o. ä. in einer ostdeutschen Kleinstadt, der etwa in der Jugendarbeit unter Gefahr engagiert versucht, solche Menschen zu erreichen. Doch wenn man sich wie ich etwas bei Twitter tummelt, dann kann man leicht den Eindruck gewinnen, daß in der linken Blase „Nazigewalt“ ganz wesentlich der eigenen Identitätsstabilisierung dient, und dazu hilft, den Problemen von Migration gar nicht erst ins Auge sehen oder gar darüber diskutieren zu müssen. Das Ganze ähnelt etwas dem Umgang mit „Haß und Hetze“ im Internet: Die gibt es, die ist nicht schön, aber die verdient auch nicht die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird. Doch die Beschäftigung mit „Haß und Hetze“ eignet sich hervorragend dazu, einer Diskussion mit den echten Argumenten der „anderen Seite“ überhaupt aus dem Wege zu gehen.

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    • Das ist wohl wahr. Wer sich als Anti-X definiert, muß größte X-Pflege betreiben, um sich legitimieren zu können. Und weil der Nachschub an Skinheads allmählich versiegt, muß alles zum Nazi umdefiniert werden, was dezidiert andere politische Meinungen vertritt.

      Dieses Wahrnehmungsspiel funktioniert bis in die höchsten Ebenen. Der Zufall will es, daß ein Bürgermeister mit einem Messer attackiert wurde, vermutlich von einem „Einwanderungskritiker“. Und plötzlich ist die Betroffenheit ganz groß, obwohl das Messer längst zum Alltag gehört. Maas twittert sofort und tritt ein für
      und Merkel ist auch gleich ganz entsetzt.

      Man kann darauf warten, bis der erste die Saat von AfD und Pegida aufgehen sehen wird. Der zunehmende Rechtsextremismus ist erneut bewiesen und damit die Notwendigkeit der Antonio-Amadeu-Stiftung und ähnlicher Zivilwächter …

      Ergänzung (12.35 Uhr): Die Zuweisung wurde vom Opfer bereits selbst geleistet, wenn auch noch ohne Namensnennung: http://www.sueddeutsche.de/politik/nrw-ich-werde-auf-jeden-fall-weitermachen-1.3768952

      Das ganze vor 13 h, als es auch noch hieß, dem Manne wurde in den Hals gestochen, man also von lebensgefährlicher Verletzung ausgehen mußte: https://rtlnext.rtl.de/cms/altena-mann-sticht-buergermeister-andreas-hollstein-mit-messer-in-hals-4134619.html

      Gerade eben erfahren wir, daß die Szene weit weniger dramatisch war: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/andreas-hollstein-wer-ist-der-angegriffene-buergermeister-von-altena-a-1180630.html

      Kurt Droffe: https://twitter.com/cyberdoc60/status/935463643541581824

      Seidwalk: Na endlich! Das hat aber lang gedauert. Dafür aber von der kompetentesten aller Stimmen: http://www.focus.de/politik/deutschland/justizminister-zu-gast-bei-maischberger-prinzip-ist-menschen-aufzuhetzen-maas-attackiert-afd-nach-anschlag-auf-buergermeister_id_7916394.html

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      • Kurt Droffe schreibt:

        Als vor ein paar Tagen kaum einen Kilometer von uns entfernt ein Mann zu Tode gestochen wurde, hörte man derlei Betroffenheiten nicht. Doch wenn es einen Politiker betrifft, dann ist man wohl „näher dran“.
        Mein Vorschlag für einen großen Schritt zur Lösung des Migrations- und Kriminalitätsproblems ist schon länger, sämtlichen Politikern den Personenschutz zu entziehen..

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      • Pérégrinateur schreibt:

        „Wer sich als Anti-X definiert, muß größte X-Pflege betreiben, um sich legitimieren zu können.“

        Es gibt noch einen anderen und gefährlicheren Wirkungspfad der Selbstbestätigung, nämlich nicht nur über die verstärkte Zu-X-Erklärung (Takfīr), sondern über die wirkliche Vermehrung der Xe. Zum Beispiel durch Polarisierung, indem man alle Noch-nicht-anti-Xe oder Noch-nicht-ausreichend-anti-Xe umstandslos zu Xen erklärt.

        Da die Urteile über die Meinungen die Tendenz haben, sich „natürlich“ zu Urteilen über ihre Träger (hier eben ja schon ein schönes Beispiel dafür) oder zu Urteilen über die Gegenstände der Meinungen auszuweiten, sich also zu totalisieren (Komplexitätsreduktion wird immer gerne angenommen), wird dann ein Teil der Noch-nicht-ausreichend-anti-Xe mit der Zeit zu Xen, etwa aus Trotz. Und schon gibt es noch mehr Anlass zu Anti-X.

        Der mir wesentlich dünkende Punkt ist nur, dass die allermeisten Anti-Xe keiner bewussten Strategie zur X-Vermehrung folgen. Vielmehr funktioniert der Mechanismus mit dummen Anti-Xen – und welche dummen Anti-Xe wären nicht auch erkennbar dumme Anti-Xe? – noch viel besser, weil das den Totalisierungsschub für die von ihnen Angegriffenen noch verstärkt. Sie lockt dann auch noch der Anschein eines intellektuellen Distinktionsgewinns.

        Das Übel ist, zu allem gleich und ohne Mühe eine Meinung haben zu wollen, die dann auch gleich noch mit Eifer zu verfechten und sich dadurch über das limbische System noch mehr in ihr zu bestätigen. Es gibt vermutlich mehr Adrenalin- und Dopaminsucht als Abhängigkeiten von extern zugeführten Substanzen.

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        • Neue Entwicklung zur systemischen X-fizierung!

          Der „falsche Syrer“ Franco A., den man im April mit viel Aplomb als den lang ersehnten rechtsradikalen Terroristen präsentiert und intensiv besprochen hat, wurde heute aus der Untersuchungshaft aufgrund mangelnder Beweise entlassen. Die Welt schreibt:“Es gebe keinen dringenden Tatverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

          Sie kommt damit zum gleichen Ergebnis wie dieser Blog unmittelbar nach dem Großereignis. Ich verweise auf den Beitrag vom 28. April, der in hindsight noch einmal nett zu lesen ist: Die staatsgefährdende Gewalttat.

          Dort wird auch der Rechtsextremismusexperte Hajo Funke zitiert: „So eine infame Taktik (sich als Syrer verkleiden, dann hochrangige Politiker abknallen, um es dann dem Syrer in die Schuhe zu schieben) bietet sich für die Rechten geradezu an.“ Man darf auf seinen jetzigen Kommentar gespannt sein!

          Dieser Hajo Funke tritt als Erklärer auch in dem kürzlich ausgestrahlten Beitrag des WDR über „Die rechte Wende“ auf, eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Doku. Daraufhin wurde sie auf Sezession ausgiebig analysiert und regte zu einer noch immer lebendigen Diskussion an: https://sezession.de/57486/hajo-funke-auf-3sat-%E2%80%93-neutraler-extremismusexperte?

          Zurück zur X-fizierung. Während ein armer Schlucker, dem man bereits das Wasser abgedreht hatte und der seine Wut in einen Angriff auf einen Bürgermeister übersetzte, zum nächsten rechtsradikalen Verbrecher macht und man bis in höchste Kreise betroffen ist, gehört die „Messerei“, wie Michael Klonovsky beweist, schon längst zum jüngeren deutschen Alltag, ohne daß Maas oder Merkel davon Kenntnis nehmen wollen: https://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna/item/705-27-november-2017

          PS: Übrigens wäre es spannend zu hören, was eigentlich aus diesem rechten Terroristen geworden ist, den man im Sommer 2016 präsentierte und der mit 125 kg TNT (!), drei Raketenwerfern (!), fünf Maschinengewehren (!) und jeder Menge Munition im Gesamtwert von 250000 Euro (!) an der Grenze zu Polen festgenommen wurde, womit er im Alleingang auf Synagogen, Moscheen, Brücken, Autobahnen, Polizeistationen, Behördengebäude und „zahlreiche andere Orte“ schießen wollte:
          siehe: Es lebe der Terror!

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          • Pérégrinateur schreibt:

            Ein Vorschlag für einen neuen Untersuchungsansatz in Sachen Marco A., den die zuständige Behörde verfolgen sollte, damit uns der deutsche Terrorist als Gestalt ja erhalten bleibe: Wollte der Oberleutnant vielleicht für den Fall der Versetzung seiner Einheit nach Afghanistan (zur Verteidigung der Sicherheit Deutschlands usw. …) schon mal ansparen, damit man sich dann dort privat Ausrüstungsgegenstände anschaffen kann, für die bei der Bundeswehr kein Etat angesetzt ist? Das Delikt bestünde dann darin, dass die erworbene Summe nicht für das dringend nötige Evakuierungs-Fluggerät reichen wird, sondern wohl allenfalls für Schutzwesten und kleinere Kommunikationstechnik. Andere dagegen haben schon 14 Identitäten geschafft, was doch wohl beweist, dass A. bei weitem nicht den von einem Soldaten zu erwartenden persönlichen Einsatz gezeigt hat. Und das bestimmt, um die genderskeptischen Taliban zu begünstigen. Diese Rechtsextremen stecken schließlich alle unter einer Decke!

            Um Herrn Funke würde ich mir keine Sorgen machen. Ich schätze, er übergeht den neuen Sachstand elegant oder reagiert notfalls eben wie in Bergmans „Das siebente Siegel“ der Schauspieler Jof gegenüber seiner Frau Mia. Diese verwies ihn auf einen neuen Visionsbericht von ihm hin etwas spöttisch auf den letzten, von dem am Ende auch wenig geblieben sei. In Reaktion darauf muss sich auch Funke tüchtig empören und konzedieren, dass die letzte Vision zwar falsch gewesen sei, das doch aber noch lange kein Grund sei dafür, die jetzige, die richtige Vision schnöde zu bezweifeln! Dreimal die Belangtrompete dazu geblasen, und schon überzeugt das ausreichend viele. (Leider ist anscheinend der Film bei Youtube nicht mehr in Gänze anzuschauen. Den einzigen Realisten in der Geschichte, den Knappen Jöns, inmitten fast nur religiöser Irrer seinen Weg gehen zu sehen, verschaffte nämlich sicher so manchem auch für heutige Zeiten Trost.)

            Ich gestehe, die jetzige öffentliche Aufregung über das Messerattentat verstört mich etwas. Ich glaube doch in letzter Zeit die Lehre verstanden zu haben, dass das ungeheuerlichste Delikt darin besteht, eine nicht öffentlich-rechtlich approbierte Meinung zu haben. (Sogenannte Opi-Opi-Regel: « Le délit d’opinion l’emporte de loin sur le délit d’opinel. ») Natürlich habe ich das sogleich brav übernommen. Doch wieso kommt man dann jetzt wieder mit irgendwelchen Banalitäten wie etwa Mordanschlägen daher – und dann noch nicht einmal gegen die mächtigste Frau der Welt, die alleine die liberale Weltordnung gegen alle Teufel aus der Hölle beschützen kann?! Ich verlasse mich hierbei auf diesen Artikel:
            http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-11/regierungsbildung-grosse-koalition-aussenpolitik-deutschland-5vor8
            des ÖRR-ergänzenden Hamburger Fischblatts für die gutmeinenden Stände, von dem ich allerdings nur den Aufreißer gelesen habe. Die Sterne sind mir zu hoch und das Leben zu kurz.

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  2. Pérégrinateur schreibt:

    Ich verlor mein sogenanntes Grundvertrauen etwas früher in der Grundschule. Nach der großen Pause musste man sich im Pausenhof paarweise aufstellen, um dann brav zu zweit und zweit nebeneinander die Steintreppe zum ersten Stock zu besteigen. Nur brach die Ordnung oft am Treppenfuß selbst plötzlich zusammen, indem die Herde ab dort johlend hinaufrannte. Ich stolperte und fiel dabei einmal, worauf dann ein oder zwei halbe Klassen wild über mich hinwegtrampelten. Seitdem großes Mißtrauen gegenüber Menschenmengen, vor allem wenn diese auch noch von gemeinsamer Begeisterung ergriffen sind. Dass manche Mitschüler damals auf dem Nachhauseweg notorisch auf Raufereien aus waren und mehr noch, dass viele andere dabei willig mitmachten, ließ noch mehr an Distanz gegenüber Hingerissenen aufkommen. Mein Gesicht war nie heiß und meine Suppe immer noch warm, wenn ich nach Hause kam.

    Auf die verbotenen Felsen am alten Steinbruch stieg ich an Sommernachmittagen natürlich auch, aber allein und nicht auf eine Herausforderung „Du traust dich doch nicht!“ hin, und bis auf zwei Birnbäume habe ich systematisch alle wohl hundert Bäume auf der großen Obstwiese am Dorfrand bis in Wipfelhöhe bestiegen. Bei den zweien war leider ohne Gerätschaften nichts zu machen – deutlich über meterdicke Stämme, die vom Boden aus dreieinhalb oder vier Meter lang senkrecht und astlos anstiegen. Die kratzigen Rindenbrösel oder was immer das war, das mir beim Klettern von oben in die Augen fiel, sind selbst in der Erinnerung noch recht unangenehm.

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