Wien, wie es leibt und lebt

Wir waren in Wien, nur ein paar Stunden. Die Stadt ist von der Migration schwer gezeichnet; schon an der Einfahrt warten als sichtbares Zeichen an jeder Haltestelle Frauen mit Kopftüchern. Am Prater Stern stehen große Gruppen ausländischer Jugendlicher und üben Multitasking: sie schauen auf ihre Displays und scannen zugleich aufmerksam die Umgebung und die Passanten. Keinen ihrer Blicke erhaschen die wenige Meter entfernt sitzenden Obdachlosen in eingenässten Hosen und langen grauen Bärten.

Die größte Gruppe der jungen Männer sticht durch eine eigenartige ethnische Physiognomie hervor: ein fernöstlicher Zug liegt in ihren Gesichtern. Es könnten Afghanen, besser afghanische Usbeken oder Tadschiken sein. Vor einem halben Jahr hatte ich diese Gruppe schon einmal studiert und einige Gesichter erkenne ich wieder – sie stehen hier, Tag für Tag, und tun was?

Auf nächtlicher Straße werde ich von einem Menschen angesprochen, dessen Gesicht ich in der Dunkelheit zuerst nicht erkenne. Es ist nicht vermummt, es ist schwarz und fragt mich mit afrikanischem Akzent: „Hallo! Willst du haben?“

In der Hotel-Lobby liegt die Zeitung aus, die „Kronen-Zeitung“. Auch hier ist der demographische Wandel unübersehbar. Ohne es zu wollen, gibt die Presse ein Stück Lebensrealität preis. Wie sieht die Welt des Kronen-Lesers aus? Die Ausgabe vom 24.10. erzählt folgende Geschichten:

Titelseite: „Österreichs Haftanstalten platzen aus allen Nähten, der Ausländeranteil steigt jedes Jahr weiter.“

Es folgen in originaler Reihenfolge:

  • Ein großer (für Kronen-Verhältnisse) Beitrag über die Abschiebung krimineller Ausländer in die Herkunftsländer, wo sie ihre Strafe abbüßen sollen, um das österreichische System zu entlasten.
  • Ein Artikel über ein serbisches Dorf, das zentral für den europäischen Drogenhandel ist – 70% aller österreichischen Drogen durchlaufen dieses Dorf, das von Albanern mafiös regiert wird.
  • „Blutiges Ehedrama mit zwei Toten“ – ein österreichischer Geschäftsmann bringt seine Frau und dann sich um.
  • Zwei Somalier liefern sich in der Rembrandtstraße eine Messerstecherei wegen zu lauter Musik.
  • Ein „Türke (19)“ bricht einen Zeitungskiosk auf.
  • „Afrikaner bedrohte Polizist mit Messer“. Ein Nigerianer trat die Tür seiner nigerianischen Nachbarn ein und bedrohte sie mit dem Messer, später auch die hinzugerufene Polizei. „Anzeige wegen Mordversuch!“
  • Experten informieren über Radikalisierungen im Netz.
  • Ein SPÖ-Integrationsstadtrat fordert Wahlrecht für alle, die mindestens 10 Jahre in Wien leben, ganz gleich welchen Status‘.
  • 15-jähriger Schüler wegen Hakenkreuzschmierereien vor Gericht – psychische Probleme …
  • Eine schwer alkoholisierte Wienerin sticht auf ihren Mann ein, der sie verlassen will.
  • „Die indische Tradition“, die alternde Mutter in den eigenen Haushalt aufzunehmen, wo sie dann das Zepter übernimmt, führte zu deren Erdrosselung durch den ebenfalls indischen Sohn.
  • Daniel E. biß seiner Verlobten ein Ohr ab und spuckte es dann aus.
  • „Nur durch Zufall gab’s keine Toten“ als im Grazer Stadtpark „bei einem Bandenkrieg … drei Afghanen mit Messern auftauchten und mit zwei Messern auf drei Tschetschenen einstachen“.
  • „Qualvolle Fahrt in den Tod“ – diesmal sind Tiere die Opfer, die von Nordeuropa in den Libanon gekarrt werden, wo man denen, die die Fahrt überleben, „ohne Betäubung die Kehle durchschneidet“
  • „Prügel für Glas-Sohn“ – diesmal in Berlin. Er hatte sich gegen den Raub seines Koffers gewehrt und wurde von einem „Rumänen“ brutal zusammengeschlagen.

Außerdem erfährt man alles über gebrauchte Autos, die aktuellen Fußballergebnisse und was frau tun soll, wenn der Mann den Orgasmus nur vortäuscht oder ihre Brüste nicht berühren möchte.

Am Morgen im engen Frühstücksraum sitzen vier deutschsprachige Paare und frühstücken verschlafen und wortkarg, während eine russisch ausschauende, aber eine seltsame Sprache (Georgisch?) sprechende Mutter sich lautstark mit ihrer vorpubertären Tochter unterhält und auch nicht verstummt, als sie ans Buffet geht, und ungeniert über 10 Meter laut weiter redet, ohne die Irritation der anderen zu bemerken.

Im Foyer liegt die neue „Kronen-Zeitung“ aus – wir ignorieren sie und nehmen Reißaus.

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