Europa, als demokratisches Projekt, ist erledigt. Psychisch erledigt. Die Idee ist pfutsch, niemand glaubt mehr daran.
Der beste Beweis dafür ist das überragende Wahlergebnis Macrons – ein politisches Chamäleon in einer Einjahrespartei – in Frankreich, aber auch die britische Unterhauswahl und selbst Merkels scheinbar irrationale Erholung oder, noch deutlicher, Schulz‘ kometenhafter Aufstieg und Fall, deuten in diese Richtung.
Die Menschen wissen, spüren und sehen, daß die fetten Jahre vorüber sind. Sie brauchen nur durch ihre Städte gehen, um es zu begreifen und auch diejenigen, die es verleugnen oder noch immer glauben, ihre volle Brieftasche und ein sicherer Job könnten sie vor Niedergang bewahren, wissen es tief drinnen. Wer sich informiert, wird tagtäglich mit Degenerationserscheinungen konfrontiert, sieht die Segregation der Gesellschaft, auch die verleugnende Systempresse ist mittlerweile voll davon – da helfen selbst die neuesten Wirtschaftsdaten nichts. Sogar grüne PolitikerInnen beginnen, ihre Häuser zu verbarrikadieren, während sie auf den Rednerpulten noch immer offenen Grenzen das Wort reden.
Die Menschen ahnen auch, daß die Probleme längst zu groß und zu komplex geworden sind, um sie noch politisch lösen zu können.
In solchen Lagen wird das Verlangen nach Erlösung übermächtig. Man wünscht sich einen Führer her, einen, der alles im Griff hat und man stattet ihn gern mit allen Vorschußlorbeeren, mit einem Grundvertrauen aus. Ein französischer Freund – Verleugner – schrieb mir gerade, daß er nun auch sehe, welche Probleme die Einwanderung mache und wie unsicher er sich mittlerweile in Antibes, an der französischen Code d’Azur – einst ein Paradies, heute eine Küste des Nordafrikas – fühle, aber er hoffe, Macron werde alles lösen.
Genau das ist es! Diese Hoffnung. Sie führt in den Untergang. Sie ist das Ende der Demokratie.
Ob einer Macron oder Hitler heißt, ist dann schon fast sekundär. Entscheidend ist der Status, dem man diesen Menschen verleiht. Macron, Corbyn, Schulz – und sogar Merkel. Sie werden zu Heilsfiguren, man hängt an ihren Lippen und atmet erleichtert auf, wenn „die Kanzlerin meint“. Die Heilsfigur ist das Gegenteil der Demokratie.
Man hat Heideggers „Nur noch ein Gott kann uns retten“ noch immer nicht verstanden. Heidegger meinte keinen Gottkaiser oder Gottkanzler, Heidegger meinte einen echten Gott.
Genau das ist es! Diese Hoffnung …
Die Antike hatte wenigstens die Auswahl zwischen den vielen Verrücktheiten; jeder nach seinem Geschmack, und die Projektionen waren naiver und durchsichtiger. In der Spätantike begann man dann etwas mehr Ordnung in die Sache zu bringen, die Rolle des Göttervaters wurde stärker. Lukian hat sich diesen dann im Überwiesenen Jupiter vorgenommen, wohl eine nicht unwesentliche Anregung für Goethens Gedicht. (Was Herr Wieland so übersetzte, erfuhr man ja gewöhnlich.)
Sich innerweltlich einen Erlöser zu erhoffen, ist gewiss einfältig. Aber ist die Hoffnung auf einen außerweltlichen wirklich vernünftiger? Ich fürchte, diese Sehnsucht reduziert sich am Ende nur auf das Verlangen, mit transzendentalem Zauber angenehm getäuscht zu werden. Die nicht kleine Rechnung für eine solche Vorführungen kommt dann später.
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„Sende aus Deinen Geist / und das Antlitz der Erde / wird neu“ (Psalm zu Pfingsten). Rein innerweltlich würde ich das alles nicht denken, leben und halten können …
Seidwalk: Ich muß es leider … oder zum Glück?
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Nichts wird besser und nichts wird schlechter nur dadurch, dass man es sieht oder nicht sieht, wie es ist.
Prometheus
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Gluth
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Aermeres
Unter der Sonn’, als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät,
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Thoren.
Da ich ein Kind war,
Nicht wußte wo aus noch ein,
Kehrt’ ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär’
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz, wie mein’s,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir
Wider der Titanen Uebermuth?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverey?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Thränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?
Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blüthenträume reiften?
Hier sitz’ ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sey,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!
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Goethe spricht von „Göttern“ – Heidegger von Gott.
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