Betreutes Denken

Kleines erhellendes Nachspiel der Kubitschek-„Affäre“ (seidwalk berichtete).

MDR Kultur nimmt sich der Sache noch einmal an. Mit dabei Liane Bednarz, Rechtsextremismusexpertin, und Werner Patzelt, Politikwissenschaftler. Dort sagte Frau Bednarz (Teil 1, ab 4:05 min):

Die Besonderheit der Konstellation am Theater Magdeburg bestand darin, daß kein ausgewiesener Experte für diese neurechte Szene eingeladen war. Mit Sicherheit ist Herr Stahlknecht ein versierter Minister und hätte auch gute Argumente gehabt, aber es war eben keiner dabei wie beispielsweise Armin Nassehi, der Münchner Soziologe, der sich seit Jahren intensiv mit der Szene beschäftigt. Das ist deshalb wichtig … weil diese Szene gewisse Sprachcodes hat, weil sie Begriffe anders definiert, als man das gemeinhin tut und wenn dann niemand ist, der das dechiffrieren kann, dann hat jemand wie Herr Kubitschek relativ leichtes Spiel.“

Lassen wir uns diese Sentenz noch einmal auf der Zunge zergehen. Sie enthält zwei wesentliche Aussagen. Zum einen begründet Frau Bednarz ihre eigene Unabkömmlichkeit und Alternativlosigkeit, zum anderen wird „dieser Szene“ eine Art Esoterik unterstellt, eine Geheimsprache – wenn man es radikal interpretieren will – ein eigener Sprachcode, der nur unter ihresgleichen zu entziffern ist. Das ist erstens banal, zweitens falsch, drittens diffamierend und viertens zirkulär.

Banal ist es, sofern es den alltäglichen Prozeß der Begriffsprägung meint, den jede „politische Richtung“, wie Kubitschek sagt (ab 3:00), nutzt. Denken wir nur an den Begriffskampf rund um den „Asylanten“-„Asylsuchenden“-„Flüchtling“-„Geflüchteten“-„Flüchtenden“-Komplex etc.

Falsch ist die Aussage, weil ausgerechnet in den Publikationen und Reden der Neuen Rechten um eine klare, entklausulierte, unakademische Sprache gerungen wird, die jedermann verständig sein soll ohne die Komplexität der Zusammenhänge zu nivellieren.

Diffamierend ist sie, weil sie Kubitschek und Co. als eine Art Kontaktgift oder ansteckende Krankheit denkt. Ungeschützter Kontakt kontaminiert – mit allen unangenehmen Konsequenzen (warnendes Raunen intendiert).

Zirkulär ist das Argument, weil „Experten“ wie Frau Bednarz sich permanent schützend vor ein Gespräch stellen, über das man informiert wird, das man selbst aber nicht hören soll oder führen darf. Vor der Beschäftigung mit der Szene wird gewarnt, ja sie wird sogar kriminalisiert, andererseits dürfe man nur jenen trauen, die sich mit der Szene beschäftigt haben …

Und hier kommt Punkt Fünf ins Spiel: Liane Bednarz höchstpersönlich. Denn auch wenn sie Nassehi nennt, empfiehlt sie sich und ihresgleichen doch selbst, macht sie sich scheinbar unentbehrlich. Jedes Mal, wenn sie sich schützend zwischen die „Gefährlichen Denker“ und „Bürger“ und das „Volk“ stellt, macht sie sich selbst unabkömmlicher, sorgt sie für ihren eigenen Lebensunterhalt. Das ist auch notwendig, denn wer ihre Publikationen und Wortmeldungen ein wenig kennt, weiß um ihre intellektuelle Beschränktheit und auch ihr Charakter wurde verschiedentlich aus dem eigenen Lager in Frage gestellt.

Es gibt in Deutschland einen ganzen Ring aus sogenannten „Rechtsextremismus-“ und „Rechtspopulismusexperten“, Soziologen und Politologen, deren gesellschaftliche Aufgabe und Funktion, deren einzige Legitimation es ist, gegen „rechtes Gedankengut“ zu forschen und davor zu warnen, so wie es einst in der DDR eine ganze Phalanx an „Philosophen“ gab, die den Untergang der „bürgerlichen Philosophie“ zu erforschen hatten (ich weiß, wovon ich spreche – ich wäre um ein Haar selber einer geworden: meine Aufgabe wäre gewesen, Otto Friedrich Bollnow zu widerlegen; eine Bekannte hatte gerade Jaspers erledigt usw.).

Sie heißen – und ich nenne die Namen nur, um die Aufmerksamkeit der Leser zu schärfen: Liane Bednarz, Alexander Häusler, Matthias Quent, Hajo Funke, Wilhelm Heitmeyer, Helmut Kellershohn, Florian Hartleb, Andreas Speit, Olaf Sundermeyer, Frank Jansen, Armin Pfahl-Traughber, Gideon Botsch, Andreas Kemper, Gerd Wiegel, Friedrich Burschel, Andreas Zick u.a. Sie alle haben einen Wikipedia-Eintrag, sind öffentliche Personen. Sie alle haben gut bezahlte Stellen an Universitäten, in Medienunternehmen, Instituten und Stiftungen, viele bekennen sich öffentlich zur Partei „Die Linke“ oder „Die Grünen“, sie haben Preise an der Zahl eingeheimst … und sie sind „immer bereit“ – wenn auch mitunter auf erstaunlich flachem Niveau -, wenn irgendwo im Lande ein Experte gesucht wird, der uns wissenschaftlich bestätigt, daß A(fD) oder B(jörn H.) unter Naziverdacht steht, vor die Kamera oder das Mikrophon zu hetzen und das Volk wieder auszurichten.

Sie verstehen sich als Aufklärer: gern nehmen sie Kants Wort in den Mund: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“

In diesem Sinne: Sapere aude!

PS (26.1.2017): https://www.youtube.com/watch?v=ukaRztMkfQ4

3 Gedanken zu “Betreutes Denken

  1. AMC schreibt:

    In meinem Blog „Im Luftreich des Traums“ beschrieb ich am 12. und 15.März dieses Jahres einen Abend mit Liane Bednarz zu diesem Thema. Die Fr.-Ebert-Stiftung, der ich meinen Bericht schickte, hielt es nicht für nötig, darauf einzugehen, wahrscheinlich hatte ich mich damit als „gefährliche Bürgerin“ geoutet.

    @ seidwalk: Der Ton im Luftreich des Traums wird aber auch härter, wenn ich nicht täusche? Meine Erinnerungen – die freilich auch täuschen können – sind da ganz andere …

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  2. Wer ist es denn, der hier den esoterischen Code hat? Doch wohl LB und ihresgleichen, die unbeirrbart die unterschiedlichsten Vorkommnisse, Personen, Sätze, Bilder, Berichte usw. mit ihrem limitierten Anti-rechts-Code etikettieren: „rassistisch“, „islamophob“, „menschenverachtend“, „rückwärtsgewandt“, „frauenfeindlich“ etc., neuerdings auch „fake“ und „postfaktisch“.

    Stellen Sie sich eine Veranstaltung vor, auf der Frau Bednarz diese Taferln in ihrer Tischlade liegen hat, und immer wenn Kubitschek etwas sagt, eines hervorholt (wahrscheinlich egal welches), damit das geladene Publikum merkt, wovor hier zu warnen ist.

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  3. Pérégrinateur schreibt:

    Wenn die unterstellt Unbedarften, auf die sich die Schutzverantwortung – das erhebende Wort kennt man auch aus anderem Zusammenhang – der selbstgewissen Experten erstreckt, die unterstellten Sprachcodes denn nicht verstehen, dann kann wohl deren Gebrauch intellektuell auch keinerlei Schaden bei ihnen anrichten. Es handelt sich dann um Botschaften, welche in unentschlüsselter Gestalt keinerlei Mitteilung erzielen, Rauschfaktor 100 % sozusagen.

    Gesetzt den Fall aber, diese Worte lösten, unbewusst für den Empfänger und etwa durch ihre pure Laut- oder Textgestalt allein, solche Wirkungen aus, dann zeigten doch die affizierten Empfänger ein Ausmaß von reptilisch-reflexhaftem Verhalten und Irrationalität, dass man ihnen dringlich das Wahlrecht entziehen müsste. Sie wären wie Revolver mit gespanntem Hahn und leichtgängigem Abzug. Wieso sagt man als einsichtsvoller und warnungsberechtigter Experte, nachdem man schon A gesagt hat, dann nicht auch B?

    Solche versteckten Botschaften mögen wohl denen verständlich sein, die den Schlüssel zum Code schon besitzen. Nach dieser Seite wäre ihre Verschickung aber dann eine Predigt vor den schon Überzeugten, also gesellschaftlich irrelevant, außer es wären die Kanäle, deren Kontrolle die allzeit Rechtmeinenden anstreben, die alleinigen, auf denen die Kommunikation der Unrechtmeinenden stattfinden könnte. Das ist zugegebenermaßen für manche fleißigen Medienkonsumenten mit allzeit für den Nürnberger Meinungstrichter offenem Mund nicht ganz auszuschließen. Ob Dissidenten vom Comme-il-faut der öffentlichen Meinung unter diesen nun gerade sehr zahlreich vertreten sein dürften?

    Aus der aufgeregten Rede der letzten zwei, drei Jahrzehnte über die allezeit höchstbedrohliche Nazi-Ideologie glaube ich jedoch zudem abgelesen zu haben, dass diese sich in der Hauptsache über die Keimbahn verbreitet, also von „deutscher“ Eizelle und „deutschem“ Spermion zu „biodeutschem“ Embryo und Kind. Es ist dies anscheinend die Einzigartigkeit dieser Ideologie unter allen anderen, nämlich wegen ihres Vektors, und zugleich die Einzigartigkeit dieses Erbgangs, nämlich wegen der Kategorie des übertragenen Merkmals. Zudem ist es der einzige Fall eines seelischen Rassenmerkmals, das ungestraft unterstellt und behauptet werden darf. Und auch hier, wie bei so vielen anderen historischen Rassismen, beruht die Rassenzuschreibung nicht auf wissenschaftlicher Genetik, sondern auf politisch-ideologischer Nutzbarkeit.

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